Fremdschämen – Medien und der Drall

Das Fremdschämen liegt mir eigentlich fern, aber es berührt mich doch peinlich wenn ich die Reaktionen auf den gestrigen Tod von Muammar al-Gaddafi sehe.

Sind das die gleichen Menschen die Petitionen schreiben, um verurteilte Mörder vor der Todesstrafe zu retten, die sich nun das Video millionenfach ansehen und eventuell, zum späteren Gebrauch, herunterladen?

Nun ja, das ist eben der normale Bürger, was ist aber nun mit den Medien?

Durch die online Medien können wir die Veränderung des Dralls einer Meldung nun live miterleben, ohne auf die Nachrichten zur vollen Stunde oder die Ausgabe am nächsten Tag zu warten.

War es also gestern Abend noch die Meldung Gaddafi tot, die „nachrichtenwürdig“ war, so war es heute Morgen die Meldung NATO bereitet Abzug vor oder auch peinlicherweise Mission erfüllt, aber nur für kurze Zeit.

Jetzt hat sich das Blatt gewendet, wichtig ist Wurde Gaddafi hingerichtet?, was geschieht mit seiner Leiche und gibt es eine Untersuchung.

Warten wir also ab, was morgen und nächste Woche wichtig erscheint. Wir können es ja am Live-Ticker miterleben.

Und JA, manchmal schäme ich mich auch fremd.

P.S. Die Links wurden willkürlich gewählt. Das Video habe ich bewusst nicht verlinkt.

Der Tod eines alten Mannes

Muammar al-Gaddafi ist also tot, in den Social Networks überschlagen sich die User mit ihren Beiträgen, ich habe da schon „endlich ist der Bastard tot“ und ähnliches gelesen. Die Zeitungen sind wahrscheinlich froh, dass sie online präsent sind. Morgen werden wir es auch in den Print-Ausgaben lesen und bei Wikipedia wurde sogar schon der Artikel über ihn geändert.

Ich hoffe nur, dass sich nicht noch der Oberbefehlshaber der NATO-Truppen mit „Mission Accomplishedzu Wort meldet.

Wenn ich einen Blick in die Zukunft wagen darf (ich hoffe wirklich ich irre mich), dann ist die Mission nämlich wirklich nicht erledigt. Erinnern wir uns, diese war die Errichtung einer Flugverbotszone, um den Diktator daran zu hindern sein Volk, sprich die Aufständischen zu bombardieren.

Diktator? Ich erinnere mich an Zeiten, nicht etwa längst vergangene, da war dieser Diktator ein gern gesehener Gast in Europa. Die Titanic stellte natürlich heute auch gleich Bilder dazu ins Netz. Er war nämlich vom Terroristen zum fast schon Freund mutiert.

Das blieb nun auch so, bis sich sein Volk erhob, zumindest Teile des Volkes. Man muss ja ehrlich sein, auch die Rebellen hatten und haben keine ungeteilte Zustimmung im Volk.

Der Westen stand nun vor einem Dilemma, Gaddafi war weiterhin nicht allzu beliebt, man denke an die Drohungen gegen die Schweiz. Also wurde zum Schutz der Aufständischen eingegriffen. Die Hoffnung und Erwartung dabei war und ist, dass es dem Westen nach dem Wechsel des Regimes gedankt würde.

Da habe ich aber so meine Zweifel.

Meiner Meinung nach wird es nach den ersten internen Machtkämpfen, die wohl durchaus Elemente von Barbarei enthalten können, zur Konsolidierung einer neuen Regierung kommen. Die Pro und Anti-Gaddafi Fraktionen werden sich versöhnen und man wird der Toten beider Seiten, ich meine hier der Toten durch Luftangriffe der NATO, gedenken. Das Volk wird das Eingreifen der NATO an diesen messen und es nicht als Unterstützung bei der Befreiung von einem Diktator in Erinnerung behalten.

Welche Konsequenzen das hat, das bleibt abzuwarten.

Aber welche Bedeutung hat nun der Tod Gaddafis? Ich habe bewusst geschrieben Der Tod eines alten Mannes, weil die Person oder das Symbol zwar tot ist, ob das Regime tot ist werden die nächsten Tage zeigen.

P.S. Ich hoffe wirklich, dass ich mich mit meiner Einschätzung irre.

DIE ZEIT – NEUSTART

Ich habe den Artikel von Heinrich Wefing nun mehrmals gelesen, muss mir nachher erst mal Zigaretten holen, aber irgendwie komme ich nicht ganz klar.

Der Untertitel Recht, Macht und Demokratie: Die Politiker müssen das Netz beherrschen, sonst beherrscht das Netz die Politik, ist mir irgendwie suspekt.

Allein der Ausdruck Das Netz, in diesem Zusammenhang verwendet, drückt doch eine schon als uhl´sche zu bezeichnende Sicht auf das Problem aus. Was ist das Netz? kann doch nicht die Frage sein. Es müsste doch eher heissen Wer ist das (im) Netz? Das sind ja wohl wir, nämlich die Bürger.

Eigentlich beschreibt der Autor das ja auch, wenn er zum Beispiel schreibt Geschichte wird heute mit dem Internet gemacht.

Anders gesagt: Das Internet ist längst mehr als eine technische Infrastruktur, mit der wir arbeiten, kommunizieren und vergnügen. Das Netz besitzt eine fast radioaktive Kraft, die alles verändert – politische Institutionen, demokratische Prozesse. Die Welt, wie wir sie uns eingerichtet haben.

Ein schöner Absatz aus dem Artikel, finde ich. Natürlich ist das Netz etwas anderes als PC, Fernseher und Telefon. Es ist die Infrastruktur zur Bildung neuer Gemeinschaften, gerade im Social Media. Es ermöglicht auf neue Art den Zusammenschluss von Menschen auf den verschiedensten Gebieten.

Jetzt kommt aber die Bedrohungsanalyse, fest gemacht am Eigentum, ich sage nur illegale Downloads. Diese gipfelt in den schönen Sätzen:

Was bleibt von der friedensstiftenden Kraft des Rechts, wenn es in einem Bereich nicht mehr vollstreckt werden kann? Was bleibt dann, sehr zugespitzt gesagt, vom Staat überhaupt.

Auch hier sollte doch mal positiver herangegangen werden. Zum ersten konnte das Recht nie in allen Bereichen durchgesetzt werden. Sollte es wahrscheinlich auch nie, man denke nur an die Frage der Immunität von gewählten Politikern (diese ist natürlich in jedem Staat anders geregelt) oder an diplomatische Immunität. Zum anderen sollte die Frage ja nicht sein „Was bleibt vom Staat?“ sondern „Was entsteht für ein (neuer) Staat?.

Nun kommen weiter Ausführungen zum Geheimnisschutz, die sind im Kontext eigentlich eher uninteressant.

Aber dann:

Die Politik muss sich endlich diesem Abenteuer stellen. Sie muss technisch und intellektuell satisfaktionsfähig werden.

Wieder mal wäre wohl eine Überprüfung der Wortwahl angebracht. Der Umgang mit dem Bürger, der sich hier zufälligerweise über das Internet bemerkbar macht, ist kein Abenteuer. Er ist die normale Arbeit der Politiker.

Technisch und intellektuell sollte der Staat (auch wenn der Autor schreibt die Politik) ja wohl auf der Höhe der Zeit sein. Der Bürger im Netz hat keine besseren Computer, keine bessere Software und teilweise schlechteren Internetzugang. Der Anteil der Hochschulabsolventen im Bereich der Politik ist wohl auch höher als der im Bevölkerungsschnitt.

Ist der Politiker nun satifaktionsfähig?

Der Begriff ist natürlich nicht so klar in dem Zusammenhang, aber schauen wir in die Geschichte. Satifaktion war die Gewährung der Genugtuung für ein Unrecht durch ein Duell. Satifaktionsfähigkeit ist nun nicht eindeutig definiert, aber letztendlich läuft sie auf ein elitäres Denken hinaus. Nehmen wir also die „Minimalvariante“ (Wikipedia Duell) … sofern sie der „besseren“ Gesellschaft angehörten und bereit waren, sich deren „Comment“, d. h. ihren ungeschriebenen Verhaltensregeln, zu unterwerfen.

Also befinden wir uns wohl mit dem Staat im Duell und gehören zur besseren Gesellschaft, der sich der Staat erst noch anschließen muss.

Wenn das so bleibt, hat die Politik keine Chance die verlorene Gestaltungshoheit im Netz zurückzuerlangen.

Hatte sie diese jemals, im Netz? Und wollen wir, dass sie das Netz gestaltet?

Zum Schluss noch ein Protest gegen den Staatstrojaner (so kann man es lesen, muss man nicht).

Es geht nicht darum, sich an die Piratenpartei  ranzuwanzen.

Wenn es hier nicht um Wanzen geht, was soll der Ausdruck bedeuten?

Es geht darum, die neue Welt zu gestalten, die sich vor uns auftut.

Sieht man den nächsten (nun wirklich letzten Satz) dann ist nicht die Welt, sondern ein Abgrund gemeint.

Sonst gestaltet die Welt uns.

Dazu nur eines: Die Welt, das sind doch wohl wir.