Warum bist Du Pirat?

Das wurde ich gestern gefragt, die Antwort war für meinen Gesprächspartner nicht wirklich befriedigend. So zumindest mein Eindruck.

Ich bin kein Pirat!

Ich werde sie aber wählen.

Ich halte es für wichtig, dass sie Sitz und Stimme im Parlament bekommen.

Eine Frage mal an Einige.

„Warum wollt Ihr eigentlich keine Monarchie?“

Wenn ich so das Wahl- und Nichtwahlverhalten vieler meiner Mitmenschen betrachte, dann drängt sich diese Frage geradezu auf. Geradezu BILDhaft wird von diesen eine „starke Regierung“, ob nun eine Einparteienregierung oder eine Koalition. Die Opposition soll ebenso homogen sein und störende Einflüsse im Parlament sind eher unerwünscht. Diese behindern eine „effektive Regierungsarbeit“.

Somit stört zur Zeit einzig und allein die LINKE im Parlament. Sollte diese eventuell in einer rot-rot-grünen Regierung integriert werden, dann hätten wir ja den Idealzustand.

Dieses System wird uns dann als Pluralismus verkauft, ist aber eher der Unterart Dualismus zuzuordnen.

Gut gegen Böse, oder dem US-Ideal gemäß Demokraten gegen Republikaner, sieht so das Ideal aus?

Wer soll nun im Parlament aufstehen und neue Fragen stellen? Wer soll neue Ideen einbringen?

Wer soll die Vielen vertreten, die sich von den zwei Blöcken nicht vertreten fühlen?

Selbst in Großbritannien wurde das alte Zweiparteien System, mit dem Einzug der Liberalen ins Parlament, beendet.

In der Bundesrepublik ist der letzte Einzug eines „Störers“ schon etwas her. Die Grünen brachten wieder Schwung in die Parlamentsarbeit, sie brachten Themen wie Umweltschutz dorthin. Wo wären wir heute, wenn es sie damals nicht gegeben hätte?

Nachdem sie nun in den Alltag integriert wurden und ihre Kernthemen auch in den anderen Parteien angekommen sind, wird es wieder mal höchste Zeit für etwas Neues.

Es stehen ja auch neue Themen an.

Wir sind im Informationszeitalter angekommen, wenn man den „Experten“ glauben darf.

Datenschutz, Freiheit im Internet, Schutz der Privatsphäre und andere Themen gehören in den parlamentarischen Alltag.

Wer soll diese ansprechen?

Etwa die Parteien, die diese Themen bisher ignoriert haben? Sie haben sie nicht nur ignoriert, sie haben es komplett vergeigt.

Ich erwarte keine Wunder von einem Einzug der Piraten in den Bundestag. Aber ich erwarte neuen Schwung und neue Ideen.

Also wähle ich sie.

An die anderen, besonders die Nichtwähler, nochmal die Frage:

Wollt Ihr eine Monarchie, oder wollt Ihr Demokratie?

Am Sonntag wählen wir unser Parlament, nicht einen Monarchen.

Überlegt Euch, wer für Euch im Parlament seine Stimme erheben soll.

Wie haben wir uns das eigentlich gedacht,

die Sache mit Internet, Verschlüsselung uws?

Das soll jetzt keine Verschwörungstheorie werden, nein es soll aus meiner Sicht einige Vorgänge um die aktuellen Ereignisse zeigen.

Fangen wir also mal mit den Märchen um die Computertechnik und das Internet an.

Es klingt irgendwie immer nach bärtigen, Rotwein trinkenden Studenten und Ähnlichem.

Weit gefehlt. Man sollte sich erinnern, dass in den USA die ersten ernsthaften Schritte der Computertechnik im Rahmen des Manhattan-Projektes und überhaupt des Militärs gegangen wurden. Die Vernetzung von Rechnern ist auch, wenn auch nicht nur, im militärischen Bereich zeitig nachweisbar.

Beschränken wir uns auf die USA, so finden wir die digitale Speicherung und Verarbeitung von Daten bei Militär und Geheimdienst bereits in den 60er Jahren. Im Rahmen des kalten Krieges wurden Mathematiker, Kybernetiker und andere Wissenschaftler aus dem Ostblock, bevorzugt Russland, abgeworben und mit gut dotierten Stellen bei Geheimdiensten, Militär, in der Wirtschaft und an Universitäten belohnt.

In diesem Zusammenhang noch folgender Hinweis. Der Militärisch-Industrielle Komplex ist keine Erfindung der bösen kommunistischen Propagandisten. Bei der Betrachtung möchte ich hinzufügen, dass 1956 die Geheimdienste meist dem Militär zugehörig betrachtet wurden.

Zurück zur Ausgangsfrage. Was haben wir denn gedacht?

Bei der geschilderten Ausgangslage haben wir gedacht, dass „Don’t be evil“ eine wirkliche Bedeutung hat. Wir haben darauf vertraut, dass die Entwicklung der Computertechnik und des Internet in den Händen von smarten Jungs (und Mädels) liegt, die nur unser Bestes wollen. Stimmt auch. Aber wir haben eben auch gedacht, dass sich Geheimdienste, Militär und Industrie nach Anfangserfolgen zurückgelehnt haben, in Tiefschlaf verfallen sind und erst heute aufgewacht sind. Heute versuchen sie wie verrückt Verschlüsselungen zu knacken, in Netzwerke einzudringen und Ähnliches.

NSA, CIA, FBI, Secret Service und andere deren (positiv gesehen) Aufgabe darin besteht den US-Staat und dessen Bürger zu schützen haben m.E. nach die ganzen Jahre intensiv und mit riesigen Ressourcen versehen auf diesem Gebiet gearbeitet. Durch die Verflechtung Geheimdienst-Militär-Wirtschaft-Universitäten gibt es gewiss auch eine Reihe von jungen patriotischen US-Amerikaner/innen, die freiwillig Zuarbeit leisten.

killed-SSL

In den USA hat die Kontrolle der Kommunikation eine lange Tradition. Missbrauch der US-Post wird bestraft, Telefonüberwachung ist spätestens seit der McCarthy-Ära Ermittlungsstandard.

Ich wundere mich da nicht wirklich über das heutige Ausmaß der Überwachung.

Das ist aber kein Grund diese zu akzeptieren und zu resignieren.

Was also tun?

1. Sensibilisierung für das Thema ist gefordert. Sachliche Aufklärung, durchaus auch auf emotionaler Ebene, über das Problem „Was bedeutet das für mich?“  ohne Angst zu schüren.

2. Strategien zum Schutz vor den Auswüchsen der Überwachung müssen gefunden werden. Ich meine nicht neue Verschlüsselungstechniken, diese sind wirkungslos wenn es um Bewegungsprofile geht. Die Frage „Wer darf Daten speichern und verarbeiten?“ verbunden mit ernsthaften Konsequenzen bei Missbrauch steht für mich im Vordergrund.

3. Die Regierungen müssen sich nun endlich dieses Themas annehmen. Im Interesse ihrer Bürger, die dies natürlich erst mal in der Masse einfordern müssen. Auch wenn es für Staaten und deren Regierung teils dem Eigeninteresse widerspricht.

Dazu brauchen wir aber erst einmal neuen Wind in der Politik.

Am 22. September gibt es dazu Gelegenheit.

Bildquelle: Internet keinen eindeutigen Urheber gefunden gesehen bei https://plus.google.com/u/0/117194873762727127698/posts/84rF3dSoFCb

It’s the Democracy stupid! *

Nein lieber Arbeitskollege, ich bin nicht Mitglied bei den Piraten. Ich bin auch nicht mit allen Thesen verschiedener Mitglieder, Ortsverbände und was weiß ich noch einverstanden. Trotzdem werde ich sie wählen. Nicht nur das, ich schreibe auch in dem Sinne. Vielleicht überlegst Du es Dir ja auch noch.

„Diese Partei weiß doch gar nicht was sie will“, sagst Du. Mach Dir keine Sorgen – die anderen wissen es auch nicht. Sie kommunizieren es nur anders. Treffender als A.d.T. hätte ich es auch nicht ausdrücken können:

„Die Mitglieder dieser Parteien [der europäischen, T.K.] gehorchen einem Befehl wie die Soldaten im Felde; sie bekennen sich zum unbedingten Gehorsam, oder, besser, sie opfern durch ihren Beitritt zugleich ihr eigenes Urteil und ihren freien Willen vollkommen auf: daher herrscht im Innern der Partei oft eine weit unerträgliche Tyrannei als die, die im Staate namens der bekämpften Regierung ausgeübt wird.“ [Alexis de Tocqueville (1805-1859) in Über die Demokratie in Amerika]

damit sind eben die anderen gemeint, nicht die Piraten.

Demokratie, ich meine wirkliche, funktioniert nun mal über den Gedankenaustausch – nicht über Gleichschaltung. Meine Meinung, ganz und gar meine eigene, dazu habe ich schon mal so zusammengefasst.

In einer demokratisch gegründeten Partei muß man damit rechnen, dass sich Bürger aus jedem Spektrum einfinden. Alles andere bedeutet, dass die Partei eine Ansammlung ideologisch Gleichgesinnter (oder Gleichgeschalteter) ist. Das muss man aushalten und auskämpfen! [1]

Das sehe ich auch heute noch so. Dass die Piraten auch darüber nachdenken ist ja normal, Julitschka zeigte es erst gestern. Hoffentlich ziehen sie nicht die falschen Schlüsse daraus. Falsch wäre eben Gleichschalterei aus wahlkampftaktischen Gründen.

Es wird sie einige Stimmen kosten wenn sie weiter so machen wie bisher. Aber wenn sie damit anfangen ihre Kommunikation zu zensieren, dann werden sie genau so unglaubwürdig wie die anderen.

Die Piratenpartei wurde vor ca. 6 Jahren gegründet. Eine wirklich demokratische Parteiengründung und –etablierung braucht, aus den o.g. Gründen, ihre Zeit. Eben weil diese Partei kein ideologisches Gesamtkonzept (rechts-mitte-links) hat, wird es wohl länger dauern. Sie werden ihre internen Kämpfe auskämpfen müssen, sie werden Erfolge feiern und Niederlagen einstecken müssen.[1]

Das schrieb ich 2012, es sind jetzt also 7 Jahre. Es wird noch ein wenig länger oder noch länger dauern. Ich hoffe nur, dass sie nicht am Ende dahin kommen wo die anderen schon sind.

Wir brauchen sie aber jetzt schon im Bundestag. Wenn auch vorerst in der Opposition.

Wir brauchen Leute mit neuen Ideen und Visionen.

Also überlege es Dir, auch wenn Du keinen Wombat bekommst.

P.S. Der Artikel geht wirklich auf ein Gespräch auf dem Raucherplatz bei der gestrigen Spätschicht zurück. Da kam mir spontan die Idee.

* „It’s the Democracy stupid!“ ist eine Adaption des Slogans für die Clinton-Wahl „It’s the economy stupid“. Ich erhebe keinen Anspruch diese Adaption als erster vorgenommen zu haben. Die Bedeutung ist „Das ist Demokratie Dummkopf!“

[1] http://blogvonthomas.wordpress.com/2012/12/14/flagge-gehisst-und-segel-gesetzt/