Wenn Journalisten regieren würden

Sehen wir es ihm nach, er ist jung und er ist Journalist. Zumal durch Erfahrung an den Finanzschauplätzen unter anderem in London geprägt. Ja, die Rede ist von Mark Schieritz, der ZEIT und dem Artikel Ein Befreiungsschlag für Europa heute auf ZEIT online.

Es ist natürlich nichts Verwerfliches daran zu finden, dass man sich Gedanken macht und diese dann publiziert. Wenn doch, dann mache ich jetzt auch etwas Verwerfliches. Aber ehrlich, ich mache es gern.

Ich dachte im ersten Moment, es wäre Satire, musste mich dann aber davon überzeugen, dass dies nirgends ersichtlich war. Also schauen wir mal, was im 7-Punkte Programm steckt.

Im Punkt 1 des Programms steckt folgendes Kleinod:

Wir haben erkannt, dass es ein Fehler war, die Privatgläubiger durch Schuldenschnitte an den Krisenkosten beteiligen zu wollen, weil sich die Krise dadurch ausgeweitet hat und andere Länder angesteckt wurden.

Niedlich finde ich den Begriff Privatgläubiger, der hat so den Anklang von Oma, die das Geld aus ihrem Sparstrumpf verliert. Nicht ganz so niedlich ist, dass damit die Banken und Finanzjongleure gemeint sind. Die Leute und Institutionen, die (auch mit dem Geld von Oma) spekulieren und beim Schuldenschnitt meist spekulative Gewinne verlieren.

Natürlich weitet sich die Krise aus durch die Beteiligung dieser Institutionen an den Kosten, aber nur weil sie im nächsten Land spekulieren. Mit dem Kapital, welches sie vorher aus dem Krisenland abziehen. Also garantieren wir ihnen ruhig ihre Spekulationsgewinne.

2. Wir gehen davon aus, dass Griechenland die Hälfte seiner Schulden selbst bedienen kann, den Rest – schätzungsweise 175 Milliarden Euro – übernehmen wir.

Bedienen kann ist eine schöne Formulierung. Leider wissen wir ja alle, dass es bedeutet Zinsen zahlen kann. Also kein Abbau der Verschuldung, höchstens eine geringeres Wachstum der Schuldenlast. Aber nur bei gleich bleibendem (nicht steigendem) Zinssatz. Steigen diese, dann wird nichts draus. Die Übernahme des Restes „durch uns“ bedeutet für „uns“ ebenfalls weitere Verschuldung. Sorry, das ist ein Teufelskreis.

 3. Im Gegenzug verpflichtet sich Griechenland zu einem weit reichenden Reformprogramm und wird für die Dauer dieses Programms nur über eingeschränkte fiskalische Souveränität verfügen.

Wer übernimmt nun die fiskalische Oberhoheit über Griechenland? Die EU, also u.a. Länder die in einer vergleichbaren Lage sind, ergo es auch nicht besser gemacht haben?

Oder sind hier konkrete Länder und/oder Personen gemeint?

Der 4. Punkt ist eigentlich seit Jahren (oder sind es Jahrzehnte) überfällig. Ich meine nicht den Konvent, der eigentlich zur Zeit wieder ein Krisengipfel wäre. Ich meine

Wir wollen die politische Union schaffen, ohne die eine Währungsreform nicht funktioniert. Dazu gehört auch die Bekämpfung der internen Ungleichgewichte in der Währungsunion.

 Punkt 5 ist „nur“ die Bekundung einer gemeinschaftlichen Haftung der EU-Staaten für alle Schulden aus der Vergangenheit und für die Zukunft.

Im 6. Punkt sind mehrere bemerkenswerte Passagen versteckt.

Wir werden unnütze Staatsausgaben streichen, aber wir lassen nicht zu, dass der Wohlfahrtsstaat ausgezehrt wird.

Ausgaben für die Wohlfahrt des Volkes sind keine unnützen Ausgaben, somit ist der Zusammenhang für mich nicht nachvollziehbar.

Wir erhöhen darüber hinaus das Renteneintrittsalter auf 70 Jahre, mit Ausnahmeregeln für bestimmte Berufsgruppen. Diese Maßnahme spart Milliarden und belastet die Konjunktur nicht. Es ist weder verantwortbar noch sozial, einen immer größeren Teil unserer arbeitsfähigen Bevölkerung auf das Abstellgleis zu schieben.

Nun ja, die Rentenzahlung ist natürlich ein Problem, welches die Kassen belastet. Aber wäre es nicht „weiser“ der Jugend im arbeitsfähigen Alter Vollbeschäftigung zu garantieren. Das traut sich der Autor aber nicht. Warum sind bereits vor Jahren in Athen arbeitslose Jungakademiker auf die Straße gegangen? Weil das Rentenalter zu niedrig ist? Wohl kaum. Nicht die Menschen zwischen 65 und 70 gestalten die Zukunft, es sind die zwischen 20 und 30. Der o.g. Vorschlag belastet die Konjunktur wirklich nicht,  HARTZ IV kostet weniger als Rente.

Ach ja, wie war das mit der Auszehrung des Wohlfahrtsstaates?

Am Punkt 7 gibt es nichts zu meckern, aber er ist ja nur eine Absichtserklärung.

Also alles in Allem, warum sollte ich mich aufregen? Es ist ja nur ein Vorschlag – von einem Journalisten.

Fremdschämen – Medien und der Drall

Das Fremdschämen liegt mir eigentlich fern, aber es berührt mich doch peinlich wenn ich die Reaktionen auf den gestrigen Tod von Muammar al-Gaddafi sehe.

Sind das die gleichen Menschen die Petitionen schreiben, um verurteilte Mörder vor der Todesstrafe zu retten, die sich nun das Video millionenfach ansehen und eventuell, zum späteren Gebrauch, herunterladen?

Nun ja, das ist eben der normale Bürger, was ist aber nun mit den Medien?

Durch die online Medien können wir die Veränderung des Dralls einer Meldung nun live miterleben, ohne auf die Nachrichten zur vollen Stunde oder die Ausgabe am nächsten Tag zu warten.

War es also gestern Abend noch die Meldung Gaddafi tot, die „nachrichtenwürdig“ war, so war es heute Morgen die Meldung NATO bereitet Abzug vor oder auch peinlicherweise Mission erfüllt, aber nur für kurze Zeit.

Jetzt hat sich das Blatt gewendet, wichtig ist Wurde Gaddafi hingerichtet?, was geschieht mit seiner Leiche und gibt es eine Untersuchung.

Warten wir also ab, was morgen und nächste Woche wichtig erscheint. Wir können es ja am Live-Ticker miterleben.

Und JA, manchmal schäme ich mich auch fremd.

P.S. Die Links wurden willkürlich gewählt. Das Video habe ich bewusst nicht verlinkt.

Der Tod eines alten Mannes

Muammar al-Gaddafi ist also tot, in den Social Networks überschlagen sich die User mit ihren Beiträgen, ich habe da schon „endlich ist der Bastard tot“ und ähnliches gelesen. Die Zeitungen sind wahrscheinlich froh, dass sie online präsent sind. Morgen werden wir es auch in den Print-Ausgaben lesen und bei Wikipedia wurde sogar schon der Artikel über ihn geändert.

Ich hoffe nur, dass sich nicht noch der Oberbefehlshaber der NATO-Truppen mit „Mission Accomplishedzu Wort meldet.

Wenn ich einen Blick in die Zukunft wagen darf (ich hoffe wirklich ich irre mich), dann ist die Mission nämlich wirklich nicht erledigt. Erinnern wir uns, diese war die Errichtung einer Flugverbotszone, um den Diktator daran zu hindern sein Volk, sprich die Aufständischen zu bombardieren.

Diktator? Ich erinnere mich an Zeiten, nicht etwa längst vergangene, da war dieser Diktator ein gern gesehener Gast in Europa. Die Titanic stellte natürlich heute auch gleich Bilder dazu ins Netz. Er war nämlich vom Terroristen zum fast schon Freund mutiert.

Das blieb nun auch so, bis sich sein Volk erhob, zumindest Teile des Volkes. Man muss ja ehrlich sein, auch die Rebellen hatten und haben keine ungeteilte Zustimmung im Volk.

Der Westen stand nun vor einem Dilemma, Gaddafi war weiterhin nicht allzu beliebt, man denke an die Drohungen gegen die Schweiz. Also wurde zum Schutz der Aufständischen eingegriffen. Die Hoffnung und Erwartung dabei war und ist, dass es dem Westen nach dem Wechsel des Regimes gedankt würde.

Da habe ich aber so meine Zweifel.

Meiner Meinung nach wird es nach den ersten internen Machtkämpfen, die wohl durchaus Elemente von Barbarei enthalten können, zur Konsolidierung einer neuen Regierung kommen. Die Pro und Anti-Gaddafi Fraktionen werden sich versöhnen und man wird der Toten beider Seiten, ich meine hier der Toten durch Luftangriffe der NATO, gedenken. Das Volk wird das Eingreifen der NATO an diesen messen und es nicht als Unterstützung bei der Befreiung von einem Diktator in Erinnerung behalten.

Welche Konsequenzen das hat, das bleibt abzuwarten.

Aber welche Bedeutung hat nun der Tod Gaddafis? Ich habe bewusst geschrieben Der Tod eines alten Mannes, weil die Person oder das Symbol zwar tot ist, ob das Regime tot ist werden die nächsten Tage zeigen.

P.S. Ich hoffe wirklich, dass ich mich mit meiner Einschätzung irre.