It’s the Democracy stupid! *

Nein lieber Arbeitskollege, ich bin nicht Mitglied bei den Piraten. Ich bin auch nicht mit allen Thesen verschiedener Mitglieder, Ortsverbände und was weiß ich noch einverstanden. Trotzdem werde ich sie wählen. Nicht nur das, ich schreibe auch in dem Sinne. Vielleicht überlegst Du es Dir ja auch noch.

„Diese Partei weiß doch gar nicht was sie will“, sagst Du. Mach Dir keine Sorgen – die anderen wissen es auch nicht. Sie kommunizieren es nur anders. Treffender als A.d.T. hätte ich es auch nicht ausdrücken können:

„Die Mitglieder dieser Parteien [der europäischen, T.K.] gehorchen einem Befehl wie die Soldaten im Felde; sie bekennen sich zum unbedingten Gehorsam, oder, besser, sie opfern durch ihren Beitritt zugleich ihr eigenes Urteil und ihren freien Willen vollkommen auf: daher herrscht im Innern der Partei oft eine weit unerträgliche Tyrannei als die, die im Staate namens der bekämpften Regierung ausgeübt wird.“ [Alexis de Tocqueville (1805-1859) in Über die Demokratie in Amerika]

damit sind eben die anderen gemeint, nicht die Piraten.

Demokratie, ich meine wirkliche, funktioniert nun mal über den Gedankenaustausch – nicht über Gleichschaltung. Meine Meinung, ganz und gar meine eigene, dazu habe ich schon mal so zusammengefasst.

In einer demokratisch gegründeten Partei muß man damit rechnen, dass sich Bürger aus jedem Spektrum einfinden. Alles andere bedeutet, dass die Partei eine Ansammlung ideologisch Gleichgesinnter (oder Gleichgeschalteter) ist. Das muss man aushalten und auskämpfen! [1]

Das sehe ich auch heute noch so. Dass die Piraten auch darüber nachdenken ist ja normal, Julitschka zeigte es erst gestern. Hoffentlich ziehen sie nicht die falschen Schlüsse daraus. Falsch wäre eben Gleichschalterei aus wahlkampftaktischen Gründen.

Es wird sie einige Stimmen kosten wenn sie weiter so machen wie bisher. Aber wenn sie damit anfangen ihre Kommunikation zu zensieren, dann werden sie genau so unglaubwürdig wie die anderen.

Die Piratenpartei wurde vor ca. 6 Jahren gegründet. Eine wirklich demokratische Parteiengründung und –etablierung braucht, aus den o.g. Gründen, ihre Zeit. Eben weil diese Partei kein ideologisches Gesamtkonzept (rechts-mitte-links) hat, wird es wohl länger dauern. Sie werden ihre internen Kämpfe auskämpfen müssen, sie werden Erfolge feiern und Niederlagen einstecken müssen.[1]

Das schrieb ich 2012, es sind jetzt also 7 Jahre. Es wird noch ein wenig länger oder noch länger dauern. Ich hoffe nur, dass sie nicht am Ende dahin kommen wo die anderen schon sind.

Wir brauchen sie aber jetzt schon im Bundestag. Wenn auch vorerst in der Opposition.

Wir brauchen Leute mit neuen Ideen und Visionen.

Also überlege es Dir, auch wenn Du keinen Wombat bekommst.

P.S. Der Artikel geht wirklich auf ein Gespräch auf dem Raucherplatz bei der gestrigen Spätschicht zurück. Da kam mir spontan die Idee.

* „It’s the Democracy stupid!“ ist eine Adaption des Slogans für die Clinton-Wahl „It’s the economy stupid“. Ich erhebe keinen Anspruch diese Adaption als erster vorgenommen zu haben. Die Bedeutung ist „Das ist Demokratie Dummkopf!“

[1] http://blogvonthomas.wordpress.com/2012/12/14/flagge-gehisst-und-segel-gesetzt/

Laut nachgedacht …

Bitte unterbrecht mich nicht mit Kleinigkeiten, wie irgendeiner wieauchimmer Correctness oder Befindlichkeiten die ich verletze, ich denke ja nur nach.

Gerade in den letzten Wochen, so mit Hochwasser, Professorinnen, bedingungslosem Grundeinkommen und ähnlichen Highlights bietet es sich ja an über Demokratie nachzudenken.

Das haben natürlich schon viele getan. Warum also ich? Es sind, lt. Packungsbeilage, ja nur meine Gedanken die ich mit Euch teile.

Einer der schon darüber nachgedacht hat, war Alexis de Tocqueville (1805-1859). In „Über die Demokratie in Amerika“ schrieb er seine Betrachtungen zur Demokratie im Vergleich zur Monarchie nieder. Das nachfolgende Zitat ist aber nicht aus diesem Buch, es ist aus einem Briefwechsel.

The American Republic will endure until the day Congress discovers that it can bribe the public with the public’s money.

Zu deutsch:

Die amerikanische Republik wird überleben bis zu dem Tag, an dem der Kongress die Entdeckung macht, dass er die Öffentlichkeit mit öffentlichen Geldern bestechen kann.

Warum nun ausgerechnet dieses Zitat?

Wie in Krimis immer gesagt wird: „Folge der Spur des Geldes!“

Hier ist aber eigentlich das Problem, dass nicht der Kongress (die Regierung/das Parlament) diese Entdeckung macht. Die kennen das längst.

Das Problem ist, dass sogenannte Demokraten (eigentlich Interessengruppen) darum bitten bestochen zu werden.

Beispiel bedingungsloses Grundeinkommen. Ausdrücklich gesagt, ich bin dafür. Aber ich bin gegen die Propaganda, die mit der Forderung einhergeht.

Mein Freundespaar, Hans Franz und Lieschen Müller, glaubt nämlich (wie einige der Propagandisten), dass Geld auf Bäumen wächst. Oder anders gesagt, dass der Staat irgendwie Geld hat und dieses nur verteilen muss. Dass Geld, besser gesagt die Werte für die das Geld nur eine Verrechnungsgröße ist, erarbeitet werden muss bedenken Beide nicht. Der Staat finanziert jede Ausgabe mit Geldern der Steuer- und Beitragszahler. Oder er macht Schulden, dann ist es aber wertloses Geld – weil es eben nicht einen materiellen Wert repräsentiert. Ein bedingungsloses Grundeinkommen würde also nicht der Staat finanzieren. Der Teil der Bevölkerung der diese Werte schafft würde dies tun. Der müsste also auch gefragt werden.

Das hat etwas mit Demokratie zu tun!

Ehrlich gesagt habe ich den Eindruck, dass wir noch keinen Schritt, außer vielleicht dem allgemeinen Wahlrecht, über die alte (antike) Demokratie hinaus sind. Es gibt einen kleinen Teil des Volkes (Demos) der die Herrschaft (kratos) ausübt und Forderungen oder Ideen formuliert. Der größere Teil macht einfach nicht mit. Dieser Teil nimmt maximal an Wahlen teil, artikuliert sich aber kaum. Er will bestochen werden mit Brot und Spielen.

Der kleinere Teil, der vehement gegen den Begriff der Elite vorgeht aber wie eine solche handelt, schwingt sich zu Vertretern des Volkes und Lehrern des Volkes auf.

So auch im Falle der/des Professorin. Hier haben wir ein wunderbares Beispiel einer gut gemeinten, aber m.E. nutzlosen, akademischen Diskussion.

Ich bin, als Mann, gegen Frauenrechte. Das klingt mir irgendwie nach Artenschutz. Ich bin für gleiches Recht für Alle, egal ob Mann oder Frau. Meinen Kolleginnen (ja ich habe sie gefragt) ist es egal ob ich jetzt mit Kollege oder Kollegin bezeichnet werde, sie wollen das gleiche Gehalt für gleiche Arbeit. Sie wollen gleiche Rechte.

Übrigens, auch Hartz IV wird nicht besser, wenn es nur noch Hartz IV Bezieherinnen und Antragstellerinnen gibt.

Allerdings artikulieren meine Kolleginnen ihre Meinung nicht lauthals in sozialen Netzwerken. Kann man ihnen das vorwerfen? Ich denke NEIN, sie schaffen nämlich mit ihrer Arbeit Werte. Diese Werte lassen sich in Geld ausdrücken. Mit diesem Geld kann der Staat dann seine Bürger bestechen, wie Alexis de Tocqueville befürchtete. Mit diesem Geld lassen sich dann auch Lehrstühle, Projekte und Professorinnen (egal welchen Geschlechtes) finanzieren. Diese können dann vielleicht mal erklären, warum ihre Forschungsergebnisse niemanden, der täglich um seine Existenz kämpft, interessieren.

Oder auch warum es keine Demokratie gibt, an der auch alle teilnehmen.

Dazu nochmal Alexis de Tocqueville (1805-1859) in Über die Demokratie in Amerika:

Im Übrigen bin ich davon überzeugt, dass keine Nationen mehr in Gefahr sind, unter das Joch zentralisierter Verwaltungen zu geraten, als diejenigen, deren Sozialordnung demokratisch ist.
Dazu tragen mehrere Ursachen bei, darunter die folgenden:
Diese Völker sind immerzu geneigt, die gesamte Regierungsgewalt in den Händen der unmittelbaren Volksvertretung zu vereinigen, denn jenseits des Volkes erkennt man bloß noch gleiche, in einer allgemeinen Masse verschwindende Menschen.

Eines habe ich allerdings vergessen. Das Hochwasser. Es ist ein wunderbares Beispiel für diese Bestechung. Es wird hier von Soforthilfen, Zuschüssen usw geredet. Das ist nicht wahr. Der Staat unterstützt hier nicht seine Bürger. Hier gibt es nämlich einen wirklich demokratischen Konsens des Demos. Der lautet „Es muss geholfen werden!“ Der Staat finanziert diese Hilfe mit dem Geld des Demos und mit der Aufnahme von Schulden, die eben dieser Demos zurück zahlen muss. Politiker, ob nun in Regierung oder Opposition, propagieren dies aber in einer Form, die eigentlich nur Monarchen zustünde. Geradezu als ob es ihr Geld wäre. Es ist aber das Unsere.

Ich werde wohl weiter nachdenken. Auch wenn ich nur ein „alter weißer Mann“ bin.

Amerika wählt

Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage. Ich kann Ihnen auch nicht helfen.

Jakob Augstein schreibt über Amerika wie folgt:

Der Untergang des amerikanischen Imperiums hat begonnen. Es kann sein, dass ihn die Amerikaner trotz aller Mühe nicht aufhalten können. Aber sie versuchen es nicht einmal.

Irgendwie erinnert mich das an den alten DDR Witz, wo der Professor vom „sterbenden und faulenden Kapitalismus“ spricht. Ein Student murmelt vor sich hin „Ein schöner Tod“.

Mal ehrlich, was sagt uns Augstein in seinem Artikel Neues?

Der letzte Europäer, der die amerikanische Demokratie untersucht und (fast) uneingeschränkt bejahte war wohl Alexis de Tocqueville in „Über die Demokratie in Amerika“. Allerdings sah er diese Demokratie im Vergleich mit den Monarchien in Europa. Nicht zu vergessen, das war 1835.

Geht man mal nicht so weit zurück, so finden sich doch meist kritische Töne. So schreibt der, auch nach Augsteins Meinung nach, bedeutende Reporter Egon Erwin Kisch durchaus kritisch über diese in „Paradies Amerika“.

So schreibt er in diesem Buch, im Kapitel „Vorabend, Nacht und Tag der Präsidentenwahl“ (warum schreibe ich heute wohl darüber?):

Was ist geschehen?

Der Kandidat der republikanischen Partei hat gegen den Kandidaten der demokratischen Partei gesiegt. Nun ist aber die demokratische Partei durchaus demokratisch, und die republikanische Partei würde es sich sehr verbitten, für weniger demokratisch angesehen zu werden als die demokratische. Der genetische Unterschied, daß die Demokraten einmal die Vertretung der Plantagenbesitzer in den Südstaaten und des Kleinbürgertums in den Städten waren, tritt ebensowenig in Erscheinung wie der politisch-historische Unterschied, daß die Republikaner seinerzeit den Hochschutzzoll bekämpften.“ [Egon Erwin Kisch; Paradies Amerika; Aufbau Verlag Berlin 1948; S 22]

Schaut man also weiter, in Richtung Gegenwart, so findet sich außerhalb des Hollywood-Amerikas, das Amerika eines Upton  Sinclair und anderer Schriftsteller bis heute. Dies ist nun eben das Amerika, welches Augstein so beschreibt:

Die amerikanische Armee entwickelt eine Waffe, mit der innerhalb einer Stunde jeder Punkt der Welt erreicht – und zerstört – werden kann. Gleichzeitig hängen in Brooklyn, Queens und New Jersey die Stromkabel an Holzpfeilern über der Straße.

Was hat sich also geändert? Eigentlich nichts.

Besonders schön (wenn schön hier angebracht ist) finde ich die Version des Wahlverhaltens der US-Amerikaner die Tom Clancy in „Executive Orders“ (dt. Befehl von Oben) schildert:

„Beginnen wir: Rund vierzig Prozent der Leute wählen demokratisch, rund vierzig Prozent wählen republikanisch. Von diesen achtzig Prozent würde kaum einer sein Wahlverhalten ändern, wenn Adolf Hitler gegen Abe Lincoln antreten würde – okay?“

„Aber wieso –„

Verzweiflung: „Warum ist der Himmel blau, Jack? Es ist eben so, okay? Selbst wenn Sie´s erklären könnten, und Astronomen können das wohl auch, der Himmel ist blau, also akzeptieren wir die Tatsache einfach, okay? Damit bleiben also zwanzig Prozent der Leute übrig, die mal so und mal so wählen. Die zwanzig Prozent kontrollieren die Geschicke des Landes, und wenn Sie wollen, daß alles so läuft, wie sie möchten, sind das die Leute, die Sie erreichen müssen. So, und jetzt kommt der lustige Teil. Die zwanzig Prozent kümmert es kaum, was sie denken.“

[…]

„Die harten achtzig Prozent kümmert Ihr Charakter ´n Dreck. Die wählen eine Partei, weil sie deren Philosophie glauben – oder Mom ´n Dad immer so wählten; der Grund zählt nicht. Egal. Kommen wir zu den wichtigen zwanzig Prozent zurück. Die kümmert das, was Sie glauben, weniger als Ihre Person. …“ [Tom Clancy; Befehl von Oben, Hoffmann und Campe 1997; S. 351]

Da liegt wohl auch für diese (heutige) Wahl der Knackpunkt. Wer kommt in Amerika besser an beim Wähler? Nicht etwa, wer hat das bessere Programm?

Warten wir den morgigen Tag ab.

Aber meiner Meinung nach, somit zum Artikel von Augstein zurück, ist das Amerika dessen Veränderung er so schildert:

Und tatsächlich: die Fanatiker, von denen Mitt Romney sich abhängig gemacht hat, haben alles über Bord geworfen, was den Westen ausgezeichnet hat: Wissenschaft und Logik, Vernunft und Mäßigung oder einfach Anstand.

sozusagen das westliche Amerika, eine europäische Fiktion. Es ist wohl eher der Traum, der die USA nach wie vor zum Einwanderungsland macht – es ist das Hochglanz-Amerika.

Wahrscheinlich gab es dieses Amerika noch nie.

P.S. Ich schreibe hier gewohnheitsmäßig meist Amerika statt USA. Der Fehler ist mir bewusst, aber ich bleibe dabei – schreibt sich schöner.