Ein Plädoyer für nachhaltige Vielfalt,

 könnte ich diesen Artikel, in Anlehnung an die Artikel von Dirk und Wilm nennen. 🙂

Ich gestehe, ich bin noch nicht tief genug in die Interna der Piratenpartei eingedrungen und es ist mir bisher, wegen meiner Unbedeutendheit, gelungen den Shitstorms zu entgehen. Allerdings kenne ich die Diskussions(un)kultur der 140-Zeichen-Schreiber auf Twitter. Das berechtigt mich wohl auch zu einer Stellungnahme zu den vorgenannten Themen.

Dirk hat Recht: In der Vielfalt liegt unsere Stärke und Wilm hat Recht: Es ist uns nicht gelungen mit der Vielfalt umzugehen. Die Beiden widersprechen sich in dem Punkt auch nicht.

Was tun? [Lenin :-)]

„Strich im Sand ziehen“, wie im militärischen Sprachgebrauch üblich, kann nicht die Lösung sein, denn die Vielfalt der Meinungen ist unser Hauptmerkmal. Es gibt wohl keine andere Partei in Deutschland die eine solche Meinungsvielfalt und die öffentliche Kommunikation dieser zulässt.

Meine Bitte in einem der letzten Artikel:

„Schaltet mal Twitter ab, redet miteinander – in ganzen Sätzen und respektvoll.“

richtet sich nicht gegen Twitter als Medium an sich, er richtet sich gegen Twitter als Meinungsmaschine. Eine Diskussion ist im 140-Zeichen-Modus nicht möglich, allenfalls eine Zustimmungs- oder Ablehnungs-Proklamation mit gegenseitigen Beschimpfungen gepaart.

Welche Aussagekraft hat aber Twitter wirklich? Die dort stattfindende Nicht-Diskussion zeigt im besten Falle ein verzerrtes Bild, weil einige Lautsprecher (vulgo Meinungsführer) mit ihrer Anhängerschaft und Gegnerschaft (vulgo Peergroups) gegeneinander antreten. Man sollte also meinen, es ist Entertainment – wenn es nicht so ernste Folgen hätte.

Die Tweets erschaffen etwas Besonderes, nicht Neues in der Propaganda, sie formen den Drall einer Meldung, ähnlich einer Überschrift in der Zeitung. Je nachdem unter welchem Tweet ein Blogartikel, ein Zeitungsartikel oder andere Medien verlinkt sind, die Grundaussage des Tweets bestimmt unter welcher Erwartungshaltung der Leser diesen Artikel liest. Mitunter (vielleicht sogar oft) klickt der Twitterer den Link dann nicht mal an, weil sein Meinungsführer, oder seine Gruppe, sich durch den Tweet schon positioniert hat. Das unterbindet eine Diskussion mit Sachargumenten, weil die Argumente nicht zur Kenntnis genommen werden.

Was kann der/die Einzelne tun um das zu ändern?

Ich bin böse :-), deshalb postuliere ich „Twitter ist die BILD im social media“ – gegen die BILD haben wir ja alle etwas, weil sie durch Überschriften die Meinungen formt und die Denkfaulheit fördert.

Also lest Artikel, beschäftigt euch mit Inhalten und diskutiert darüber.

Es gibt Kommentarfunktionen in Blogs, ihr könnt eigene Artikel schreiben und veröffentlichen und es gibt eine offline Kommunikation, die ist auch nicht an 140 Zeichen gebunden.

Die Gefahr der genannten Medien besteht selbstverständlich in der, zumindest teilweisen, Aufgabe eurer Anonymität – für eine echte Diskussion ist das aber erforderlich.

Damit wäre zumindest der erste Schritt zur Forderung von Dirk:

“Stattdessen müssen wir lernen, uns innerhalb der Partei inhaltlich – das ist das mit den Argumenten – auseinanderzusetzen und rasch zu demokratisch legitimierten Bewertungen zu kommen, die die akzeptierten Grenzen der Vielfalt markieren.”

getan. Der erste Schritt, sich inhaltlich auseinanderzusetzen, ist ein Schritt den nicht eine Partei gehen kann – er ist ein Schritt den jede/r Einzelne gehen muss. Dabei kann uns niemand helfen.

Wenn wir diesen Schritt gegangen sind, dann müssen wir wieder mal über eine SMV reden, für diese muss dann wohl wieder eine Diskussion über Anonymität geführt werden. Aber das hat wohl noch Zeit bis der erste Schritt getan ist.

Am Ende noch der Hinweis auf ein Alleinstellungsmerkmal der Piraten: Jede/r hat eine eigene Meinung und artikuliert diese (Kurzfassung von mir) – warum soll ich das aufgeben um mich einer Gruppenmeinung bedingungslos (ohne Prüfung der Sachargumente) anzuschließen? Eine im demokratisch legitimierten Prozess entstandene Parteientscheidung mitzutragen widerspricht dem nicht, ein Anschluss an einen Meinungsführer ist eine andere Sache.

 

Obi-Wan Kenobi und Peter Tauber

haben wohl einiges gemeinsam. Zumindest wenn man Letzterem glauben mag. Macht nichts, ich glaube ihm einfach mal, dass er diesen Artikel wirklich so meint wie er ihn geschrieben hat. Deshalb schreibe ich diesen Artikel als Antwort an ihn.

Auf die Grundlagen des Dialogs oder besser Diskurses brauche ich nicht einzugehen. Ich stimme Ihnen zu, dass im Internet einiges im Argen liegt. Aber Sie sollten das ja besser kennen als ich. Der Troll ist einfach vergleichbar dem anonymen Zwischenrufer aus der Masse einer Versammlung heraus. Und da kommt der Widerspruch. Der Troll ist keine Gefahr – man kann ihn aber dazu stilisieren. Klar, manchmal trifft der Troll den richtigen Ton und die Masse nimmt ihn auf. Im Internet nennt man das Shitstorm, im realen Leben „shit happens“.

Der Widerspruch zu Meinungsführern und Mainstream ist meiner Meinung nach, sowohl im realen als auch im digitalen Leben, leider nicht ausgeprägt genug. Das sollte aber nicht davon abhalten ihn zu artikulieren. Ehrlich Herr Tauber, wie oft widersprechen Sie öffentlich den Meinungsführern Ihrer Partei? Haben Sie im realen Leben ebensolche Angst wie im digitalen vor einem Shitstorm?

Respekt vor der Meinung eines Anderen und seiner Person zeigt sich durchaus darin wie man mit ihm umgeht aber eben auch, dass man sich mit ihm und seiner Meinung überhaupt auseinandersetzt. Da kommt aber eine Herausforderung auf uns zu. Wenn man wie Sie behaupten (ich bestreite den Fakt nicht), dass Diskussionen im Internet meist destruktiv sind, dann sollte man doch mit der konstruktiven Diskussion beginnen. Nicht nur mit Widerspruch zum Destruktionismus.

Hier kommt nun der eigentliche Grund meines Artikels zum Vorschein. Der Tweet von @buschsalat mag ja zum Nachdenken anregen. Über Diskussionskultur und Nettiquette durchaus. Das ist aber kein Grund auf diesen Zug inhaltlich in Ihrer Form aufzuspringen.

Sie schreiben:

In unserem Alltag wird unsere Freiheit durch Trolle und böse Menschen im Netz weit mehr eingeschränkt, als durch die vermeintlichen Aktivitäten der Geheimdienste.

Das steht ja nun schon entgegen der Aussage in dem von Ihnen zitierten Tweet, dort ist von „gefühlt“ die Rede. Mag sein, dass es in einem öffentlichen Amt so scheint, aber ist es auch so.

Hier mal eine Frage an Sie. Die „vermeintlichen Aktivitäten der Geheimdienste“ stören Sie weniger? Wirklich?

Gehen wir mal davon aus, dass die Geheimdienste Daten über uns alle sammeln. Persönliche Daten aller Art auch die intimsten und privatesten. Diese Geheimdienste mögen Sie vielleicht nicht als Gefahr sehen aber was ist mit den Daten? Die NSA die diese Daten sammelt, nicht allein die NSA aber als Beispiel genügt sie, hat einen Edward Snowden hervorgebracht. Er hat uns nicht nur das Ausmaß der Überwachung aufgezeigt sondern auch wie unsicher die Datensammelei der Geheimdienste ist. Mit entsprechender krimineller Energie ausgestattet wäre er vielleicht zu einem der größten Erpresser der Geschichte geworden. Haben Sie Angst davor?

Oder stellen Sie sich den „Troll und bösen Menschen im Netz“ oder im realen Leben ausgestattet mit einem Zugang auf die gesammelten Daten der Geheimdienste vor. Ein Widerspruch gegen die Meinungsführer in Ihrer Partei, der dieser Troll vielleicht angehört, und es geht Ihnen wie meinem fiktiven Protagonisten.

Es ist ja nicht die Frage ob der Geheimdienst Ihnen oder mir etwas Böses will. Die Datensammelei an und für sich die dieser betreibt ist die Gefahr. So sehe ich das. Und die Datensammelei ist nicht „vermeintlich“, das werden Sie wohl selbst zugeben.

Sollten Sie jetzt allerdings sagen „Ich habe nichts zu verbergen!“, dann sind Sie entweder unehrlich gegen sich selbst, oder Sie sind unendlich langweilig. Das Letztere bezweifle ich aber.

Da Sie gern zitieren, schließe ich also auch mit einem Zitat. Wenn auch von Ovid in anderem Zusammenhang gebraucht erscheint mir „Principiis obsta“ passend zur Datensammelwut der Geheimdienste.

Wehret den Anfängen“

Auch wenn die Anfänge schon Geschichte sind.

P.S. Wenn ich oben schreibe „Im Netz oder im realen Leben“, so ist dies ein Eingehen auf weitverbreitete Meinungen. Für mich ist das Netz ein Teil meines realen Lebens.