„Leitkultur“: Alle Jahre wieder

Einleitend sei gesagt, dass der Autor beim Erstellen des Artikels zwischen Ernsthaftigkeit, Ironie, Zynismus und Belustigung schwankte. Ich bitte um Beachtung. Friedrich Merz, der CDU-Parteichef, bringt es auf den Punkt. Er sagte zur Funke-Mediengruppe: „Wenn wir von Leitkultur sprechen, von unserer Art zu leben, dann gehört für mich dazu, vor Weihnachten einen Weihnachtsbaum zu kaufen“. So einfach kann diese Leitkultur für einfache Gemüter sein.

Den kompletten Artikel könnt ihr, wie immer kostenlos, in der Leipziger Zeitung lesen.

Genug gelacht über die AfD

und über die Äußerungen von Frau Petry und Frau von Storch zum Schusswaffengebrauch an den deutschen Grenzen!

Ich habe ehrlich gesagt Angst, dass sich die Entwicklung des Themas fortsetzt und sich die verwendete Kampfrhetorik in den Köpfen der Menschen festsetzt.

Was ist passiert?

Frau Petry, Vorsitzende der AfD, forderte die Sicherung der Grenzen – notfalls mit Waffengewalt

„Kein Polizist will auf einen Flüchtling schießen. Ich will das auch nicht. Aber zur Ultima Ratio gehört der Einsatz von Waffengewalt“

und Frau von Storch legte bei Twitter nach.

vonstorch

Wichtiger erscheint mir aber die folgende Äußerung von Frau von Storch:

„Wer das HALT an unserer Grenze nicht akzeptiert, der ist ein Angreifer. Und gegen Angriffe müssen wir uns verteidigen. Die Menschen sind in Österreich in Sicherheit. Es gibt keinen Grund, mit Gewalt unsere Grenze zu überqueren.“

Hier beginnt die Kampfrhetorik. Flüchtlinge sind Angreifer, wahrscheinlich werden sie bald als Aggressoren die mit Gewalt über die Grenze kommen bezeichnet, gegen die wir uns verteidigen müssen. Es wird, rein rhetorisch, ein Krieg gegen einen Aggressor herauf beschworen verbunden mit der Pflicht des Deutschen die Heimat zu schützen. Natürlich muss der Deutsche auch die deutschen Frauen schützen, wenn man die Rhetorik nach dem Geschehen in Köln betrachtet.

tauber-StorchDarüber kann ich mich nicht mehr lustig machen, es reicht auch nicht den Unsinn ad absurdum zu führen wie Peter Tauber bei Twitter, obwohl ich das Bild durchaus lustig finde. Mit einer Ausnahme, die Leitkultur beinhaltet nicht das Märchen vom Storch. Aber über die Leitkultur können wir nochmal reden.

Wir müssen gegen diese Verschärfung der Rhetorik vorgehen und uns nicht darauf einlassen. Wie bereits mehrfach gesagt, mit der AfD als Partei müssen wir nicht reden.

Redet darüber mit der Familie, mit Freunden, Bekannten und ArbeitskollegInnen. Auch wenn ihr die eine oder andere Familienfeier versaut.

Dort findet ihr die Menschen die auf diese Rhetorik hereinfallen können.

Dort könnt ihr etwas erreichen.

30. Januar – demokratisch zur Diktatur?

Ich will mich hier bewusst nicht in die Reihen der ‚Alles Nazi‘-Rufer einreihen, aber trotz alledem möchte ich daran erinnern, dass der 30. Januar der Jahrestag der Machtergreifung durch die NSDAP ist.

Warum erscheint mir das im Zusammenhang mit der heutigen Legida-Demonstration wichtig zu sein?

Auf dem Podest der Legida stehen wieder „charismatische (An)Führer“, die des Volkes Meinung beschwören und eine Massenbewegung organisieren wollen. Diese Massenbewegung richtet sich wahlweise gegen „politically correctness“, Gender Mainstreaming, Gutmenschen, Altersarmut, System- oder Lügenpresse, gegen die Parteien und Politiker, die das Recht einseitig auslegen usw, erst ganz am Ende gegen die Islamisierung Deutschlands. Jeder kann etwas Zutreffendes für sich finden.

Viele der Sympathisanten mögen sich aus dem einen oder anderen nachvollziehbaren Grund der Demonstration anschließen, aber wollen die alle wirklich das Gesamtpaket und wie stehen sie zu den Menschen auf der Tribüne?

Wenn ich oben von „charismatischen (An)Führern“ sprach, so meine ich diejenigen, die die für fast alle Menschen auf beiden Seiten des politischen Spektrums annehmbaren Punkte aus dem Programm der Legida rhetorisch gut vortragen.

Aber was würde geschehen, wenn diese Charismatiker an die Macht kämen?

Redner die sich gern als „Einer aus dem Volk“ darstellen, sollte man nach den vorher gemachten Aussagen und nach ihren Taten bewerten. Bei einigen der Legida-Redner kann man dabei auf Sympathie für diktatorische Systeme, erzkonservative Aussagen zur Familienpolitik, ein überholtes Bild der Geschlechterrollen, Homophobie, Nationalismus, Rassismus und ähnliches stoßen. Bei anderen bestand die Deutsche Leitkultur bis zum Legida-Start aus ihrem fanatisch vertretenen Fußballverein. Was ist also von ihnen zu erwarten, wenn sie an die Macht kommen?

Hier ziehe ich den Vergleich zum 30. Januar 1933.

Im Vorfeld der Machtergreifung wurde die NSDAP demokratisch gewählt. Die vorherigen Aussagen und Schriften ihrer Anführer hätten darauf hinweisen können, dass sie keine demokratische Gesellschaft wollten.

Damals war der Zugriff auf die älteren Meinungsäußerungen der (An)Führer technisch schwer möglich. Diese Ausrede gibt es heute nicht, wer sich informieren will kann es auch tun. Wer es nicht tut, der demonstriert sehenden Auges gegen die Demokratie.

Wenn solch charismatische (An)Führer an die Macht kommen, dann endet die freie Meinungsäußerung des Volkes – obwohl sie diese vorher propagieren.

Die Parallele bietet sich geradezu an.

Erst eine Massenbewegung gegen wirkliche und/oder konstruierte Missstände und ihre wahren und/oder konstruierten Ursachen in Gang bringen, dann mittels demokratischer Wahlen die Regierung übernehmen.Bevor sich die Enttäuschung des Volkes über die gebrochenen Versprechen demokratisch äußern kann, wird dieses Volk per „Ermächtigung“ zum Schweigen gebracht.

Unsere jetzige parlamentarische Demokratie mag nicht perfekt sein – sie ist aber besser als eine demokratisch errungene Diktatur.

Deshalb:

Wichtiger als das wogegen Du zu einer Demo gehst ist es, wem Du hinterherläufst.

P.S. Es könnten viele Beispiele genannt werden. Ich betone an dieser Stelle, dass der Text auf charismatische (An)Führer aller Ideologien anwendbar sind. Bezüge zu den Montagsdemonstrationen von 1989 verbieten sich geradezu, es gab keine vergleichbaren Anführer – nur eine allgemeine Ablehnung des Systems.