Kobane – Jeden Morgen,

wenn ich den Computer oder das Radio einschalte, stelle ich mir die Frage „Wird in Kobane noch gekämpft?“

Ich betrachte den Kampf um Kobane nicht in erster Linie als Symbol des Kampfes gegen den IS, er ist eher der Kampf der Kurden gegen ihre Vernichtung. Sinnbildlich könnte man von einem kurdischen Masada sprechen.

Selbstverständlich geht es auch um den IS, die Organisation Islamischer Staat (früher ISIS, mit dem Zusatz ‚im Irak und Syrien‘), das ist aber für mich nicht die Hauptsache wenn es um Kobane geht.

Wie wäre es sonst zu erklären, dass die hochgerüsteten Länder Irak, Iran, Syrien und Türkei keine ernsthaften Anstrengungen unternehmen Kobane zu befreien.

Es gibt natürlich noch andere Länder in der Region die starke Armeen haben, aber die genannten vier Länder sind die mit kurdischem Bevölkerungsanteil.

Die Kurden wollen einen eigenen Staat – ein freies Kurdistan – und das schon länger, ungefähr seit dem 17. Jahrhundert, seit der ersten Teilung.

Über Berechtigung, Auswüchse und Organisationsformen des Kampfes der Kurden will ich hier nicht räsonieren, es geht mir um die „Weltgemeinschaft“.

Es liegt nicht im Interesse der vier Staaten, dass ein Staat Kurdistan entsteht. Nur als Anmerkung, die Türkei hätte einen Verlust von etwa 25% ihres Territoriums.

Die NATO steht, auf Grund der Mitgliedschaft der Türkei, auf unsicherem Grund. Auch wenn einige Staaten den Kurden helfen wollten – das Bündnis will es nicht.

Die UN hat ein anderes Problem. IS, auch wenn das Islamischer Staat heißt, ist kein Staat und der Kampf in Syrien ist ein Bürgerkrieg. Ob nun Assad seine Bürger abschlachtet oder der IS, das läuft unter innere Angelegenheiten Syriens.

So entsteht die heutige absurde Situation, besonders im stets Bedenken äußernden Deutschland, dass man die Kurden unterstützen will, aber nicht wirklich kann.

Die Peschmerga unterstützen ja, die PKK nein – wie unterscheidet man die beiden nur?

Wenn die Kurden den IS aufhalten, haben sie dann Anrecht auf einen eigenen Staat?

Fallen wir damit der Türkei, als Bündnispartner, in den Rücken?

Also diskutieren wir, besser gesagt wir halten uns raus.

Es kommen dann so wichtige Beiträge zustande, wie die von Christine Buchholz und Gregor Gysi, die das Problem schildern, die die Geschichte des Problems darstellen aber die folgenlos bleiben müssen.

Gerade Gregor Gysi weiß das, er hat das ja schon beschrieben, wenn auch in einem anderen Zusammenhang:

Ich erkläre Ihnen mal, wie man Sektierer wird. Man ist 19 Jahre alt, man will die Welt umkrempeln. Also sucht man Gleichgesinnte. Man hockt zusammen, schlechtester Rotwein, alles vollgequalmt, ein bisschen Petting, am Ende verabschiedet man ein Papier von 35 Seiten, in dem die Welt analysiert ist, aber haarscharf. Vom amerikanischen Präsidenten bleibt da nichts übrig. Das Problem ist nur: Der liest es nicht. Der SPIEGEL druckt es auch nicht. Wenn man Pech hat, interessiert sich nicht einmal der Verfassungsschutz für einen.

Und ehrlich, den IS werden die Positionspapiere der Partei „Die Linke“ auch nicht interessieren. Der Rotwein ist wahrscheinlich besser geworden, geraucht wird nicht mehr, Petting ist möglicherweise out und die Leitmedien drucken es, das sind die Unterschiede.

Abgesehen davon hat die ganze pazifistische Ansicht noch einen anderen Haken. „Reden statt schießen“, das befürworte ich durchaus. Aber mit wem sollen die Staaten reden? Wenn sie mit dem IS reden, dann gestehen sie ihm den Rang eines Staates zu. Im Interesse des IS wäre das durchaus, aber was ist mit den Staaten auf deren Territorium der IS kämpft? Hier entsteht das gleiche Problem, welches ich oben mit den Kurden geschildert habe.

Kann man den IS schlagen?

Man muss es wollen. Militärisch ist der IS zu schlagen, durch die Armeen der arabischen Staaten oder durch eine, mit der Landung in der Normandie vergleichbaren, Aktion der Weltgemeinschaft.

Ich befürchte nur, für die Kurden ist es zu spät, wenn sich die Staaten der Weltgemeinschaft geeinigt haben.

P.S. Wie immer erhebe ich keinen Anspruch auf Vollständigkeit meiner Betrachtung. Und, ja ich weiß, das Zitat von Gregor Gysi trifft wohl auch auf diesen Artikel zu.

Eine unwahrscheinliche Allianz

formiert sich in Nahost. Der große Satan* USA und der Gottesstaat Iran werden eventuell gemeinsam oder zumindest zeitgleich gegen die sunnitischen „Gotteskrieger“ der ISIS kämpfen.

Es scheint, als erfülle sich eine Vermutung, die ich schon länger habe. Mit dem Sturz Sadam Husseins und seiner Baath-Partei durch die USA veränderte sich das Machtgefüge in der Region entscheidend. Mag jeder über die Diktatur der Baath Partei denken, was er will (Ich bin der festen Meinung, dass es ein verbrecherisches Regime war!), aber es darf nicht vergessen werden, dass diese sunnitische Partei ein Volk regierte, welches zu mehr als 60% aus Schiiten besteht. Die schiitische Bevölkerungsmehrheit und die kurdische Minderheit wurden von der regierenden Baath-Partei unterdrückt, wobei die Schiiten schon immer, zumindest moralisch, vom schiitischen Iran unterstützt wurden. Wir Europäer und die US-Amerikaner verkennen oft, dass der Islam, in diesem Falle in der schiitischen Ausprägung, als einigendes Element für seine Gläubigen über den ethnischen Differenzen zwischen Persern und Arabern steht.

George Bush sen. und seine Regierung führten deshalb den ersten Golfkrieg mit dem begrenzten Ziel**, den Irak aus Kuweit zu vertreiben und ihn zu schwächen. Es ging ihnen nicht darum die Baath-Regierung zu stürzen.

Der größenwahnsinnige Junior hingegen war der Meinung, dass er mit der Vertreibung der Baath -Partei aus der Regierung einen pro-amerikanischen Staat aufbauen könne.

Der heutige US-Präsident Barack Obama steht nun vor einem Dilemma. Da die USA, trotz aller Absichtserklärungen und gegenteiligen Beteuerungen, den Irak in einem chaotischen Zustand zurück gelassen haben, kann er den Vormarsch der sunnitischen ISIS Krieger nicht hinnehmen. Als geringeres Übel werden die USA vermutlich die Einmischung des Iran betrachten, der seine Glaubensbrüder schützen wird. Dabei dürfte ausschlaggebend sein, dass der derzeitige iranische Präsident Rohani gegenüber seinem Vorgänger als moderat erscheint.

Wie die Auswirkungen für den Irak sein werden, ist noch nicht absehbar. Allerdings ist es denkbar, dass die Regierungsallianz aus Präsident Talabani (Kurde) und seinen Vize-Präsidenten al-Haschemi (Schiit) und al-Khozaei (Sunnit) durch einen mit Hilfe des Iran errungenen Sieg über die ISIS-Truppen zerbricht. Sieger, wenn man von einem solchen sprechen kann, wäre dann wohl der schiitische Flügel.

Die von Bush sen. befürchtete Allianz von Iran und Irak unter Führung des Iran könnte bevorstehen.

Über die Auswirkungen auf die Region brauchen wir uns keine Illusionen zu machen.

Unser Bundespräsident sollte dies als warnendes Beispiel für sein „Ja zu einer aktiven Teilnahme an Konfliktlösungen im größeren Rahmen“ nehmen.

Militärisch gelöste Konflikte haben die Tendenz, nie aufzuhören.

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* „Großer Satan“ ist eine auf Chomeini zurückgehende Bezeichnung für die USA.

** „begrenztes Ziel“ oder begrenzte Militäraktion steht im militärischen Sprachgebrauch für einen Militäreinsatz der nicht zur Zerschlagung des Gegners führen soll.