Gegen Autofahrer oder für Bürger?

Was für ein Tag dieser 13. Januar 2014, also der gestrige an dem ich an diesem Artikel „arbeitete“. Sascha Lobo erklärte als Spezialist das Internet kaputt,  Christopher Lauer die Piratenpartei zur Mitmach-Airline, meine piratigen Freunde sich auf Twitter gegenseitig als abartig (die Auswürfe erspare ich mir) und ich beschäftige mich mit den „geringeren Dingen“ wie dem öffentlichen Personen-Nahverkehr (ÖPNV) in Leipzig.

Hintergrund ist natürlich die Kommunalwahl am 25. Mai dieses Jahres an der wir Piraten erstmalig teilnehmen. Da wird der Stadtrat gewählt und man sollte vielleicht ein paar Weichen stellen, woraus meine erneute Beschäftigung mit der LVB resultiert. Die „Niederungen der Tagespolitik“ sind mir somit wichtiger als die großen Entwürfe. Auf geht’s.

So wie in der Überschrift beschrieben könnte man die Differenzen zwischen den Grünen und mir beschreiben wenn es um den ÖPNV geht. In Einem sind wir uns aber wohl einig. Es müssen neue und bessere Angebote für diesen geschaffen werden. Diese Angebote werden, wenn es sie denn gibt, zu weniger Autos auf den Straßen führen. Mein Ausgangspunkt dabei ist weniger die Umwelt als die „Bürgerfreundlichkeit“. Der „böse Autofahrer“ ist auch ein Bürger, man darf also nicht gegen ihn – man muss mit ihm gemeinsam kämpfen.

Ich beginne einfach mit einigen Vorschlägen, natürlich für meine Heimatstadt Leipzig. Also eine Frage zur derzeitigen Situation. Antworten habe ich nicht, nur Meinungen.

Warum fahren einige Leute Auto, obwohl sie es sich erstens eigentlich nicht leisten können und sie es zweitens eigentlich nicht wollen?

Da kommen Grundprobleme des Leipziger ÖPNV (nachfolgend LVB genannt) ins Spiel. Als Erstes die Fahrpläne. Diese beruhen auf einer Teilung der Woche in Werktage, Samstage, Sonn und Feiertage. Innerhalb der Werktage gibt es dann noch die Stoßzeiten, die Abend- und  Nachtstunden. Samstage, Sonn- und Feiertage sind ebenfalls in Stoßzeiten und andere Zeiten unterteilt. Diese Unterteilung, in der derzeitigen Form, mag noch in den 90er Jahren ihre Berechtigung gehabt haben – aber heute? Eine wachsende Anzahl von Bürgern arbeitet auch in den späten Abendstunden, bis in die Nacht hinein und an Samstagen und Sonntagen. Die Auswirkungen der Fahrpläne für diese beschreibe ich jetzt nicht, habe ich schon getan. Diese Bürger gehören aber zum großen Teil zu der Gruppe die in der einführenden Frage mit „erstens“ beschrieben wurde. Beispiele sind Reinigungskräfte, Verkaufspersonal, Security, Pflegepersonal, Callcentermitarbeiter, Angestellte in der Gastronomie und Hotellerie usw. Ich kann hier nicht alle aufzählen. Sie haben eines gemeinsam – die meisten bekommen ein eher geringes Gehalt.

Ein kleiner Seitenhieb, den ich mir nicht verkneifen kann, an die Adresse der Grünen. Nein, das Fahrrad ist nicht für alle eine Alternative. Es sind Ältere und Behinderte darunter, aber auch die anderen können nicht unbedingt mit dem Fahrhrad zur Arbeit fahren. Nicht nur lange Arbeitswege sind ein Hindernis, auch die Ausstattung in den Firmen. Ich habe zwar einen Fahrradstellplatz in der Firma aber nur einen Kleiderhaken und ein Schließfach in der Größe einer Aktentasche. Umziehen bei schlechtem Wetter oder Wechselkleidung entfällt. Deshalb fahre ich nur bei schönem Wetter mit dem Rad.

Wir brauchen meiner Meinung nach einen anderen Nacht- Samstags- und Sonntagsfahrplan. Bis zu 45 Minuten Wartezeit auf den Nachtbus (nur ein Beispiel) mögen diesen für den Partygänger noch attraktiv erscheinen lassen. Jemanden der seine Schicht beeendet hat hält es von der Fahrt mit der LVB ab. Es sei denn man hat keine Alternative.

Ich höre schon die Stimmen die da sagen „Aber die Kosten“. Ehrlich gesagt sind diese mir zwar nicht egal aber sie sind zweitrangig. Die Bahnen sind da, der Strom ist in der Leitung, bleibt also das Fahrpersonal und die Wartungskosten. Da sollte doch etwas möglich sein.

Ein Hinweis noch sei mir zum Thema Fahrpläne gestattet. Es gibt kein Gesetz welches eine Nacht-Linie auf die Streckenführung einer Tag-Linie zwingt. Es gibt aber Weichen im Schienennetz. Vorstellbar wäre also durchaus eine intelligente Nacht-Streckenführung, die abweichend vom Tagverkehr mit dem Drehpunkt Innenstadtring geführt wird.

Wie schon gesagt, im Schienennetz gibt es Weichen – die muss man vielleicht mal neu stellen um den Bürger zum ÖPNV zu bringen.

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P.S. Demnächst einige Überlegungen zu den Linienplänen,Fahrpreisen und zur Frage „Wollen wir Straßenbahn fahren oder in einem Verkehrsmittel mit preisgekröntem Design und Fernsehern?“

Lieber Weihnachtsmann,

ich weiß es ist schon zu spät aber vielleicht erfüllst Du mir ja auch einen Wunsch.Der ist nicht groß, Du musst nicht viel machen.

Weck doch mal unsere Stadtoberen und die Chefs der LVB auf!

Falls Du Dich fragst was ich meine, es ist ganz banal.

Deren Kalender steht wahrscheinlich, wie ich schon mal vermutet habe, noch irgendwo zwischen 1920 und 1960. Da war die Welt noch in Ordnung (zumindest meist). Die Leute mussten früh zur Arbeit, durften an Werktagen bis 18.00 Uhr und Samstags bis 12.00 Uhr einkaufen,  am Sonntag waren sie zu Hause.

Somit gab es einen Werktags-, einen Samstags- und einen Sonntagsfahrplan der LVB. Nachts brauchte man keine Straßenbahnen und Busse, Sonn- und feiertags auch nicht. Höchstens zum sonntäglichen Kirchgang.

Wir haben aber bald 2014.

Ein großer Teil der Geschäfte hat an Werktagen bis 22.00 Uhr und Samstag bis 20.00 Uhr geöffnet. Denkt mal nicht nur an die Leute die einkaufen wollen – denkt mal an die VerkäuferInnen. Die müssen früh zur Arbeit und wollen Abends auch zurück. Auch die Angestellten in der Gastronomie, in anderen Dienstleistungsberufen und ich auch. Übrigens, liebe LVB und lieber OBM, ich arbeite in einem Callcenter. Vielleicht freut ihr euch ja wenn ich euch um 23.30 Uhr noch die Internetleitung synchronisiere aber dass ich nach 00.00 Uhr rennen muss um die 00.11 Uhr Bahn zu erreichen – das bedenkt ihr wohl nicht. Wenn ich die verpasse – dann habe ich viel Zeit, exakt 45 Minuten.

Ich bin da nicht der einzige, das merke ich an meiner Haltestelle.

Nun habt ihr ein Jahrhundertprojekt, den Leipziger City Tunnel, fertiggestellt und in Betrieb genommen. Jetzt habt ihr also auch mal Zeit euch um die kleinen Bedürfnisse zu kümmern.

Ehrlich, ich brauche nicht unbedingt eine Luxus-Straßenbahn. Es würde mir reichen wenn ein einzelner Wagen von 1930 oder 1960 um 00.30 Uhr fahren würde. Für die Leute die bis 02.00 Uhr arbeiten wäre der einzelne Wagen vielleicht auch ausreichend. Aber die können sich ja selbst melden.

Also wacht mal auf und sucht euch mal ein paar Verkehrsplaner. Bevorzugt solche die ein Familienmitglied haben welches auch nachts, an Sonn- und Feiertagen arbeiten muss.

Ich möchte kein Auto mit personengebundenem Parkplatz, lieber Weihnachtsmann.

Nur weck die mal auf und gib ihnen einen aktuellen Kalender.

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Ansonsten wünsche ich Dir, lieber Weihnachtsmann, ein frohes Fest. Ich hoffe Du musst nach der Bescherung nicht mit dem ÖPNV nach Hause fahren.

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P.S. Die Grünen-Fraktion im Stadtrat ist ausdrücklich mit gemeint. Nicht nur gegen Autofahrer kämpfen.

Der 9. Oktober 1989

und seine Darstellung zum heutigen Lichtfest in Leipzig sind zwei Seiten einer Medaille. Am heutigen Tag wird in Leipzig die friedliche Revolution von 1989 gefeiert und es wird wieder mal auf die Botschaftsflüchtlinge in Prag und die Rolle der damaligen tschechoslowakischen Regierung hingewiesen. Das ist auch richtig und wichtig trifft aber den 9. Oktober 1989 nur am Rande.

An diesem Tag gingen nämlich die Initiatoren und Teilnehmer der Montagsdemonstrationen zwar unter Anderem für die Reisefreiheit der DDR-Bürger auf die Straße, aber die meisten wollten eben nicht die DDR verlassen.

Neben Wir sind das Volk! wurde die trotzige Botschaft an die DDR-Regierung und die Schutz- und Sicherheitsorgane Wir bleiben hier! gerufen. Auch weil diese die Demonstranten mit Ausreisewilligen in einen Topf steckten.

Eine Öffnung der Grenzen für den Reiseverkehr war natürlich erwünscht, aber nicht das erste Ziel.

Freiheit der Rede, Pluralismus und das Ende der totalen, anlasslosen Überwachung durch die o.g. Organe waren wichtiger.

Der Staat und natürlich die führende Partei misstrauten ihren Bürgern. Ohne Ausnahme und ohne konkreten Anlass. Sie misstrauten der Arbeiter- und Bauernklasse, die sie eigentlich repräsentieren sollten.

Von vielen wurden die Flüchtlinge geradezu als nebensächlich für das Erreichen der Ziele betrachtet.

Einen Joachim Gauck oder eine Angela Merkel kannte kein Mensch. Wir hatten kaum personalisierte Helden.

Als der Abend vorbei war und keine Schüsse gefallen waren, fragte mich ein junger Wachtmeister der Bereitschaftspolizei „Haben wir jetzt verloren Genosse?“

Er fragte den Falschen, spätestens seit dem 11.09.1989* (meinem persönlichen nine/eleven) war ich für diese Frage der falsche Ansprechpartner.

Ich antwortete damals ziemlich harsch mit der Gegenfrage ob er lieber auf seine Mitbürger geschossen hätte.

Heute kann ich nur sagen „Ja Genosse Wachtmeister, wir haben verloren.“ Zumindest in einem Punkt.

Wir kämpfen weiter (oder wieder) gegen die totale und anlasslose Überwachung durch „Schutz- und Sicherheitsorgane“. Pluralismus ist auch nicht mehr gefragt und bis die Redefreiheit eingeschränkt wird bedarf es nur noch einiger Schritte.

Der Staat und natürlich die Regierung misstrauen ihren Bürgern. Ohne Ausnahme und ohne konkreten Anlass. Dem Bürger, den sie repräsentieren (sollten).

Aber reisen dürfen wir in die ganze Welt.

Wem das genügt …

* Am 11.09.1989 gab ich ein Schreiben (keinen Ausreiseantrag) ab welches weitreichende Konsequenzen für mein Leben in der DDR hatte. Ich erläutere das hier nicht näher. Ich war kein Held – ich hatte nur genug davon.