Stadtentwicklungsplan Verkehr und öffentlicher Raum

Wenn man Politik (besonders Kommunalpolitik) betreiben will, dann muss man sich mit dem Begriff an und für sich auseinander setzen. So umfasst der Begriff im ursprünglichen Sinne des antiken Griechenland „… alle diejenigen Tätigkeiten, Gegenstände und Fragestellungen, die das Gemeinwesen – und das hieß zu dieser Zeit: die Polis – betrafen.“ [1]

Angewandt wird diese Begriff allerdings mehr in der mittelalterlichen Form, zurückgehend auf Niccolò Machiavelli der diese als Instrument zur Erringung und zum Erhalt von Macht definierte.

Bei meinen Betrachtungen zur Verkehrspolitik gehe ich also im antiken Ansatz von der Rolle der Polis (Stadt) aus. Grund dafür ist, dass Verkehrspolitik nicht in erster Linie von Fernstrecken abhängt. Das größte Potential steckt in den innerstädtischen Verkehrswegen. Da ich Leipziger bin betrachte ich meine Stadt. Meines Erachtens nach lässt sich die Betrachtung aber in modifizierter Form auf andere Städte anwenden.

Bevor ich mich mit den Details beschäftige stellt sich mir die Frage

Wie ernst ist den Politikern die Forderung nach einer neuen Verkehrspolitik?“

Diese Frage ergibt sich zwangsläufig aus der Tatsache, dass Deutschland im allgemeinen und Leipzig im speziellen „am Tropf der Automobilindustrie hängen“. Eine Abnahme des „motorisierten Individualverkehrs“ bringt zwangsläufig eine Verringerung der Absatzzahlen dieser Industrie und der damit verbundenen Wirtschaftszweige mit sich. Die Folgen sind allseits bekannt. Aber ich gehe so absurd dies erscheint davon aus, dass die Politiker ihre programmatische Forderung auch ernst meinen.

„Stadtentwicklungsplan Verkehr und öffentlicher Raum“[*] für Leipzig ist der zugegebenermaßen etwas sperrige Name eines knapp 100 Seiten umfassenden Papiers der Stadt Leipzig. Früher nannte man so etwas „Generalverkehrsplan“. Die Autoren des o.g. Papiers bemühen sich um wissenschaftliche Herangehensweise an das Problem, wobei ich aber die reine Empirie als hauptsächliches Instrument sehe.

Das o.g. Papier habe ich weitestgehend gelesen und ich habe ein Standardwerk aus meiner Studienzeit zu Vergleichszwecken herangezogen. Dieses ist „Stadt und Verkehr“, Autor Hermann H. Saitz, transpress Verlag für Verkehrswesen, Berlin 1979. Ich erspare mir hier aber Einzelverweise, die Gesamtproblematik war aber dieselbe.

An dieser Stelle zwei Vorbemerkungen um Missverständnissen vorzubeugen.

1. Ich bin kein Verkehrsplaner. Dieses Themengebiet war in meinem Studium als Ingenieur für „Kraftfahrzeugtechnik“ nur ein Randgebiet. Man erwarte also an dieser Stelle keine wissenschaftliche Abhandlung.

2. Ich bin nicht gegen Autofahrer. Meiner Meinung nach muss man den motorisierten Individualverkehr nicht abschaffen – man muss dem Autofahrer attraktive Möglichkeiten anbieten auf andere Verkehrsmittel umzusteigen.

Meine erste Kritik ist die fehlende Verknüpfung der einzelnen Verkehrsarten als roter Faden durch den ganzen Plan. Es werden einzeln Fußverkehr, Radverkehr, ÖPNV und motorisierter Individualverkehr abgehandelt und erst am Ende der eher halbherzige Versuch einer Verknüpfung unternommen.

Ich betrachte den folgenden Ansatz aber als den wichtigsten:

Wenn man einen ernsthaften Ausstieg aus dem motorisierten Individualverkehr erreichen will dann ist an erster Stelle zu betrachten, dass der Fußverkehr eine herausragende Bedeutung annehmen wird.

Das mag absurd erscheinen, ist aber so. Mit dem Abschied vom motorisierten Individualverkehr wird aber jeder Bürger an mehreren Stellen der Teilnahme am öffentlichen Verkehr zum Fußgänger.

Nachfolgend einige Erklärungen für die m.E. nach notwendigen Maßnahmen. Ich beziehe mich hierbei teilweise auf das genannte Papier, in diesem Fall sind die Seiten- und Absatznummerierungen angegeben.

1. Barrierefreiheit

Unter 4.1.1. „Ausgangsbedingungen“ auf Seite 10 bis Seite 13 wird dieser Punkt behandelt. Allerdings unter dem Fokus behinderter, mobilitätseingeschränkter und schwächerer Verkehrsteilnehmer.

Der Ansatz mag ehrenwert und „propagandistisch wertvoll“ sein, er ist aber völlig daneben. Sieht man von Blinden-Leitsystemen und Behindertenparkplätzen ab, sind diese Maßnahmen wichtig für die Gesamtbevölkerung. Wenn man wirklich einen Umstieg auf den ÖPNV will. Ich habe das an anderer Stelle [2] schon einmal angesprochen. Will man diesen Umstieg dann will man auch, dass der Bürger seine Einkaufswege mit dem ÖPNV erledigt. Das wiederum bringt mit sich, dass eine vermehrte Anzahl von Menschen schwer bepackt oder mit Transporthilfen versehen den ÖPNV benutzt. Dazu braucht man natürlich genau die Maßnahmen die „mobilitätseingeschränkte Verkehrsteilnehmer“ benötigen. Diese Personengruppe muss also keine „Extras“ erhalten – es ist nicht nur für diese – es ist für alle nötig. Ohne Wenn und Aber.

Weiter in den nächsten Tagen mit dem Hauptthema Fußverkehr.

[*] Das Papier der Stadt Leipzig findet man hier: http://www.leipzig.de/umwelt-und-verkehr/verkehrsplanung/

Fahrscheinloser ÖPNV – zu teuer?

Wie versprochen komme ich noch mal auf den ÖPNV in Leipzig zurück. Nach den Ausführungen zum Nacht-, Samstags und Sonntagsverkehr steht nun der fahrscheinlose ÖPNV auf dem Zettel.

Bei Diskussionen bekam ich immer wieder das Argument zu hören „Wer soll das bezahlen?“. Abgesehen davon, dass dies kein Argument ist muss  das erst mal durchgerechnet werden. Dazu braucht werden Zahlen gebraucht.

Bremen hat das hier vorgemacht. Ich zitiere:

„Schon heute ist der Ticketpreis politische Verhandlungssache und deckt nicht die realen Kosten: Mit 54 Millionen Euro glich Bremen 2012 Verluste der BSAG aus. Den Fuhrpark von 220 Bussen und 110 Straßenbahnen zu bewegen, kostete im gleichen Jahr 161 Millionen Euro. Das ist die Summe, um die es Pollock geht: Auf alle 660.000 Bremer umgelegt, macht das 20 Euro pro Monat – fünf Euro weniger, als Bremer Hartz-IV-Empfänger heute für ihr Sozialticket zahlen.“

In Leipzig wird das nicht viel anders sein.

Wobei ich aber noch auf einen Mangel in der Rechnung hinweisen möchte. Ob das eingerechnet ist weiß ich nicht, aber es ist nicht ausdrücklich erwähnt.

Um welche Summe es geht steht erst fest, wenn die Kosten für die Fahrscheinerlöse bekannt sind.

Die Kosten für:

– Fahrscheinautomaten und Entwerter, inkl.Wartung, Instandsetzung und Ersatz. Da gehören auch die Kosten für das Versiegeln während der Silvesternacht dazu.

– internen Verwaltungsaufwand für die Einnahmen. Das führe ich nicht weiter aus. Es gehören aber sämtlich Kosten der LVB für Monatskarten, Ticketverkauf, Rechnungsführung (für denselben), Mahnwesen, Fahrscheinkontrolle usw dazu.

– Abschläge (Provisionen) für den Verkauf bei externen Händlern.

Es gibt wahrscheinlich noch Kosten die ich hier nicht kenne. Aber es zeigt, dass es nur um den Betrag

Einnahmen durch Fahrscheinverkauf –[minus] Kosten für denselben

geht.

Wenn diese Differenz bekannt ist, erst dann kann gerechnet werden wie ein fahrscheinloser ÖPNV finanziert werden kann.

Eine Überprüfung der eventuellen Spitzengehälter des Managements der 7 Töchter der LVB – Gruppe, zur Kostenreduzierung, wäre natürlich evt. förderlich.

Ein Thema für die Piraten in Leipzig zur Kommunalwahl 2014?

Gegen Autofahrer oder für Bürger?

Was für ein Tag dieser 13. Januar 2014, also der gestrige an dem ich an diesem Artikel „arbeitete“. Sascha Lobo erklärte als Spezialist das Internet kaputt,  Christopher Lauer die Piratenpartei zur Mitmach-Airline, meine piratigen Freunde sich auf Twitter gegenseitig als abartig (die Auswürfe erspare ich mir) und ich beschäftige mich mit den „geringeren Dingen“ wie dem öffentlichen Personen-Nahverkehr (ÖPNV) in Leipzig.

Hintergrund ist natürlich die Kommunalwahl am 25. Mai dieses Jahres an der wir Piraten erstmalig teilnehmen. Da wird der Stadtrat gewählt und man sollte vielleicht ein paar Weichen stellen, woraus meine erneute Beschäftigung mit der LVB resultiert. Die „Niederungen der Tagespolitik“ sind mir somit wichtiger als die großen Entwürfe. Auf geht’s.

So wie in der Überschrift beschrieben könnte man die Differenzen zwischen den Grünen und mir beschreiben wenn es um den ÖPNV geht. In Einem sind wir uns aber wohl einig. Es müssen neue und bessere Angebote für diesen geschaffen werden. Diese Angebote werden, wenn es sie denn gibt, zu weniger Autos auf den Straßen führen. Mein Ausgangspunkt dabei ist weniger die Umwelt als die „Bürgerfreundlichkeit“. Der „böse Autofahrer“ ist auch ein Bürger, man darf also nicht gegen ihn – man muss mit ihm gemeinsam kämpfen.

Ich beginne einfach mit einigen Vorschlägen, natürlich für meine Heimatstadt Leipzig. Also eine Frage zur derzeitigen Situation. Antworten habe ich nicht, nur Meinungen.

Warum fahren einige Leute Auto, obwohl sie es sich erstens eigentlich nicht leisten können und sie es zweitens eigentlich nicht wollen?

Da kommen Grundprobleme des Leipziger ÖPNV (nachfolgend LVB genannt) ins Spiel. Als Erstes die Fahrpläne. Diese beruhen auf einer Teilung der Woche in Werktage, Samstage, Sonn und Feiertage. Innerhalb der Werktage gibt es dann noch die Stoßzeiten, die Abend- und  Nachtstunden. Samstage, Sonn- und Feiertage sind ebenfalls in Stoßzeiten und andere Zeiten unterteilt. Diese Unterteilung, in der derzeitigen Form, mag noch in den 90er Jahren ihre Berechtigung gehabt haben – aber heute? Eine wachsende Anzahl von Bürgern arbeitet auch in den späten Abendstunden, bis in die Nacht hinein und an Samstagen und Sonntagen. Die Auswirkungen der Fahrpläne für diese beschreibe ich jetzt nicht, habe ich schon getan. Diese Bürger gehören aber zum großen Teil zu der Gruppe die in der einführenden Frage mit „erstens“ beschrieben wurde. Beispiele sind Reinigungskräfte, Verkaufspersonal, Security, Pflegepersonal, Callcentermitarbeiter, Angestellte in der Gastronomie und Hotellerie usw. Ich kann hier nicht alle aufzählen. Sie haben eines gemeinsam – die meisten bekommen ein eher geringes Gehalt.

Ein kleiner Seitenhieb, den ich mir nicht verkneifen kann, an die Adresse der Grünen. Nein, das Fahrrad ist nicht für alle eine Alternative. Es sind Ältere und Behinderte darunter, aber auch die anderen können nicht unbedingt mit dem Fahrhrad zur Arbeit fahren. Nicht nur lange Arbeitswege sind ein Hindernis, auch die Ausstattung in den Firmen. Ich habe zwar einen Fahrradstellplatz in der Firma aber nur einen Kleiderhaken und ein Schließfach in der Größe einer Aktentasche. Umziehen bei schlechtem Wetter oder Wechselkleidung entfällt. Deshalb fahre ich nur bei schönem Wetter mit dem Rad.

Wir brauchen meiner Meinung nach einen anderen Nacht- Samstags- und Sonntagsfahrplan. Bis zu 45 Minuten Wartezeit auf den Nachtbus (nur ein Beispiel) mögen diesen für den Partygänger noch attraktiv erscheinen lassen. Jemanden der seine Schicht beeendet hat hält es von der Fahrt mit der LVB ab. Es sei denn man hat keine Alternative.

Ich höre schon die Stimmen die da sagen „Aber die Kosten“. Ehrlich gesagt sind diese mir zwar nicht egal aber sie sind zweitrangig. Die Bahnen sind da, der Strom ist in der Leitung, bleibt also das Fahrpersonal und die Wartungskosten. Da sollte doch etwas möglich sein.

Ein Hinweis noch sei mir zum Thema Fahrpläne gestattet. Es gibt kein Gesetz welches eine Nacht-Linie auf die Streckenführung einer Tag-Linie zwingt. Es gibt aber Weichen im Schienennetz. Vorstellbar wäre also durchaus eine intelligente Nacht-Streckenführung, die abweichend vom Tagverkehr mit dem Drehpunkt Innenstadtring geführt wird.

Wie schon gesagt, im Schienennetz gibt es Weichen – die muss man vielleicht mal neu stellen um den Bürger zum ÖPNV zu bringen.

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P.S. Demnächst einige Überlegungen zu den Linienplänen,Fahrpreisen und zur Frage „Wollen wir Straßenbahn fahren oder in einem Verkehrsmittel mit preisgekröntem Design und Fernsehern?“