Alternative oder Plan B

Seit einiger Zeit ist es im politischen Diskurs gefährlich das Wort Alternative zu verwenden. Schließlich ist die merkelsche CDU alternativlos und die AfD die Alternative. Daraus schließe ich, dass dieses Wort verbrannt ist und verwende lieber das Synonym Plan B.

Wie kann ein Plan B aussehen?

Dazu mache ich für mich eine Analyse der Alternative AfD.

Die AfD hat Inhalte, das ist wohl unbestritten. Mir passen die von ihr angebotenen Lösungen nicht, aber scheinbar finden über 10% der Menschen die tatsächlich an Wahlen teilnehmen diese interessant. Die anderen Parteien starren auf das Wahlergebnis der AfD, analysieren es zu Tode und werden wohl eine Strategie gegen die AfD entwickeln wollen.

Die wichtigste Frage für mich ist, worin die Inhalte der AfD Propaganda bestehen?

Kurz gesagt, sie sind die Antwort auf ein Sammelsurium von Ängsten und Bedenken der Menschen in Deutschland. Diese Antwort besteht im Großen und Ganzen aus Lösungen durch Reduzierung und Tradition.

Am Beispiel EU und Euro sieht man das deutlich. Die EU erlässt Vorschriften die niemand versteht und der Euro führt zur Finanzkrise. Das ist der reduzierende Faktor. Die Lösung liegt in der Tradition der Nationalstaaten und Nationalwährungen, was ist einfacher.

Warum funktioniert das?

Es funktioniert weil die Vertreter der EU und des Euro ebenso reduziert argumentieren. Als der Euro eingeführt wurde war das schlagendste Argument für die Menschen in der Euro-Zone, dass sie im Urlaub kein Geld mehr umtauschen müssen. Zu den Risiken und Nebenwirkungen des Euro gab es eine Packungsbeilage die so unverständlich war, wie die bei einem Herzmedikament.

In der Frage Zuwanderung und Asyl betreibt die AfD das gleiche Spiel. Das alte Argument „Ausländer nehmen uns Arbeitsplätze weg“ wird ergänzt mit den Kosten für Asylanten, der schleichenden Islamisierung (weiter rechts spricht man von Überfremdung) und der Kriminalitätsrate bei Migranten. Reduziert auf diese Aussagen ergibt sich zwangsläufig die Forderung nach der Rückkehr zu den traditionellen Grenzregimes der Nationalstaaten und einer restriktiven Asyl- und Zuwanderungspolitik.

Warum funktioniert das?

Die Befürworter einer modernen Gesellschaft, einer multikulturellen Gesellschaft, argumentieren genau so flach. Migranten sind nicht anders als Einheimische, ist meine kurze Zusammenfassung der meisten Aussagen und das ist falsch. Schon die Einheimischen sind nicht gleich, die Migranten schon gar nicht. Das merken die meisten Menschen und viele betrachten die Aussage der AfD als richtig.

Ich könnte diese Aufzählung fortsetzen mit Familienpolitik und vielen anderen Themen,das ist aber nicht nötig. Zusammenfassend ist die Argumentation der AfD ungefähr so: Die Anderen wollen euch etwas wegnehmen – wir erhalten eure Besitzstände.

Was wäre jetzt der Plan B?

Wir müssen nicht gegen die AfD kämpfen, wir müssen die Ängste der Menschen beseitigen.

Wir müssen nicht die Argumente der AfD immer wieder lächerlich machen, sondern bessere Argumente für unsere Meinungen zu den Themen finden und diese verständlich kommunizieren.

Zusammengefasst: Wir müssen aufhören uns mit der AfD zu beschäftigen und anfangen uns mit den Menschen zu beschäftigen.

Ganz kurz gesagt: Keine „Alternative für Deutschland“ sondern ein Plan B für Menschen.

Das Problem mit der Demokratie

und seine Folgen könnte ich diesen Artikel nennen. Also nenne ich ihn auch so.

Um dieses Problem zu illustrieren nehme ich den bemerkenswerten Artikel von Anja Wurm über eben dieselbe. Vorsichtshalber, nur um Missverständnisse auszuschließen, betone ich, dass es hier nicht um eine persönliche Abneigung handelt. Der Artikel illustriert das Problem eben aus meiner Sicht.

Anja schreibt also in ihrem Artikel Folgendes:

Der Bürger, der jedoch nur scheinbar die Möglichkeit hat, mit der Wahl einen Regierungswechsel zu ermöglichen durch das chaotische Gebaren der Alternativparteien und dem Angleichen der wenigen, wechselnden Regierungsparteien untereinander (siehe oben), hat bei der Wahl keine Wahl. Die Wahl des einzelnen Bürgers besteht im Moment nur aus drei Alternativen, a) dem Wahlboykott, b) der Protestwahl (die aber wie der Boykott nicht zu einer anderen, unterscheidbaren Regierung führen wird) oder c) auf die alten Parteien zu setzen. Will der Bürger also die Regierung mitbestimmen, bleiben ihm nur die am Skandal direkt oder indirekt beteiligten, traditionellen Parteien. [1]

Genau dort ist m.E. nach der Fehler in der Betrachtung. Warum? Weil diese Behauptung den status quo, wahrscheinlich ohne es zu wollen, zementiert.

Wenn es so ist, dann haben wir keine Chance. Wir sind alternativlos den Altparteien ausgeliefert.

Ist das so?

Ich werde nicht müde zu betonen, dass wir in 5 Tagen nicht in erster Linie die Regierung wählen oder abwählen.

Wir bestimmen über die Zusammensetzung unseres Parlaments.

Hier kommt der verschämt dahergehende Punkt b) „der Protestwahl (die aber wie der Boykott nicht zu einer anderen, unterscheidbaren Regierung führen wird)“  ins Spiel.

Natürlich führt die Wahl der (hoffentlich) knapp über 5% Parteien nicht zu einer anderen Regierung. Sie führt aber zu einer veränderten Opposition.

Diese kann nun durchaus die Regierungsarbeit beeinflussen, auf parlamentarischem Wege.

Diese kann aufstehen und im Sinne ihrer Wähler sprechen.

Ohne diese wird es so weiter gehen wie bisher.

Warum halte ich mich an diesem Punkt auf?

Weil er nicht nur in diesem Artikel zu finden ist. Er ist geradezu das Normal des unpolitischen Bürgers geworden. Er ist eine Abwertung des Parlaments. Er unterstützt das Nichtwählen als angeblich politische Meinungsäußerung.

Ehrlich, ich denke, dass Anja diesen Passus nicht so gemeint wie geschrieben hat. Er dient mir zur Illustration einer verbreiteten Meinung.

Wählen gehen ist die einzige Möglichkeit etwas zu ändern. In der parlamentarischen Demokratie geht es (leider) nicht schneller. Die Wahl einer starken pluralistischen Opposition ist meiner Meinung nach die einzige, wenn auch langfristige, Alternative etwas zu ändern.

Also ich wähle Piraten!

Wen wählst Du?

P.S. Ein kleiner Ausflug noch zu den Ausführungen über PRISM & Co. Anja schreibt:

Ähnliches passierte bei Prism, statt den Lauschangriff als solchen anzuerkennen, wird er als Sicherheitsmaßnahme zur Terror- und Kriminalitätsbekämpfung dargeboten, in der Hoffnung der Bürger denke nicht nach … [1]

Längst bevor PRISM & Co. bekannt waren, hatte der Bürger bereits Kenntnis über Mittel und Möglichkeiten. Ich habe das hier beschrieben. Der Bürger hatte diese Mittel und Möglichkeiten längst als wichtig für die Verbrechensbekämpfung akzeptiert. Nicht die Regierung musste ihn überzeugen. Wir müssen ihn vom Gegenteil überzeugen. Das ist schwer.

[1] Größenwahn und Kontrollsucht by Anja Wurm http://www.editiondaslabor.de/blog/?p=18111

44% glauben kaum,

dass ihre persönlichen Gespräche und Mitteilungen für den amerikanischen Geheimdienst interessant sein könnten. [1]

Wow, das ist ja sowas von richtig.

Der Inhalt Eurer Gespräche interessiert die NSA & Co wirklich nicht, oder wenig.

Es könnte sie aber durchaus interessieren, wann, wo, mit wem und in der Nähe von wem Ihr diese Gespräche oder andere Korrespondenz geführt  habt, liebe 44%.

Wie schon in PRISM – das Bewegungsprofil thematisiert, ist es wenig interessant was Ihr schreibt und/oder sagt.

In den Fokus der Geheimdienste könnt Ihr immer kommen, da hilft auch Unschuld oder Unbeteiligtsein nichts.

Nun bringt die Studie des Allensbach-Institutes nicht viel Neues in Bezug auf die Affäre um NSA & Co.

Das ist beunruhigend, denn es stimmt wahrscheinlich was darin steht.

Generell spielen politische Themen für die Bürger eine untergeordnete Rolle. Die Mehrheit unterhält sich zurzeit vor allem über Urlaub und Wetter, über die Familie, Essen und Trinken und medizinische Themen. Nur 39 Prozent haben sich in letzter Zeit öfter mit anderen über Politik unterhalten, ganze 29 Prozent über die bevorstehende Bundestagswahl. [1]

Es geht dem Deutschen also nach dieser Studie weniger um Veränderungen, mehr um die Sicherung von Besitzständen.

Wo sind nun die viel zitierten Nicht-Besitzenden, die Veränderungen wollen?

Sind das die 29%, die sich über die bevorstehende Bundestagswahl unterhalten haben?

Gerade diese sind es wohl nicht, wenn ich meine eigenen Erfahrungen zu Grunde lege. Die haben nämlich resigniert und erwarten von einem Wechsel keine Veränderungen zu ihren Gunsten.

Wohl gemerkt, ich rede hier nicht von einer Aufstockung der Hartz IV Sätze, sondern von Arbeitsplätzen, gerechtem Lohn für Arbeit usw.

Merkel ist also alternativlos!

Ganz Deutschland resigniert!

Nein, ein kleines Häuflein von politischen Amateuren, geschmückt mit einem lustigen orangefarbenem Symbol leistet tapfer Widerstand.

mecker

Gäbe es diese nicht, dann wäre der Wahlkampf (wo ist der eigentlich) wohl noch dröger. Wenigstens die Angst vor einem Einzug der Piraten in den Bundestag motiviert die „Volksparteien“ überhaupt dazu sich mit PRISM & Co zu beschäftigen. Sonst würden sie sich wohl darauf verlassen, dass „Dinge beendet werden“ durch Erklärungen von Regierungsseite her. Oder sie würden nicht über diese reden, wäre manchmal besser weil weniger peinlich.

Von Wahlkampf kann man diesmal wirklich nicht reden, es wäre besser die Piraten hätten nur das eine Wahlplakat (s.o.) verwendet um Nichtwähler zu motivieren.

Noch ist dazu Zeit – mal etwas anderes zu versuchen.

[1] FAZ – Neue Allensbach-Analyse

Bildquelle: http://bundestagswahl.piratenpartei-esslingen.de/wp-content/uploads/2013/07/1073973_329130890554402_1525822742_o.jpg