Die freiheitliche Zensur

Freiheit-luxemburgIm Internet, besonders in den sozialen Medien, herrscht absolute Meinungsfreiheit – so zumindest der allgemeine Wunsch der Nutzer. Menschen aller Coleur können sich frei äußern und müssen höchstens den Widerspruch der Andersdenkenden ertragen. Es findet keine Zensur statt!

Schön, wenn es so wäre.

Das freie Internet ist tot: Es herrscht eine Gruppenzensur, die letztendlich zur Selbstzensur führt. Wer in den sozialen Medien postet, bloggt oder online kommentiert, muss sich dieser Zensur beugen oder wird mit dem berüchtigten Shitstorm abgestraft. Aber das ist noch nicht alles.

Ein wenig Historie

Ich habe bis zu meinem 32. Lebensjahr in einem Staat gelebt, in dem alle Publikationen zensiert wurden. Das Credo dieser Zensur ist in einem Lied zu finden, welches ich allerdings nicht mehr singen musste. Die Kernpunkte lauteten:

1. Die Partei hat immer Recht!

2. Denn wer kämpft für das Recht, der hat immer recht!

Diese beiden Teile rechtfertigten die Zensur und alle Maßnahmen gegen Andersdenkende. Widerspruch oder gar Widerstand waren gefährlich und führten unter anderem zur sozialen Ausgrenzung. Abgesehen vom berühmten Rosa Luxemburg-Zitat zur Freiheit möchte ich hier Milan Kundera zitieren.

„Jede Unterdrückung von Meinungen, auch die gewaltsame Unterdrückung unrichtiger Meinungen, richtet sich im Endeffekt gegen die Wahrheit, weil die Wahrheit nur durch den Dialog der Anschauungen zu erlangen ist, die gleichberechtigt und frei sind. Jedweder Eingriff in die Freiheit des Gedanken und des Wortes, mag die Technologie und die Bezeichnung einer solchen Zensur noch so diskret sein, ist im zwanzigsten Jahrhundert ein Skandal und für unsere Anlauf nehmende Literatur eine Fessel.“ [1]

So sagte der Schriftsteller 1967 in Prag , auf dem IV. Kongress des Tschechoslowakischen Schriftstellerverbandes. Wenn ich den Literaturbezug vernachlässige, dann ist Kunderas Meinung heute im einundzwanzigsten Jahrhundert so aktuell wie 1967.

Richtige und unrichtige Meinungen

Ob es den Menschen im Internet um Politik, Feminismus, Flüchtlinge, Terror, Veganismus, Religion, Ökologie oder andere Themen geht, es gibt immer mindestens zwei gegensätzliche Meinungen. Nach Kunderas Forderung wäre nun ein Dialog erforderlich um – was eigentlich zu erreichen?

Hier kommt meines Erachtens nach der erste Fehler, das Ziel des Dialogs, zu Tage:

Eine Meinung soll von allen als Wahrheit akzeptiert werden!

Da aber die eigene Meinung richtig ist, kann nur diese die Wahrheit sein. Daraus entsteht aber kein Dialog – es kommt zu Bekehrungsversuchen. Diese Stufe ist erreicht, wenn die eigene Meinung nicht einmal in Teilen zur Disposition steht, wobei diese oft nur ein Repetieren der Aussagen der gruppenspezifischen Meinungsführer ist. Die Form des Wahrheitsanspruchs ist dann ein Dogma, wie wir es aus der Religion kennen. Problematisch bei Dogmen ist, dass sie nicht nur wahr sind – sie sind auch immerwährend gültig. Die für mich beste Erklärung des Dogmas gibt der Mönch Jorge in „Der Name der Rose“.

“Es gibt keinen Fortschritt, es gibt keine epochale Revolution in der Geschichte des Wissens, es gibt nur fortdauernde und erhabene Rekapitulation.“[2]

Dogmen verhindern den Dialog und somit jeglichen Fortschritt.

Gewaltsame Unterdrückung von Meinungen

Gewalt definieren wir ja nicht mehr nur als körperliche Gewalt, sie hat viele Facetten. Der Shitstorm, das Mobbing und die neudeutsche „hatespeech“ haben eines gemeinsam: Sie sind Instrumente der Gewalt zur Diffamierung von Menschen. Ihre Anwendung soll zur sozialen Ausgrenzung führen. Dabei ist es egal, wer sie warum anwendet. Mit diesen Instrumenten wird ein Dialog verhindert und sie sagen mehr über den Anwender als über das Ziel aus. Ob nun körperliche Gewalt die Folge von diesen Instrumenten ist, darüber kann man sich streiten – es ist aber für diese Betrachtung unwichtig. Mir geht es allein um unsere Dialogunfähigkeit.

Freiwillig zensiert

So absurd es auch klingt, der Ruf nach Überwachung und Zensur wird lauter. Menschen, die für Meinungsfreiheit kämpfen und das Internet als den letzten Hort dieser sehen, fordern plötzlich Überwachung und Zensur. Natürlich unter anderem Namen und vielleicht ohne es zu bemerken (ich denke ja immer positiv).

Zur Erklärung sei gesagt, dass gerade betreffs Flüchtlingen und Terror die so genannte „hatespeech“ (deutsch Hassrede) in den sozialen Medien in einem unerträglichen Maß zunimmt. Als Beispiel, ohne Bezug zur Forderung nach Zensur, sei hier die „Hassparade“ von Enno Lenze aufgeführt. Es ist noch nicht einmal das Schlimmste was in den (a)sozialen Medien zu lesen ist.

Da niemandem einfällt, wie diese Unkultur beseitigt werden kann, wendet sich also ein Teil des Social-Media-Kindergartens an Erziehungsberechtigte wie Heiko Maas (Justizminister) und Manuela Schwesig (Familie und Soziales). Diese werden beauftragt, doch mal mit Mark Zuckerberg & Co. gemeinsam das Internet von diesen Auswüchsen zu befreien.

Es gibt jetzt Papiere, z.B. von der Amadeu-Antonio-Stiftung, die Aufmerksamkeit aber auch Ablehnung finden – ein Beispiel ist die Bezeichnung „Social-Media-Stasi“ durch Don Alphonso. Bemerkenswert ist, dass hier letztgenannter als Hüter der Meinungsfreiheit auftritt. Auch daraus entwickelt sich kein Dialog, sondern nur gegenseitige Beschimpfungen am Rande der „hatespeech“ bzw. völlig sinnbefreite Nicht-Diskussionen.

Fazit

Das freie Internet ist tot, es ist wie Nietzsches Gott gestorben – die freiheitsliebenden User haben es mit dem Ruf nach Überwachung und Zensur getötet, weil sie nicht in der Lage waren, miteinander zu reden.

Gott ist tot! Gott bleibt tot! Und wir haben ihn getötet! Wie trösten wir uns, die Mörder aller Mörder?[3]

Obwohl unnötig, eine Anmerkung zum Text. Ich meine: Wenn der Geist der Überwachung und Zensur einmal aus der Flasche ist und die Verantwortung für den Kampf gegen „hatespeech“ in die Hände des Staates gelegt wurde, dann gibt es keine Meinungsfreiheit mehr. Wie bei der Vorratsdatenspeicherung und anderen Instrumenten werden sich diese gegen jeden einsetzen lassen – und sie werden eingesetzt werden.

Bildquelle: https://twitter.com/Linksfraktion/status/554233656316006401

[1] Reden zum IV. Kongress des Tschechoslowakischen Schriftstellerverbandes Prag, Juni 1967; Übers. Franz P. Künzel; Suhrkamp 1968

[2] Umberto Eco; Der Name der Rose; ISBN 3-353-00480-7; Verlag Vollk und Welt 1989; S 571

[3] Friedrich Nietzsche; Die fröhliche Wissenschaft; Aph. 125 – Der tolle Mensch

8. März – Internationaler Frauen(kampf)tag

Der nachfolgende Artikel stammt vom 8. März 2015. Ich habe ihn nicht überarbeitet – leider ist er immer noch aktuell. Trotz allem gendern, dem Frauentag als Feiertag in Berlin und angedachten Frauenquoten ist (fast) alles beim Alten. Ich meine, wir alle (ja auch wir Männer) müssen dafür sorgen, daß Frauen entsprechend ihrer Kompetenz gleichberechtigt in allen Bereichen des öffentlichen Lebens gleich beteiligt sind. Mehr will ich dazu nicht sagen.

Den Frauentag kenne ich natürlich von Kindheit an, ich stamme schließlich aus der DDR. Dort wurde dieser Tag „würdig“ begangen. In den Betrieben gab es Frauentags-Feiern, Frauen wurden ausgezeichnet und prämiert, Betriebs- und Kombinatsdirektoren begaben sich unter das arbeitende Volk und verbrüderten sich mit den Frauen.

Am 9. März war dann alles wieder beim Alten.

Die meisten der Führungskräfte waren ja männlich und die weiblichen Führungskräfte waren meist noch männlicher.

Auch wir Kinder bekamen natürlich unsere Aufgaben zugeteilt. Im Kindergarten und in der Schule wurden wir auf den Tag eingestimmt, mit „Basteln für Mutti“ und ähnlichen Aktionen sollte der Tag ein Höhepunkt im Familienleben werden. Also früh mal für Mutti das Frühstück machen, ihr die Einkaufstaschen abnehmen und besonders lieb sein.

Am 9. März war dann alles wieder beim Alten.

Irgendwie fühle ich mich gerade an diese Zeit erinnert.

Am (fast) Vorabend des 8. März 2015 verabschiedete der Bundestag das Gesetz über die Frauenquote, welches Frauenministerin Manuela Schwesig (SPD) als:

„historischen Schritt“[1]

und Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) als:

„größten Beitrag zur Gleichberechtigung seit Einführung des Frauenwahlrechtes“[1]

bezeichneten.

Die Genossen der SPD feiern sich wieder mal selbst für ihre Leistungen, was ja nicht neu ist. Auch wenn das Gesetz, bei aller Bedeutung, unter den Begriff Symbolpolitik fällt.

Die Frauenquote gilt ja nur für börsennotierte und mitbestimmungspflichtige Unternehmen, also ca. 100 Unternehmen in Deutschland. Auch wenn Frau Schwesig sagt:

„…das Gesetz werde nicht nur Veränderungen in den Führungsetagen bewirken, sondern für alle Frauen, die in den Unternehmen und im öffentlichen Dienst arbeiten.“[1]

bezweifle ich das. Die Aufsichtsräte bestimmen nicht die Tages-, Personal- und Lohnpolitik der Unternehmen.

Wenn das ein „historischer Schritt“, vergleichbar mit der „Einführung des Frauenwahlrechtes“ ist, dann ist wohl das Frauenwahlrecht nicht viel wert, so könnte man die Aussage von Herrn Maas interpretieren.

Es wäre natürlich absurd, wenn behauptet würde, dass Deutschland mit einer Bundeskanzlerin sozialer geworden ist als vorher. Genau so wenig wird es für Frauen in börsennotierten Unternehmen besser wenn 30% der Aufsichtsräte weiblichen Geschlechts sind.

Mich betrifft es natürlich nicht, ich bin ja ein Mann und in der Firma in der ich arbeite werden Männer und Frauen gleich (mäßig) bezahlt.

Ich wollte an der Stelle aber darauf hinweisen, dass der Frauentag als

Internationaler Frauenkampftag

seine Berechtigung nicht verloren hat. So ganz im Sinne von Clara Zetkin und Genossen, das sollte sich die heutige SPD, auch innerparteilich, merken. Zumindest bis zur Bundestagswahl 2017.

Bildquelle: http://www.woschod.de/2014/03/08/internationaler-frauentag-das-ziel-ist-frauenrecht-als-menschenrecht/