Angst essen Seele auf*

oder Feuer mit Feuer bekämpfen könnte man diesen Wahlkampf als Symptom unserer Zeit definieren. Das ist ein Vorwurf den ich allen Beteiligten machen muss.

Die Einen füttern unsere Medien mit der Angst vor Terrorismus und Kriminalität. Somit befürworten sie die, natürlich gesetzlich geregelte, Überwachung des Bürgers. Sie verschweigen uns natürlich, dass wir somit unter Generalverdacht gestellt werden. Das Internet ist für sie der Tummelplatz für Terroristen, Pädophile, Perverse, Betrüger und viele andere schlechte Menschen.

Die Anderen schüren unsere Angst vor dieser Überwachung. Big Data, NSA-Affäre, PRISM und wie das alles heißt werden zu Synonymen für den Überwachungsstaat und 1984 als Vorlage für die Zukunft missdeutet.

Wo liegt nun die Wahrheit?

Wohl wie immer dazwischen.

Natürlich gibt es im Internet Betrüger, die gibt es aber auch im analogen Leben. Die Postkarten mit Einladungen zu Kaffeefahrten motivierten keinen deutschen Innenminister eine allgemeine anlasslose Postüberwachung zu fordern.

Kinderpornographie war allerdings, zumindest in den USA, schon ein Grund. Arbeitsgruppen des FBI verfolgten diese schon lange durch Überwachung der Post. Ebenso wie Geldwäsche und Drogenhandel.

Warum nun ein Vorwurf an beide Seiten?

Weil es immer um Angst geht!

Es geht nicht um Mut, nicht um „verantwortungsvoll damit umgehen“.

Angst ist destruktiv. Nehmen wir den Begriff „Big Data“ als Beispiel. Müssen wir davor Angst haben, oder vor dem Missbrauch?

Das für sich zu entscheiden erfordert Beschäftigung mit dem Thema**. Das Schüren von Angst fördert aber eher Resignation.

Von Beschäftigung mit dem Thema ist nun aber scheinbar gerade bei der Jugend*** nicht viel zu merken. Laut der Umfrage von Infratest Dimap (ohne diese überbewerten zu wollen) würden 36% CDU/CSU wählen. Das wirklich Erschütternde ist für mich aber, dass sich nur 23% als „stark politisch interessiert“ bezeichneten. Das gibt zu denken, genau dort liegt der Fehler.

„Demokratie erfordert Teilnahme!“ das habe ich bereits mehrfach geschrieben.

Das Schüren von Angst fördert aber Lethargie. Die Entscheidung zwischen Angst vor Terrorismus und Kriminalität und der Angst vor Überwachung ist zu einfach. Sie ist emotional, nicht rational. Sie fordert von beiden Seiten nur Eines „Wie kann ich die Gefahr besser darstellen?“.

Angst hat aber noch eine andere, vielleicht wahlentscheidende, Dimension. Die Angst vor der Veränderung, der Veränderung zum Schlechteren. Im Falle es gewinnen die Anderen, die Unbekannten.

Diese Angst ist aber unbegründet. Die Unbekannten werden nicht gewinnen, sie werden hoffentlich ins Parlament einziehen. Sie werden, wenn es nach mir geht, auf den Oppositionsbänken Platz nehmen und die Bekannten zwingen Farbe zu bekennen.

Es ist nur zu hoffen, dass sie die Chance bekommen ihre Ideen in die Parlaments- und somit in die Regierungsarbeit einzubringen.

Den Mut dazu haben sie. Vielleicht gibt es dann 2017 einen angstfreien Wahlkampf. Einen Wahlkampf mit informierten und motivierten Bürgern.

Also habt keine Angst vor den Unbekannten und dem Neuen. Habt lieber Mut etwas zu ändern.

* „Angst essen Seele auf“ den Titel habe ich geklaut. Der „Bildungsbürger“ kennt natürlich den gleichnamigen Film von Fassbinder.

** Ich meine bei Beschäftigung mit dem Thema die Beschäftigung gemäß dem Ideal der Aufklärung „sapere aude“, habe ich hier und in der Packungsbeilage schon beschrieben.

*** Das gilt natürlich nicht nur für die Jugend. Zur Allensbach Studie habe ich hier geschrieben.

Wenn ein Hund gegen einen Hydranten pinkelt,

dann begeht er keinen Akt der Barbarei. Er benimmt sich wie ein Hund.

So ungefähr könnte man sich zum „Geheimdienstskandal“ äußern.

Dass Geheimdienste im Geheimen agieren ist normal und ihre Aufgabe. Das Ausspähen der eigenen Bürger ist ebenfalls nichts Neues. Man denke an die schlechten alten Zeiten des kalten Krieges. Da wurden die gegnerischen Staaten ausgespäht, man erwartete oder befürchtete ja einen Angriff. Ebenfalls wurde im Innern gespäht. Schließlich setzte man ja selbst Spione ein, also suchte man nach denen des Gegners.

Mit dem Ende des kalten Krieges kam nun aber den westlichen Staaten der Gegner abhanden. Zumindest der politische Gegner, in seiner Form als Aggressor. Die Geheimdienste waren aber noch da. Hat man also keinen äußeren Gegner, dann muss man sich einen im Innern suchen. Was gibt es also im Innern gefährlicheres als den, der das System in Frage stellt? Wer soll nun die Geheimdienste kontrollieren? Wer soll ihnen neue Aufgaben zuweisen?

Die Regierungen als Produkt der Gesellschaftsordnung können das wohl nicht. Unabhängig ob nun schwarz/gelb, rot/grün, schwarz/rot oder wie auch immer, sind sie am Erhalt eben dieser Staatsform interessiert.

So wird nicht unterschieden ob rechts oder links. „Wer nicht für uns ist, der ist gegen uns!“ – so einfach ist das. Um dies festzustellen muss man einfach nur alle überwachen.

Wer nämlich „gegen uns“ ist, der könnte ja auch terroristischen Aktivitäten wohlwollend gegenüber stehen. Er könnte sich sogar an diesen beteiligen oder sie unterstützen.

Dieses Konzept kann man sogar der Bevölkerung verkaufen. Für den Schutz vor Terrorismus nimmt der entpolitisierte Bürger sogar die Einschränkung seiner Bürgerrechte wohlwollend in Kauf. Er hat ja schon dieselbe zum Schutz gegen den äußeren Gegner akzeptiert.

Der Geheimdienst agiert also genau so, wie seine Regierung es erwartet. Im Geheimen, mit flächendeckender anlassloser Überwachung und mit allen Mitteln die ihm zur Verfügung stehen. Diese werden ihm übrigens von der Regierung, die heute behauptet nichts gewusst zu haben, zugewiesen.

Der Geheimdienst begeht also, wie der Hund, keinen Akt der Barbarei. Er benimmt sich wie ein Geheimdienst.

Das war die Einleitung, so weit so schlecht, jetzt die wichtige Frage „Wie kann man das ändern?“

Parlamentarische Kontrolle ist das entzauberte Wort. Entzaubert deshalb, weil das Parlament eigentlich nur aus den Regierungsparteien und den zukünftigen Regierungsparteien besteht. Aus Parteien die nicht an einer Änderung des status quo interessiert sind.

Somit brauche ich persönlich nicht 111 Gründe Piraten zu wählen, ich brauche nur einen. Gleiches gilt auch für Wähler anderer Parteien, sollte es zumindest.

Wir brauchen eine größere Vielfalt im Parlament.

Wir brauchen Menschen mit neuen Ideen.

Wir brauchen eben die Kleinen, knapp über 5%, die aber enorm wichtig sind.

Gerade wenn wir Überwachungsstaat oder Demokratie wählen wollen, dann brauchen wir nicht in erster Linie die Frage „Merkel oder Steinbrück?“ zu stellen. Die Frage ist, wer kann die Regierung beeinflussen? Das Parlament ist es.

Es gibt für mich Schlimmeres, weitaus Schlimmeres, als eine große Koalition. Aber nur dann, wenn auf den Oppositionsbänken des Parlaments die Linke und mehrere „knapp über 5%“ Parteien sitzen. Mag der Eine oder Andere auch sagen, dass dann keine effektive Regierungsarbeit möglich sei, die effektive Regierungsarbeit hat ja eben die o.g. Zustände geschaffen halte ich dagegen.

It’s the Democracy stupid, das habe ich schon mehrmals geschrieben und gesagt. Demokratie ist eben nicht einfach und nicht immer „effektiv“ im landläufigem Sinne.

Demokratie braucht aber Teilnahme.

Deshalb braucht sie den Nichtwähler als Teilnehmer. Das „Fischen am Rande“, egal ob dem Rechten oder Linken, beim Wechselwähler, bringt da nicht viel.

Warum verdammt noch mal ist es nur so schwer den Bürger an die Wahlurnen zu bringen?

Es ist nicht mehr viel Zeit.

alea iacta est (der Würfel ist gefallen)

In der Nacht hat nun der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou die Vertrauensabstimmung im Parlament gewonnen.

Es wird also keine Volksabstimmung um das Rettungspaket geben, die Opposition fordert sofortige Neuwahlen, die Medien überschlagen sich und wir sind ratlos.

Was ist nun eigentlich passiert? Ist Papandreou nun umgefallen, erpresst von der EU? Hat er nichts erreicht?

Meiner Meinung nach hat er einiges erreicht. Stellen wir hier mal unsere Befindlichkeiten hintenan und denken daran, dass Papandreou griechischer Ministerpräsident ist. Er ist dem griechischen Volk und dem griechischen Staat verpflichtet. Was wir darüber denken ist egal.

Sehen wir uns also die Lage vor der Drohung mit dem Volksentscheid an. Papandreou und seine Pasok-Partei regieren mit einer hauchdünnen Mehrheit, das „Rettungspaket“ ist geschnürt (wie immer man dieses bewertet) und Teile seiner Partei, in der Hauptsache aber die Opposition verweigern die Zustimmung, wegen unzumutbarer Härten die auf das griechische Volk zukommen.

Das ist natürlich ihr Recht und auch ihre Pflicht als Volksvertreter. Aber ist es auch ehrlich?

Papandreou holt nun einen Trumpf (vielleicht auch einen gezinkten Würfel, das werden wir wohl nie erfahren) aus dem Ärmel und ruft den Souverän an. Er fordert ein Plebiszit.

Er hat recht, die Regierung kann nicht regieren, das Parlament ist nicht handlungsfähig. Was soll er sonst tun?

Neuwahlen wären eine Alternative, aber was wären die anderes als ein Plebiszit?

Rücktritt und einem anderen den ganzen Mist überlassen? Das wäre ja wohl wenig hilfreich. Ehrenhaft, man verzeihe mir den Ausdruck, wäre es auch nicht.

Nun kommt der Knüppel aus Deutschland und Frankreich. Was passiert?

Die Opposition knickt ein!

Nach außen hin zwar Papandreou, weil er die Volksabstimmung (man denke an den gezinkten Würfel) zurückruft, aber in Wirklichkeit seine Gegner. Die die ihn blockierten, seine Regierung handlungsunfähig machten um selbst an die Macht zu kommen – die haben Angst!

Also bietet Papandreou seinen Rücktritt an und stellt sich der Vertrauensfrage. Das kann er, er ist reich, hat Macht gehabt und kann auch in den Ruhestand gehen.

Er gewinnt.

Warum?

Weil er „alternativlos“ ist. Die Opposition will seinen Namen mit den Einschnitten, die kommen werden, für das griechische Volk verbinden. Die Abgeordneten der Pasok wollen natürlich an der Macht bleiben. Einigen hat vielleicht auch seine Haltung imponiert.

Nun wird von der Opposition der Rücktritt Papandreous gefordert, damit sie sich an der Übergangsregierung beteiligt. Was für eine Heuchelei.

Sehen wir also was weiter passiert.

Es war ein Lehrstück der parlamentarischen Demokratie, nicht der Demokratie.

P.S. Ich gehe davon aus, dass hier keiner der Beteiligten ein wirklich höheres Motiv für sein Handeln hatte. Das ist vielleicht nicht schön, aber vielleicht verständlich.