Wenn der Wolf(f) den Schafspelz anlegt,

und verkleidet als das friedliche Lamm der Pastorale* seinen rhetorischen Fähigkeiten in der L-IZ freien Lauf lässt, dann wird es interessant. Hinter der pastoralen Friedfertigkeit zeigt er die kämpferische Seite des Kirchenoberen.

Diese Fähigkeiten sind bei dem Hirten (Pastor) im Ruhestand, Christian Wolff, durchaus hoch entwickelt und sturmerprobt. Deshalb ging er jetzt als Befürworter des 1.000.000 Euro Zuschusses für den Katholikentag 2016 ins Rennen, nachdem Bettina Kudla im ersten Anlauf mit ihrer Argumentation Schiffbruch erlitten hatte.

Wolffs Argumente sind gleich – aber besser verpackt:

„…eine tolle Werbung für Leipzig!“ **

In erster Linie ist der Katholikentag eine tolle Werbung für die katholische Kirche und die christlichen Kirchen überhaupt in Deutschland.

Welche Bedeutung hatte und hat die katholische Kirche für die Leipziger und welche Rolle spielte sie bei den wichtigen gesellschaftlichen Veränderungen? Kann es sein, dass aus dieser Rolle eine Bringschuld der Stadt Leipzig und ihrer Einwohner entsteht? Erinnern wir uns an das bedeutendste gesellschaftspolitische Ereignis der jüngeren Vergangenheit, den Wende-Herbst 1989 und die Rolle der katholischen Kirche bei diesem Ereignis. Von der katholischen wie auch von der protestantischen Amtskirche war nichts zu bemerken. Erst nach der Wende wurde das Engagement von christlichen Personen zum amtskirchlichen Engagement umgedeutet.

Christian Wolff ist kein Katholik. Er war zur Wendezeit nicht in Leipzig und hatte 1991, zum Zeitpunkt seines Amtsantritts, keine Ahnung von dieser Stadt. Einige Menschen behaupten, dass sich das auch nie geändert hat – ich erinnere an den Streit um die Classic-Open.

Zurück zum Katholikentag. Christian Wolff stellt das Problem so dar: Die Leipziger sind knausrig mit ihrem Geld, nehmen aber gern die kirchlichen Leistungen wie Krankenhäuser, Schulen und Kindereinrichtungen in Anspruch. Dabei vergisst er zu erwähnen, dass diese Einrichtungen nicht allein, nicht einmal zum größten Teil von den Kirchen, sondern nach dem Subsidiaritätsprinzip hauptsächlich von nichtkirchlichen Trägern finanziert werden. Wenn ich, wie mehrfach geschehen, im Leipziger St. Elisabeth Krankenhaus behandelt werde, dann bezahlt meine Krankenkasse diese Behandlung, nicht die katholische Kirche.

Der Pfarrer i. R. schreibt weiter:

„Leipzig erfährt eine bundesweite Publicity frei Haus, für die eine Stadt sonst eine Millionen schwere Werbekampagne starten müsste“ **

Daraus könnte man schließen, dass die 1.000.000 € für eine Werbekampagne bestimmt sind, die Katholiken animieren soll, nach Leipzig zu kommen. Die Werbung zielt nicht auf alle Menschen als Empfänger einer Werbebotschaft – sie zielt nur auf Menschen katholischen Glaubens.

In Bezug auf den Stadtrat finde ich folgende Formulierung interessant:

„Hier mal schnell eine private, kirchlich geprägte Grundschule benachteiligen, dort den Katholikentag finanziell ausbremsen – unabhängig davon, was einmal vereinbart wurde. Vertrauensbruch als Kollateralschaden.“ **

Hat Christian Wolff sich hier vertan, oder gab es eine heimliche Zusage für die Finanzierung des Katholikentags? Das wäre eine Anfrage an Herrn Wolff und den Leipziger Stadtrat wert.

Ich könnte noch viel zu diesem Artikel schreiben, halte das aber nicht für nötig. Die Ausführungen von Christian Wolff lassen erkennen, dass sich die Ökumene zumindest im Kampf um den Einfluss der christlichen Kirchen in Deutschland einig ist.

In einem stimme ich Pfarrer Wolff zu:

„Denn gute Gastgeber wollen das Denken und den Glauben der Menschen nicht vorher prüfen und bewerten, sondern alles dazu beitragen, dass sich Gäste wohlfühlen.“ **

Die katholischen Menschen sind in Leipzig ohne wenn und aber willkommen – ohne Gesinnungsprüfung, aber auch ohne Zuschuss. Wenn Gastfreundschaft von einer Finanzierung abhängig gemacht wird, dann haben Herr Wolff und ich verschiedene Auffassungen von Gastfreundschaft.

Auf die Kirchen verlassen sollten wir uns lieber nicht. Auf unsere christlichen Mitmenschen können wir uns verlassen – wie auf alle anderen Mitmenschen, Herr Wolff. Das folgende Zitat ist eben doch nur hohle Rhetorik:

„Dabei wissen alle ganz genau, auf wen sich die Stadt im Zweifelsfall verlassen kann: auf die Christen und die Kirchen.“ **

* Hier ist die Darstellung von Jesus als „Lamm Gottes“ in der Form des „Schäferidylls“ (Pastorale) gemeint. Beispiel „Der gute Hirte“ von Bartolomé Estéban Murillo, Wiener Hofmuseum

**Ein Gastkommentar von Pfarrer i.R. Christian Wolff: Um Gottes Willen – 1 Million für Katholikentag, L-IZ 19.07.2014