„Was hast Du eigentlich gegen Freihandel?“ Das fragte mich gestern ein Kollege, als ich über den Protest gegen TTIP sprach.
Das folgende Gespräch brachte mich zu der Erkenntnis, dass wir Erklärungsbedarf haben wenn wir mit „Otto Normalverbraucher“ sprechen. Der Kollege dachte nämlich wirklich, dass es bei der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (englisch Transatlantic Trade and Investment Partnership – TTIP) um Freihandel, im herkömmlichen Sinne des Wegfalls von Einfuhrbestimmungen, Exportbeschränkungen und Strafzöllen zur Förderung der Produktion und des Handels geht. Mit Handel ist in seinem Denken der Austausch von Waren zwischen „Partnern auf Augenhöhe“ gemeint.
Ich habe versucht ihm zu erklären, dass es geht um etwas anderes, um die Durchsetzung von Interessen der multinationalen Konzerne gegenüber Staaten.
Am besten lässt sich TTIP historisch mit den Opiumkriegen des britischen Empires im 19. Jahrhundert vergleichen. Das Kaiserreich China hatte einen enormen Exportüberschuss gegenüber den Briten, den die Ostindische Kompanie mit dem Export von bengalischem Opium nach China ausgleichen wollte. Ob nun die Gründe der kaiserlichen Regierung edel, also die Bekämpfung der Opiumsucht, oder rein ökonomisch waren sei dahin gestellt. Die chinesische Regierung verbot den Import von Opium, das war für die Briten der casus belli für den ersten und den zweiten Opiumkrieg. Diese Darstellung ist nur eine Kurzfassung.
TTIP ist die Fortsetzung einer solchen Politik mit nicht militärischen, sondern juristischen Mitteln.
Was bedeutet TTIP für uns?
Die Freihandelsvereinbarungen bedeuten eine Nivellierung von verschiedenen Standards, wie Qualitäts-Standards, auf das Niveau des Mitgliedsstaates mit den niedrigsten Standards, für den Im- und Export in alle anderen Staaten des Vertrages. Das niedrigst mögliche Qualitäts-Niveau verspricht den maximalen Profit.
Ganz populistisch nahm ich des Deutschen liebstes Getränk – das Bier – als Beispiel. Für den Import nach Deutschland und den Handel in Deutschland würden bei Inkrafttreten von TTIP nicht mehr die deutschen Bestimmungen gelten, sondern die Bestimmungen z.B. der USA. Adieu Reinheitsgebot, Massenimport von Billigbier – selbst die Produktion desselben in Deutschland wäre die Folge. Der Deutsche würde diesen Bierersatz, gemäß dem Aldi-Prinzip, auch kaufen – bis es das „richtige“ Bier nicht mehr gibt.
Wende ich das oben ausgeführte Beispiel auf andere Produkte an, dann wird das Problem noch sichtbarer. Auch wenn wir uns manchmal über den langen Weg eines Medikamentes bis zur Zulassung für den deutschen Markt aufregen – wollen wir eine Beschleunigung auf das Niveau des Staates mit der schnellsten Zulassung? Weniger Tests und somit höhere Risiken bei der Anwendung wären die logische Folge. Allerdings wären diese Medikamente wahrscheinlich billiger.
Für technische Geräte gelten Sicherheitsvorschriften, manchmal betrachten wir diese als kleinlich, aber wollen wir wirklich den geringsten Sicherheitsstandard der in einem Vertragsstaat gilt?
Wenn dann die billigsten Produkte, gefertigt nach dem niedrigst möglichem Qualitäts-Standard die Märkte beherrschen, dann werden die Produktionsbedingungen und auch die Löhne und Gehälter – zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit – angeglichen, selbstverständlich nach unten.
Mein Kollege sage gestern „So schlimm wird das schon nicht.“ – da irrt er aber. Es wird vielleicht noch schlimmer. Die Vertragsstaaten wollen schließlich vereinbaren, dass der Freihandel im o.g. Sinne einklagbar wird.
Die Teilnehmerstaaten müssen dann den geringeren Standard akzeptieren – ob sie wollen oder nicht.
Die einzigen, die von dem Abkommen profitieren sind die multinationalen Konzerne. Sie allein können die Massenartikel zu geringen Preisen in allen Unterzeichner-Staaten des Abkommens auf den Markt bringen. Somit können sie die ihnen genehmen Standard als allgemeinverbindlich durchsetzen. Im Sinne der Profitmaximierung wird es der niedrigst mögliche Standard sein. Diese Konzerne sind auch die einzigen die einen juristischen Kampf gegen die Staaten, die sich verweigern wollen, führen können.
Was es für die Industrie der Unterzeichner-Staaten bedeutet, wenn diese wenigen Konzerne, die Weltproduktion und den Welthandel bestimmen, das wird sich zeigen. Es wird aber für den einzelnen Arbeitnehmer oder für die Bevölkerung des einzelnen Staates wenig Gutes bringen.
Mein Fazit:
TIP bringt uns vielleicht preiswertere Waren in die Geschäfte – wir werden aber einen hohen Preis zahlen.
TTIP führt letztendlich zu einer faktischen Herrschaft der multinationalen Konzerne – wie im 19.Jahrhundert, als die Ostindische Kompanie, mit der britischen Regierung als Erfüllungsgehilfen, die britischen Kolonien beherrschte.
Bildquelle: thx Piraten NDS https://mkr.piraten-nds.de/2014/04/25/rede-zu-beginn-des-ttip-info-tages-in-goettingen/