Zivilfahnder oder Agent Provocateur

Es sei mir verziehen, dass ich bei diesem Thema etwas dünnhäutig reagiere, das liegt an meiner Teilnahme an Montagsdemonstrationen 1989 in Leipzig. Daß die Stasi Mitarbeiter (nach heutigem Sprachgebrauch Zivilfahnder) in die Demo einschleust, die dann als Agent Provocateur gewalttätig werden und den „Schutz- und Sicherheitsorganen des Arbeiter- und Bauernstaates“ einen Grund zum Eingreifen geben, war eine der größten Ängste der Demonstranten.

Einleitend sei gesagt: Ich habe nicht die Absicht alle Polizisten oder die Polizeibehörden im Allgemeinen zu diskreditieren. Die meisten machen einen guten und wichtigen Job. Durch Fehlentscheidungen und Fehlverhalten kommt es aber immer wieder zu nicht hinzunehmenden Verstößen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung in unserem Lande.

Zivilfahnder wird Agent Provocateur

Wann passiert das?
Es gibt in Deutschland ein Vermummungsverbot bei Demonstrationen, über dessen Rechtmäßigkeit und Sinnhaftigkeit man sich streiten kann. Es ist aber geltendes Recht.
Wenn also Zivilfahnder an einer Demonstration teilnehmen und sich vermummen, dann mögen sie das im Rahmen ihrer Aufgabe tun – Jeder ist aber ein Agent Provocateur, weil die uniformierten Kollegen nur Vermummte sehen und somit einen Grund zur Auflösung der Demonstration haben.
Das ist ein Fakt.

Die Sinnlosigkeit dieser Einsätze

Einen Zivilfahnder in eine Demo, hier die „Welcome to hell“ in Hamburg, zu schicken ist meiner Meinung nach nicht sinnvoll. Was kann er tun? Eingreifen kann er, ob vermummt oder nicht, in keiner Weise – er würde sich als Polizist zu erkennen geben. Beobachten kann er nur Nichtvermummte bei Straftaten, die Vermummten kann er nicht identifizieren. Als Vermummter macht er sich unter Vermummten, im Falle der Eskalation, höchstens verdächtig wenn er nicht selbst an Gewalttaten teilnimmt. Nimmt er aber teil, dann macht er sich strafbar.
Das ist ein Teufelskreis

Der Verdacht

Ob zu Recht oder Unrecht, es wird der Verdacht entstehen, dass der vermummte Zivilfahnder als Agent Provocateur eingesetzt wird um gegen Demonstrationen vorgehen zu können.
Das wiederum diskreditiert die Polizei als wichtige und notwendige Institution.

Also hört auf damit.

Bildnachweis: under creativ commons by OpenClipart-Vectors

Edit 25.05.2018 12:15 Uhr:

Wer selbst schreibt, der kennt das. Ein Artikel ist veröffentlicht und mir fällt noch etwas dazu ein. Hier sind das zwei Fragen:

  1. Wenn der Veranstalter einer Demo einen Vermummten dazu zwingt, evt. mit körperlichem Einsatz, die Vermummung abzulegen oder die Demo zu verlassen und dieser sich dann als Zivilfahnder herausstellt – ist das dann Angriff auf einen Polizeibeamten?
  2. Wenn ein Zivilfahnder auf eine Demo geschickt wird auf der die Teilnehmer überwiegend verfassungsfeindliche Symbole tragen – ist er dann auch dazu berechtigt? Was passiert, wenn die Demo aufgelöst wird und es stellt sich heraus, dass die Zivilfahnder die einzigen waren die diese trugen?

Wie gesagt, besser ist es diese Praxis aufzugeben.

Die ich rief, die Geister …

Viele von uns haben in der Schule den Zauberlehrling gehasst, heute könnte man ihn als Pflichtlektüre für Politiker und so genannte Journalisten der BILD-Zeitung(?) empfehlen. Kennt ihr die Stelle noch?

Herr und Meister! hör mich rufen! –

Ach, da kommt der Meister!

Herr, die Not ist groß!

Die ich rief, die Geister

werd ich nun nicht los.

Und wie sie alle heute nach dem Meister rufen, fast könnte man meinen sie hätten nicht bemerkt was sie anrichten.

was-interessiert-mich-mein-geschwatz-von-gestern-konrad-adenauer-100697So bringt heute die BILD einen Artikel über „Perfide PEGIDA-Parolen“ und fragt sich warum so viele auf diese hereinfallen.

Die Antwort ist recht einfach, es sind die Geister, die unter anderem die BILD gerufen hat. So wurde zum Beispiel am 13.10.2012 der damalige Bundes-Innenminister Hans-Peter Friedrich gefragt „Was tun Sie gegen Asylmissbrauch?“ Wie nicht anders zu erwarten, wurde bereits in der Einleitung über einen rasanten Anstieg der Flüchtlingszahlen gesprochen. Auch bei der Vorstellung des Buches „Deutschland schafft sich ab“ wurden genüsslich Termini wie soziale Belastungen einer ungesteuerten Migration und gesunder Selbstbehauptungswillen als Nation unters Volk gebracht.

Das sind Einzelbeispiele die Tendenzen aufzeigen. Das alles führt zu PEGIDA & Co. diese Propaganda führt zu den Mitläufern.

Ich sprach einleitend von den BILD-Journalisten und von Politikern, genannt habe ich schon der ehemalige BIM Friedrich. Dieser folgt aber auch nur strikt der Parteilinie der CDU.

Und heute kennen die Politiker und Jounalisten die alten Thesen nicht mehr, getreu dem Adenauer Spruch „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern.“ betrachtet man PEGIDA & Co als ein von der eigenen jahrelangen Propaganda losgelöstes Phänomen.

Unter diesem Gesichtspunkt, könnte man geradezu Verständnis für den jetzigen BIM haben, der seinerseits Verständnis für die PEGIDA-Demonstranten und ihre Sorgen hat. Leider ist mit:

„Diese Sorgen müssen wir ernst nehmen, damit müssen wir uns auseinandersetzen.“

nicht die Selbsterkenntnis verbunden, dass man diese Sorgen und Ängste erst selbst geschürt hat.

Geradezu exemplarisch für die Politik der CDU ist auch die Rede von Angela Merkel auf dem Bundesparteitag der CDU. Wenn sie von Zuwanderung spricht, geht es um sichere Herkunftsländer, also Ablehnung von Asylanträgen, und Hunderte neue Stellen im Bundesamt für Migration, nicht um die betroffenen Menschen.

Über die CSU lohnt es sich nicht zu reden, auch wenn die Problematik auch in Bayern erkannt wurde haben die bayerischen Christsozialen nichts besseres zu tun als die Forderung zu erheben, die Migranten mögen doch auch im Wohnzimmer Deutsch sprechen. Es ist wohl nur der katholischen Prüderie zu verdanken, dass sie nicht fürs Schlafzimmer auch Sprachkurse für Liebesgeflüster oder dirty-talk anbieten wollen.

Ich möchte die Entstehung der jetzigen Situation nicht nur der BILD und den C-Pateien anlasten, auch viele andere haben einen Anteil am Zuwanderer Bild in der Gesellschaft. Alle können für sich prüfen, ob sie auch zu Thesen neigen oder geneigt haben die PEGIDA & Co befördert haben.

Die Geister sind gerufen und es wird kein Meister kommen, der sie wieder an die Kette legt oder in die Ecke stellt. Das ist auch gut so, denn der Meister sagt ja:

Denn als Geister

ruft euch nur zu diesem Zwecke,

erst hervor der alte Meister.

Diese Macht wollen wir ja niemandem geben.

Es bleibt nur die Kleinarbeit im eigenen Umfeld die Sympathisanten, die auf die BILD und CDU Thesen hereingefallen sind, zu überzeugen, dass PEGIDA & Co der falsche Weg sind. Da gibt es viel zu tun, die Ablehnung gegenüber den Flüchtlingen und anderen Migranten kann nur durch persönliches Kennenlernen beseitigt werden.

Ich habe da auch kein Patentrezept, außer nie zu schweigen wenn in meinem Umfeld diese Thesen auftauchen. Andere mögen Gegendemonstrationen oder Blockaden favorisieren. Ich weiß nicht was der richtige Weg ist, aber wir müssen alle etwas tun.

Brauchen wir den Welttag gegen Rassismus?

Ja, leider brauchen wir diesen Tag. Wir brauchen ihn aber nicht nur für Demonstrationen, weise Politkerworte und Gedenkminuten. Eigentlich brauchen wir ihn um einfach mal über unsere eigene innere Einstellung zu den Anderen nachzudenken.

Mal ehrlich, fühlt ihr euch unwohl, z.B. am Telefon wenn ihr Waldemar Müller anruft und dieser sich, trotz des deutschen Namens, mit starkem slavischen Akzent meldet? Oder wenn euer Kind von der neuen Freundin Claire aus dem Kindergarten erzählt und ihr dann nach Wochen feststellt, dass diese dunkelhäutig ist? Zuckt ihr zusammen, wenn der angemeldete Heizungsableser Ali heißt und arabisch aussieht und klingt?

Aber ist es auch irgendwie seltsam für euch, wenn Waldemar sagt „ich muss mal meinen Mann fragen“,wenn Claire auf die Frage nach ihrer Mami fragt „Meinst Du Rita oder Peggy?“ und wenn der Heizungsableser plötzlich als Frau mit dem Gesicht des Mannes vom letzten Jahr daherkommt?

Dann brauche wir den Welttag gegen Rassismus

und gegen die Diskriminierung der Anderen.

Mich beunruhigt nicht der plakative Rassismus der Rechtspopulisten am meisten. Der un-normale Umgang des normalen Bürgers mit Menschen, die auf Grund äußerlicher Merkmale oder anderer Abweichungen von einer fiktiven Norm anders sind, ist das Problem. Dieser un-normale Umgang bringt mit sich, dass es auf der anderen Seite einen positiven Rassismus oder eine positive Diskriminierung gibt. Diese beinhaltet in ihrer extremsten Ausführung das Verschweigen und Leugnen von Verfehlungen, die von von einzelnen die anders sind begangen wurden. Von Menschen mit eben diesen Merkmalen.

Wir haben hier eine Situation in der keiner gewinnen kann. Jede Aktion von rechts ruft eine Gegenreaktion von links hervor. Und umgekehrt. Der/die Andere kann dabei nur verlieren, um ihn/sie geht es ja meist nicht mehr. Es geht oft nur um unsere Befindlichkeiten, unsere Seelenruhe und die Pflege unserer Vorurteile.

Ich bleibe hier leise und nachdenklich, laute Aktionen erregen zwar Aufmerksamkeit aber sie verschärfen oft das Problem.

Was hindert uns an der Normalität?

Die Unterscheidung in Wir und Andere hindert uns.

NachbarInnen lehne ich wenn überhaupt aus einem konkreten Grund ab. Ich lehne sie z.B. ab, weil ihre Musik zu laut ist oder weil starker Geruch aus der Wohnung kommt. Für mich und die meisten ist es dabei unerheblich, ob es sich um deutsche oder arabische Musik, um Knoblauch- oder Krautgeruch handelt. Das wird immer so bleiben – das ist normal. Ich kann nicht alle lieben. Lehne ich sie aber beim Einzug bereits ab, weil ich durch ihr Aussehen, die Sprache und/oder andere äußere Merkmale voraussetze, dass es laute Musik und Essensgerüche geben wird;

dann brauchen wir diesen Welttag.

Die lauten Aktionen um Asylbewerberheime sind eine ganz andere Sache. Ich kann nur vermuten, dass dies entweder von der so Politik gewollt ist – oder die Politiker sind einfach dumm. Allerdings tendiere ich mehr zu Erstgenanntem, ohne das zweite auszuschließen.

Diese Heime sind in der heutigen Struktur ein Instrument welches verhindert, dass die BewohnerInnen dieser Heime unsere NachbarInnen und somit Mit-BürgerInnen werden.

Ich überspitze bewusst. Was sollen Menschen machen die man kaserniert, denen man eine Residenzpflicht auferlegt und die man an jeglicher Teilnahme am gesellschaftlichen und kulturellen Leben hindert? Menschen die man daran hindert zu arbeiten und ihren Lebensunterhalt selbst zu bestreiten? Die man nach einem statistischen Schlüssel einem Ort zuweist, ohne Beachtung von Familienzugehörigkeit und eventuell noch nach Geschlecht separiert?

Leute, ist das nicht so, als ob ich Hungernde an eine reich gedeckte Tafel setze –  mit der Androhung körperlicher Züchtigung, für den Fall sie versuchen etwas zu essen?

Wenn von diesen einige, längst nicht alle, kriminell oder anders auffällig werden – ist das nicht eine selbsterfüllende Prophezeiung?

Wenn wir ihnen dann, nach jahrelangem Warten, genehmigen bei uns zu bleiben – wen wundert es, wenn sie sich selbst von uns abschließen?

Die Schlüsse aus diesen Fragen überlasse ich euch.

Mein Schluss daraus ist;

Wir brauchen NachbarInnendafür brauchen wir den Welttag gegen Rassismusund gegen die Diskriminierung der Anderen.