BILD, oder der Drall in der Berichterstattung

Ich habe mir heute früh eine BILD gekauft um zu sehen, wie die Folgen der Anschläge von Paris dort verarbeitet wurden.

Nochmals der Hinweis: BILD bildet zwar nicht wirklich, aber Du weißt wenigstens was Dein Nachbar so liest und wo seine Argumente her kommen.

Bereits auf Seite 2, ich weiß zwar nicht ob das jemand außer mir gelesen hat, der tägliche BILD-Kommentar, diesmal von Ernst Elitz, mit der Kernaussage „Menschenschutz geht vor Datenschutz“. Im Klartext bedeutet das, wir brauchen Vorratsdatenspeicherung (VDS) und alle anderen Instrumente der anlasslosen Totalüberwachung. Warum wundert mich das nicht? Weil es wieder mal um das Supergrundrecht Sicherheit geht, wie zu erwarten war.

Im Kommentar wird auch schon auf den Justizminister Heiko Maas negativ hingewiesen, das Thema wird dann auf Seite 5 „GroKo-Zoff um Sicherheitsgesetze“ weiter ausgeführt. Thomas de Maiziere forderte die Wiedereinführung der VDS mit der Begründung „Der Anschlag von Paris unterstreicht hier die Dringlichkeit.“ Von Seiten der BILD natürlich kein Hinweis, dass Frankreich dieselbe hat.

Auch die Forderung nach Reisebeschränkungen für Dschihadisten, also nach dem eingeschränkt gültigen Personalausweis, wird wieder einmal erhoben.

Die Antwort von Heiko Maas geht da etwas unter, er spricht richtigerweise von der „Verfolgung mit der ganzen Härte des Rechtsstaates“ und weist (mit etwas anderer Wortwahl) darauf hin, dass schnelle Entscheidungen in einer emotional aufgeladenen Situation nicht zielführend sind.

Es ist alles drin im Artikel für eine sachliche Berichterstattung, aber durch die Reihenfolge und Ausführlichkeit der Argumentationen der Sicherheitsfanatiker, natürlich auch durch die Formulierung „Und was sagt der kritisierte Minister dazu?“ ist der Drall der Berichterstattung in Richtung CDU/CSU deutlich zu erkennen.

Das Interview mit Michael Flynn, dem besten Terrorexperten Amerikas (BILD), ist inhaltlich interessant, aber im Sinne des Dralls steht die letzte Frage im Vordergrund:

BILD: Welchen Effekt hatten die Snowden Enthüllungen für die Terror-Bekämpfung?

Flynn:Ganz offen, Das war ein Dämpfer für unsere Fähigkeit, Überwachung so zu betreiben, wie man es tun muss, um solche Anschläge zu verhindern, besonders in Europa.

Man könnte nun daraus schließen, dass der Sinn der Aussage ist: Wäre Snowden nicht gewesen, dann hätten wir den Anschlag verhindern können.

Genug aus der BILD zitiert, wenn mein Nachbar diese Argumente anbringt, dann weiß ich wenigstens woher er sie hat.Ob es sich lohnt ihm zu erklären, dass Frankreich die VDS hat oder ihn auf die vielen im Laufe der letzten Tage veröffentlichten Kenntnisse der Geheimdienste über die Täter (hier ist von mangelnden Fähigkeiten der Datenerfassung durch die Geheimdienste nichts zu spüren) hinzuweisen, weiß ich nicht.

Ich werde es aber versuchen.

P.S. Mein Nachbar ist natürlich eine fiktive Person die ich in einigen Artikeln benutze.

Die ich rief, die Geister …

Viele von uns haben in der Schule den Zauberlehrling gehasst, heute könnte man ihn als Pflichtlektüre für Politiker und so genannte Journalisten der BILD-Zeitung(?) empfehlen. Kennt ihr die Stelle noch?

Herr und Meister! hör mich rufen! –

Ach, da kommt der Meister!

Herr, die Not ist groß!

Die ich rief, die Geister

werd ich nun nicht los.

Und wie sie alle heute nach dem Meister rufen, fast könnte man meinen sie hätten nicht bemerkt was sie anrichten.

was-interessiert-mich-mein-geschwatz-von-gestern-konrad-adenauer-100697So bringt heute die BILD einen Artikel über „Perfide PEGIDA-Parolen“ und fragt sich warum so viele auf diese hereinfallen.

Die Antwort ist recht einfach, es sind die Geister, die unter anderem die BILD gerufen hat. So wurde zum Beispiel am 13.10.2012 der damalige Bundes-Innenminister Hans-Peter Friedrich gefragt „Was tun Sie gegen Asylmissbrauch?“ Wie nicht anders zu erwarten, wurde bereits in der Einleitung über einen rasanten Anstieg der Flüchtlingszahlen gesprochen. Auch bei der Vorstellung des Buches „Deutschland schafft sich ab“ wurden genüsslich Termini wie soziale Belastungen einer ungesteuerten Migration und gesunder Selbstbehauptungswillen als Nation unters Volk gebracht.

Das sind Einzelbeispiele die Tendenzen aufzeigen. Das alles führt zu PEGIDA & Co. diese Propaganda führt zu den Mitläufern.

Ich sprach einleitend von den BILD-Journalisten und von Politikern, genannt habe ich schon der ehemalige BIM Friedrich. Dieser folgt aber auch nur strikt der Parteilinie der CDU.

Und heute kennen die Politiker und Jounalisten die alten Thesen nicht mehr, getreu dem Adenauer Spruch „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern.“ betrachtet man PEGIDA & Co als ein von der eigenen jahrelangen Propaganda losgelöstes Phänomen.

Unter diesem Gesichtspunkt, könnte man geradezu Verständnis für den jetzigen BIM haben, der seinerseits Verständnis für die PEGIDA-Demonstranten und ihre Sorgen hat. Leider ist mit:

„Diese Sorgen müssen wir ernst nehmen, damit müssen wir uns auseinandersetzen.“

nicht die Selbsterkenntnis verbunden, dass man diese Sorgen und Ängste erst selbst geschürt hat.

Geradezu exemplarisch für die Politik der CDU ist auch die Rede von Angela Merkel auf dem Bundesparteitag der CDU. Wenn sie von Zuwanderung spricht, geht es um sichere Herkunftsländer, also Ablehnung von Asylanträgen, und Hunderte neue Stellen im Bundesamt für Migration, nicht um die betroffenen Menschen.

Über die CSU lohnt es sich nicht zu reden, auch wenn die Problematik auch in Bayern erkannt wurde haben die bayerischen Christsozialen nichts besseres zu tun als die Forderung zu erheben, die Migranten mögen doch auch im Wohnzimmer Deutsch sprechen. Es ist wohl nur der katholischen Prüderie zu verdanken, dass sie nicht fürs Schlafzimmer auch Sprachkurse für Liebesgeflüster oder dirty-talk anbieten wollen.

Ich möchte die Entstehung der jetzigen Situation nicht nur der BILD und den C-Pateien anlasten, auch viele andere haben einen Anteil am Zuwanderer Bild in der Gesellschaft. Alle können für sich prüfen, ob sie auch zu Thesen neigen oder geneigt haben die PEGIDA & Co befördert haben.

Die Geister sind gerufen und es wird kein Meister kommen, der sie wieder an die Kette legt oder in die Ecke stellt. Das ist auch gut so, denn der Meister sagt ja:

Denn als Geister

ruft euch nur zu diesem Zwecke,

erst hervor der alte Meister.

Diese Macht wollen wir ja niemandem geben.

Es bleibt nur die Kleinarbeit im eigenen Umfeld die Sympathisanten, die auf die BILD und CDU Thesen hereingefallen sind, zu überzeugen, dass PEGIDA & Co der falsche Weg sind. Da gibt es viel zu tun, die Ablehnung gegenüber den Flüchtlingen und anderen Migranten kann nur durch persönliches Kennenlernen beseitigt werden.

Ich habe da auch kein Patentrezept, außer nie zu schweigen wenn in meinem Umfeld diese Thesen auftauchen. Andere mögen Gegendemonstrationen oder Blockaden favorisieren. Ich weiß nicht was der richtige Weg ist, aber wir müssen alle etwas tun.

Ich habe noch nicht über Streiks geschrieben,

das muss ich doch gleich nachholen. Aber keine Angst, ich habe nicht die Absicht mich zum GDL-Streik zu positionieren.

Mir geht es um die mediale Betrachtung von Streiks im Allgemeinen, besonders um die Verarbeitung in den Mainstreammedien. Eine Liste der „üblichen Verdächtigen“ findet man in der VG Media.

Für diese Medien gibt es „gute Streiks“ und „böse Streiks“. Diese Einordnung liegt ausdrücklich nicht an den Forderungen die durch die entsprechende Gewerkschaft erhoben werden, noch an deren Berechtigung. Eingeordnet wird der Streik ausschließlich am bestreikten Unternehmen.

So haben wir als Paradebeispiel den „guten Streik“ bei amazon. Dort wird kritiklos die Forderung nach der Gültigkeit des Tarifvertrages Einzelhandel für die Beschäftigten unterstützt. Ob nun der Einzelhandelstarif für amazon-Beschäftigte wirklich zutrifft ist unwesentlich.*

Sollte beim online-Händler ZALANDO in Zukunft gestreikt werden, dann werden die Medien wahrscheinlich die Frage stellen, ob die dort ausgefürte Tätigkeit Handelstätigkeit oder Lagerarbeit ist. Weil ZALANDO kein Konkurrent ist. Übrigens, dort gibt es keinen Tarifvertrag – interessiert aber niemanden.

Viel wichtiger ist, dass das US-Unternehmen amazon in vielen Bereichen ein Konkurrent der Medienkonzerne ist, oder es werden könnte. Damit ist der Streik „gut“.

In dem Falle ist auch ver.di gut.

Anders beim Streik der GDL, hier geht es nicht gegen einen Konkurrenten also können die Medien gegen die böse Gewerkschaft und ihren bahnsinnigen Chef argumentieren. Auch hier ist es nicht wichtig ob der Streik berechtigt ist.

Die Medienkonzerne haben, wie alle Konzerne, einen gemeinsamen Feind. Dieser Feind sind „unkooperative Gewerkschaften“. „Kooperative Gewerkschaften“ sollten eigentlich ein Widerspruch in sich selbst sein.

Auch ver.di und die EVG sind also nur momentan die „guten Gewerkschaften“, das kann sich beim nächsten Streik ändern.

* Ich habe nicht die Absicht die Forderung der amazon-Beschäftigten in Frage zu stellen. Es handelt sich um ein Bespiel der Darstellung in den Medien.

P.S. Ein Hinweis noch zum Streik der GDL. Schlagzeilen wie Opfer des Monster-Streiks! Zeigen nur eines: Streiks tun weh und erregen Aufmerksamkeit. Das ist das Ziel von Streiks. SPD-Politiker und bundesdeutsche Gewerkschaftler begrüßten früher sogar Generalstreiks – allerdings die im Ausland.