Der neue libysche Staat

Am 20. Oktober schrieb ich in Der Tod eines alten Mannes über Libyen in der Nach-Gaddafi-Ära.

Meiner Meinung nach wird es nach den ersten internen Machtkämpfen, die wohl durchaus Elemente von Barbarei enthalten können, zur Konsolidierung einer neuen Regierung kommen. Die Pro und Anti-Gaddafi Fraktionen werden sich versöhnen und man wird der Toten beider Seiten, ich meine hier der Toten durch Luftangriffe der NATO, gedenken. Das Volk wird das Eingreifen der NATO an diesen messen und es nicht als Unterstützung bei der Befreiung von einem Diktator in Erinnerung behalten.

Was lese ich nun heute in Zeit online?

Dschalil rief seine Landsleute zu Einheit, Versöhnung, Geduld und Toleranz auf.

Mustafa Abdul Dschalil ist der Vorsitzende des Übergangsrates, also quasi der Staatschef. Aber es geht noch weiter:

Außerdem versprach er Rechtsstaatlichkeit sowie die Einhaltung von Menschenrechten. Die Basis für das neue Libyen soll die islamische Rechtsprechung sein.

Wir dürfen uns hier nichts vormachen. Es sind die Rechtsstaatlichkeit und die Menschenrechte nach islamischen Recht gemeint, nicht das was wir darunter verstehen. Dazu sei mir gestattet zu sagen: wenn es die Mehrheit des libyschen Volkes für gut hält, dann haben wir daran auch nichts zu kritisieren.

Obwohl, welche Mehrheit? Sind nun Frauen wahlberechtigt? Was ist mit der nicht-muslimischen Bevölkerung? Das bleibt abzuwarten.

Wie erwartet, kündigte Dschalil eine stärkere islamische Orientierung Libyens in der Zukunft an. «Bei uns ist das islamische Recht die Grundlage der Rechtsordnung. Ein Gesetz, das dem islamischen Recht widerspricht, ist null und nichtig.»

In diesem Sinne werde auch das geltende libysche Eherecht abgeschafft, dass die Zahl der Frauen für einen Muslim begrenze. Man werde auch islamische Banken gründen, die keine Zinsen verlangen, versprach Dschalil. Die Armee werde künftig nur noch zur Verteidigung des Landes eingesetzt. Angesichts der Differenzen zwischen Stämmen, politischen Gruppierungen, Milizen und Landesteilen warnte Dschalil vor einer Spaltung des Landes. «Wir sind alle Brüder geworden, was wir lange Zeit nicht waren.»

Also, Versöhnung, islamischer Staat, islamisches Recht und natürlich keine Spaltung des Landes. Das verstärkt meinen oben beschriebenen Eindruck, betreffs der Haltung zur NATO. Um die ehemaligen Gaddafi Anhänger zu integrieren, wird diese nun wohl eher negativ ausfallen.

Übrigens „wie erwartet“ schreibt der Autor. Wenn ich an die Artikel der letzten Wochen denke, dann erwartete man doch wohl eher einen demokratischen und weltoffenen Staat. Eben pro-westlich.

Der Tod eines alten Mannes

Muammar al-Gaddafi ist also tot, in den Social Networks überschlagen sich die User mit ihren Beiträgen, ich habe da schon „endlich ist der Bastard tot“ und ähnliches gelesen. Die Zeitungen sind wahrscheinlich froh, dass sie online präsent sind. Morgen werden wir es auch in den Print-Ausgaben lesen und bei Wikipedia wurde sogar schon der Artikel über ihn geändert.

Ich hoffe nur, dass sich nicht noch der Oberbefehlshaber der NATO-Truppen mit „Mission Accomplishedzu Wort meldet.

Wenn ich einen Blick in die Zukunft wagen darf (ich hoffe wirklich ich irre mich), dann ist die Mission nämlich wirklich nicht erledigt. Erinnern wir uns, diese war die Errichtung einer Flugverbotszone, um den Diktator daran zu hindern sein Volk, sprich die Aufständischen zu bombardieren.

Diktator? Ich erinnere mich an Zeiten, nicht etwa längst vergangene, da war dieser Diktator ein gern gesehener Gast in Europa. Die Titanic stellte natürlich heute auch gleich Bilder dazu ins Netz. Er war nämlich vom Terroristen zum fast schon Freund mutiert.

Das blieb nun auch so, bis sich sein Volk erhob, zumindest Teile des Volkes. Man muss ja ehrlich sein, auch die Rebellen hatten und haben keine ungeteilte Zustimmung im Volk.

Der Westen stand nun vor einem Dilemma, Gaddafi war weiterhin nicht allzu beliebt, man denke an die Drohungen gegen die Schweiz. Also wurde zum Schutz der Aufständischen eingegriffen. Die Hoffnung und Erwartung dabei war und ist, dass es dem Westen nach dem Wechsel des Regimes gedankt würde.

Da habe ich aber so meine Zweifel.

Meiner Meinung nach wird es nach den ersten internen Machtkämpfen, die wohl durchaus Elemente von Barbarei enthalten können, zur Konsolidierung einer neuen Regierung kommen. Die Pro und Anti-Gaddafi Fraktionen werden sich versöhnen und man wird der Toten beider Seiten, ich meine hier der Toten durch Luftangriffe der NATO, gedenken. Das Volk wird das Eingreifen der NATO an diesen messen und es nicht als Unterstützung bei der Befreiung von einem Diktator in Erinnerung behalten.

Welche Konsequenzen das hat, das bleibt abzuwarten.

Aber welche Bedeutung hat nun der Tod Gaddafis? Ich habe bewusst geschrieben Der Tod eines alten Mannes, weil die Person oder das Symbol zwar tot ist, ob das Regime tot ist werden die nächsten Tage zeigen.

P.S. Ich hoffe wirklich, dass ich mich mit meiner Einschätzung irre.