Petitionen unterschreibe ich nicht,

da könnt Ihr mich noch so oft auffordern.

Das ist natürlich nicht ganz so ernst gemeint wie es da steht, aber manchmal finde ich es einfach Scheiße wenn Ihr Euer Gewissen beruhigt indem Ihr eben mal eine Petition schreibt und veröffentlicht.

Statt vorher mal über die Grundlagen nachzudenken.

Nehmen wir also Lampedusa. Der Name der Insel ist zum Synonym für die Festung Europa geworden. Für unmenschliche Einwanderungsbedingungen und tote Flüchtlinge.

Bevor jemand auf irgendwelche falschen Ideen kommt. Ich bin gegen die Abschottung Europas und für die Durchsetzung der Menschenrechte für Flüchtlinge.

Aber wer A sagt, der muss auch an B und C denken.

Ich habe schon mal über die Asylbewerber- und Flüchtlingsheime geschrieben, da stehe ich auch dazu. Ich bleibe also beim Begriff „Käfighaltung“ den ich dort benutzt habe. Also wer sagt „Nehmt alle Flüchtlinge auf!“, der soll auch sagen „Löst die Heime auf und gebt ihnen eine menschenwürdige Wohnung und die Möglichkeit ihr Leben würdevoll zu führen!“.

Vielleicht erinnert Ihr Euch an die Berichte über den „vielleicht deutschesten Ort“ und die Proteste gegen ein Asylbewerberheim oder andere mediale Highlights.

Jedes neue Heim, merke die werden nicht in der Nähe der gutsituierten Petitionsschreiber gebaut, stärkt die Vorurteile gegen die Flüchtlinge. Ein Heim für 50 ledige junge Männer in einer Kleinstadt ist nicht förderlich für die Akzeptanz.*

Meines Erachtens nach muss an aber auch Einiges bedenken. Nämlich dass hinter dem Flüchtlingsdrama auch knallharte Geschäftsinteressen stecken. Die Schleuser die die Flüchtlinge auf die Boote packen sind ja keine Menschenfreunde, nein sie nehmen diese aus. Sie nehmen von ihnen Geld für die Überfahrt und es ist ihnen völlig egal ob sie ankommen.

Auch die Diktatoren und pseudodemokratischen Regierungen in den Herkunftsstaaten haben nichts gegen die Flucht. Die Massenflucht erspart ihnen Probleme in ihrem Herrschaftsgebiet.

Aber zurück zu Europa und Deutschland.

Ein Hinweis am Rande, mich kotzt dieser deutsche Nationalismus an. Der von rechts und der von links. Von rechts weil dort die Abschottung gefordert wird und von links weil dort Deutschland als besonders böses Land dargestellt wird, welches am Elend der Welt schuldig ist.

Nehmt Euch mal weniger wichtig!

Weder das Eine noch das Andere stimmt. Der Postkolonialismus und Neokolonialismus der gesamten westlichen Welt hat Afrika allein gelassen und die dortigen Probleme erfolgreich ignoriert. Bemerkt wurden sie erst, als sie in die „erste Welt“ hinüber schwappten.

Nahrungsmittelüberschüsse wurden, als „Spenden“ bezeichnet, in die afrikanischen Länder transportiert, eine medizinische Unterstützung wurde geleistet aber es wurde in keiner Weise der Aufbau einer Infrastruktur, die diese Länder „(über)lebensfähig“ macht, unterstützt. Ergo die Abhängigkeit Afrikas von der „ersten Welt“ wurde zementiert.**

Die Entwicklung der Zivilgesellschaft wurde durch den „kalten Krieg“ bestimmt, also woher die Unterstützung für das jeweilige Land kam. Die Folgen daraus sind die heutigen Regimes.

Die Geschichte können wir nun aber nicht mehr ändern, wir können nur aus ihr lernen.

Man sollte also einen (symbolischen) Zaun um Afrika ziehen und von außen Schilder daran hängen mit „Füttern verboten – Unterstützung erlaubt!“.

Unterstützung mit Lebensmitteln während einer Hungersnot, mit medizinischer Versorgung in Krisenzeiten ist O.K., aber jede weitere Hilfe muss zum Aufbau der afrikanischen Staaten dienen. Zu einem Aufbau wie ihn die Menschen dort wollen. Nicht wie wir es gern hätten.***

Zu den Flüchtlingen sei Folgendes gesagt. Meiner Meinung nach wollen die meisten, ich würde sagen der überwiegende Teil, von ihnen nicht hierher kommen, sie wären lieber zu Hause geblieben – wenn sie denn etwas hätten das diesen Namen verdient.

Die Begriffe „Armutsflüchtlinge“ und „Wirtschaftsflüchtlinge“ treffen es nicht. Man sollte „Hoffnungslosigkeits-Flüchtlinge“ nehmen. Diese Menschen sagen „Es kann nicht schlimmer kommen.“ Und was machen wir?

Wir füttern und kleiden sie und wir „bringen sie unter“. Sie sitzen vor dem Schaufenster, können sogar durch unsere Welt gehen – aber bitte nur als Zuschauer, nicht als Teilnehmer.

Nach Jahren dieses Zustandes fordern wir dann eventuell gnädigerweise „Jetzt müsst Ihr teilnehmen! Aber dalli!“ Wie soll das funktionieren?

Dass es nicht funktioniert haben wir bemerkt. Was nun tun?

Ich meine, die „Käfighaltung“ der Flüchtlinge und Asylbewerber muss aufhören.

Erster Grund ist der o.g. „Schaufenstereffekt“, der den betroffenen Menschen die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben verweigert.

Der zweite Grund ist, dass diese „Einrichtungen“ Unfrieden stiften und Zündstoff für Unruhen bilden. Wie schon gesagt, ich kenne gutsituierte umweltschützende Friedens- und Menschenfreunde die vor bestehenden Asylbewerberheimen protestieren (gegen rechts) aber ein solches Heim in ihrem Wohngebiet „aus Gründen“ nicht wollen – also nicht dulden würden.

Drittens sollte man auch bedenken, dass durch die „Käfighaltung“ die spätere Ghettoisierung vorprogrammiert wird. Wenn ich in einem Land nicht gewollt bin, dann ziehe ich bewusst zu Meinesgleichen.

Also Wohnung, finanzielle Unterstützung, Bildung und das Recht zu arbeiten.

Keine Angst, das Geld kommt wieder in den wirtschaftlichen Kreislauf, liebe Bedenkenträger vom liberalen Flügel. Arbeit gibt es auch, allerdings gibt es auch hier Bedenklichkeiten. Ich kenne Menschenfreunde die keinen Dunkelhäutigen im Dienstleistungssektor einstellen würden. Nicht weil die Kunden das nicht dulden würden sondern weil sie sich unwohl fühlen wenn z.B. ein Schwarzer Müll wegräumt. Sie denken dann an Sklaverei und das Klischee des schwarzen Sklaven.

Mein angolanischer (wenn ich ihn richtig verstanden habe) Straßenkehrer in Plagwitz denkt scheinbar nicht so. Er ist fröhlich und hat einen Job – er nimmt teil an der Gesellschaft.****

Das, was ich mir vorstelle, ist eigentlich nicht viel. Es ist nur eine komplette Änderung der Entwicklungshilfe- und Asylpolitik.

Damit verhindern wir nicht die nächste Flüchtlingskatastrophe vor Lampedusa, aber vielleicht die übernächste. Die Fragen des Zuzuges in die einzelnen EU-Staaten habe ich hier nicht betrachtet. Nicht weil sie unwichtig wären. Aber wenn die Grundlagen in unserem Land nicht geändert werden, dann werden auch die Widerstände und Bedenken in der Bevölkerung nicht geringer. Diese Bedenken sollte man ernst nehmen wenn man es ernst meint, oder?

* M.E. nach ist bei dieser Konstellation die Herkunft der 50 ledigen Männer den Einwohnern sogar egal. Hier geht es weniger um Rassismus sondern um „gefühlte Unsicherheit“ durch diese Gruppe.

** Natürlich gibt es auch andere Hilfsprojekte. Aber ich rede hier vom generellen Zustand. Durch die Spenden wurde sogar die einheimische Landwirtschaft nachhaltig geschädigt.

*** Es gibt ja bereits afrikanische Staaten die die „Entwicklungshilfe“ aus eben jenen Gründen ablehnen.

**** Ich meine hier ausdrücklich nicht, dass die Flüchtlinge in Zukunft unseren Müll wegräumen sollen. Es soll nur das Problem der Bedenklichkeiten illustriert werden. Diese sind u.U. hinderlich.

Der 9. Oktober 1989

und seine Darstellung zum heutigen Lichtfest in Leipzig sind zwei Seiten einer Medaille. Am heutigen Tag wird in Leipzig die friedliche Revolution von 1989 gefeiert und es wird wieder mal auf die Botschaftsflüchtlinge in Prag und die Rolle der damaligen tschechoslowakischen Regierung hingewiesen. Das ist auch richtig und wichtig trifft aber den 9. Oktober 1989 nur am Rande.

An diesem Tag gingen nämlich die Initiatoren und Teilnehmer der Montagsdemonstrationen zwar unter Anderem für die Reisefreiheit der DDR-Bürger auf die Straße, aber die meisten wollten eben nicht die DDR verlassen.

Neben Wir sind das Volk! wurde die trotzige Botschaft an die DDR-Regierung und die Schutz- und Sicherheitsorgane Wir bleiben hier! gerufen. Auch weil diese die Demonstranten mit Ausreisewilligen in einen Topf steckten.

Eine Öffnung der Grenzen für den Reiseverkehr war natürlich erwünscht, aber nicht das erste Ziel.

Freiheit der Rede, Pluralismus und das Ende der totalen, anlasslosen Überwachung durch die o.g. Organe waren wichtiger.

Der Staat und natürlich die führende Partei misstrauten ihren Bürgern. Ohne Ausnahme und ohne konkreten Anlass. Sie misstrauten der Arbeiter- und Bauernklasse, die sie eigentlich repräsentieren sollten.

Von vielen wurden die Flüchtlinge geradezu als nebensächlich für das Erreichen der Ziele betrachtet.

Einen Joachim Gauck oder eine Angela Merkel kannte kein Mensch. Wir hatten kaum personalisierte Helden.

Als der Abend vorbei war und keine Schüsse gefallen waren, fragte mich ein junger Wachtmeister der Bereitschaftspolizei „Haben wir jetzt verloren Genosse?“

Er fragte den Falschen, spätestens seit dem 11.09.1989* (meinem persönlichen nine/eleven) war ich für diese Frage der falsche Ansprechpartner.

Ich antwortete damals ziemlich harsch mit der Gegenfrage ob er lieber auf seine Mitbürger geschossen hätte.

Heute kann ich nur sagen „Ja Genosse Wachtmeister, wir haben verloren.“ Zumindest in einem Punkt.

Wir kämpfen weiter (oder wieder) gegen die totale und anlasslose Überwachung durch „Schutz- und Sicherheitsorgane“. Pluralismus ist auch nicht mehr gefragt und bis die Redefreiheit eingeschränkt wird bedarf es nur noch einiger Schritte.

Der Staat und natürlich die Regierung misstrauen ihren Bürgern. Ohne Ausnahme und ohne konkreten Anlass. Dem Bürger, den sie repräsentieren (sollten).

Aber reisen dürfen wir in die ganze Welt.

Wem das genügt …

* Am 11.09.1989 gab ich ein Schreiben (keinen Ausreiseantrag) ab welches weitreichende Konsequenzen für mein Leben in der DDR hatte. Ich erläutere das hier nicht näher. Ich war kein Held – ich hatte nur genug davon.

Das Nachtreten gegen einen am Boden liegenden Gegner

ist feige, falsch, verlogen und lenkt von der eigenen Schwäche ab. Das ist ein Fazit welches ich aus dem Nach-Wahlkampf 2013 ziehe.

Mit dieser Meinung stehe ich wohl nicht alleine, aber raus muss es doch.

Besonders zwei Parteien liegen in der medialen Sicht am Boden, nun wird unter dem Deckmäntelchen der politischen und gesellschaftlichen Analyse genüsslich nachgetreten.

Einer der großen Verlierer der btw13 heißt dort FDP. Gegner und Befürworter dieser Partei sind sich einig, dass diese Partei wichtig ist. Die Gegner halten sie für so wichtig, dass sie endgültig zerstört werden muss. Man muss so lange auf die liegenden Reste eintreten bis nichts mehr übrig bleibt. Die Befürworter halten sie für wichtig weil sie das Wort „Liberal“ im Namen hat und stilisieren sie zum letzten Hüter der individuellen Freiheit in der politischen Landschaft Deutschlands herauf.

Der zweite Verlierer sind die Piraten. Dort das Gleiche, treten durch Gegner und zum Unterschied zur FDP durch ehemalige Funktionäre und Sympathisanten. Allerdings fehlt hier im medialen Echo die Verteidigung.

Ist das nun wirklich so wie dargestellt?

Verloren bei der btw13 hat tatsächlich der Gedanke der Freiheit (lat. libertas) in zwei Erscheinungsformen. In der Form des Wirtschafts- und Marktliberalismus bei der FDP und in der liberitären Form der Gewissens-, Rede- und Meinungsfreiheit der Piraten.

Die Gegner, die jetzt nachtreten, braucht man nicht weiter zu betrachten. Eine Anmerkung nur zu Jan Fleischhauer der meint

„Es gibt nicht nur rechten Pöbel, es gibt auch einen Mob links der Mitte.“ [1]

Nicht alle, die gegen die FDP pöbeln sind links. Genau so wenig wie sich alle Hooligans für Fußball interessieren. Es gibt einen großen Teil bei Twitter, Facebook usw die auch auf die Linke, die Grünen oder die CSU in gleicher Weise hergezogen wären. Weil sie ihren Spass daran haben auf den am Boden Liegenden einzutreten.

Ein gewisser Spott ist aber durchaus gerechtfertigt. Ich kann nicht jahrelang erzählen, dass der Markt alles regelt und mich dann erregen, dass der „Wähler-Markt“ es anders regelt als es mir gefällt.

Aber mal zurück zur Freiheit.

Mir persönlich liegt der liberitäre Ansatz näher als der marktliberale. Was ist also schief gelaufen mit der Rede- und Meinungsfreiheit?

Eigentlich etwas ganz Banales, Einfaches. Das alte Spiel.

Wenn ich Freiheit der Rede für mich reklamiere, dann muss ich sie auch dem Anderen, dem Andersdenkenden zugestehen.

Freiheit der Rede muss zum Dialog, zum Gedankenaustausch führen. Dieser kann durchaus auch die Form des Streites annehmen. Allerdings des konstruktiven Streites, nicht des Niedermachens, des Shitstorms.

Der berühmte Satz von Rosa Luxemburg

„Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden“

geht nämlich weiter. Er heißt vollständig

Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden. Nicht wegen des Fanatismus der »Gerechtigkeit«, sondern weil all das Belebende, Heilsame und Reinigende der politischen Freiheit an diesem Wesen hängt und seine Wirkung versagt, wenn die »Freiheit« zum Privilegium wird.“ [2]

Also ganz einfach in der Theorie.

  • Eine Diskussion wird nicht besser, wenn ich auf meiner Wahrheit bestehe – der Andersdenkende hat seine eigene Wahrheit.
  • Wenn eine „Führung“ bestimmt was die Wahrheit ist, dann haben wir das „Privileg der Freiheit“.

Was brauchen wir also um eine Diskussion und einen konstruktiven Streit zu führen?

Wie wäre es denn mal mit der Akzeptanz des Andersdenkenden.

Gebrauchen wir nämlich den Begriff von Luxemburg, dann denken wir auch daran, dass er denkt – genau wie wir nur mit einem anderen Ergebnis.

Vielleicht klappts dann auch mit dem Nachbarn.

[1] S.P.O.N., Der schwarze Kanal, FDP Hass by Jan Fleischhauer

[2] Rosa Luxemburg, Die russische Revolution. Eine kritische Würdigung, Berlin 1920 S. 109; Rosa Luxemburg – Gesammelte Werke Band 4, S. 359, Anmerkung 3 Dietz Verlag Berlin (Ost), 1983( zitiert nach wikiquote)