Autos können die Welt nicht retten, oder?

Zur Einleitung sei mir eine kleine Fiktion des Jahres 2040 gestattet.

Seit einem Jahr sind Benzin- und Dieselautos in Leipzig verboten, die Straßen werden von autonomen Elektroautos (AEA) dominiert. Am Morgen eines sommerlichen Werktages gegen 04.00 Uhr, stehen in ehemals wild zugeparkten Straßen diese AEAs mit 20 cm Abstand zueinander wie an einer Schnur aufgereiht – ein schönes ordentliches Bild. Dieses ändert sich, als gegen 5.30 Uhr die Autos leise schnurrend erwachen, autonom ausparken und sich auf die Suche nach ihrem Besitzer begeben. Da der Parkraum knapp ist löst sich der morgendliche autonome Stau gegen 07.00 Uhr auf, als jedes Auto seinen Besitzer gefunden hat. Dieser steigt mit einem Coffee-To-Go und Smartphone ein und beginnt seine Fahrt zur Arbeitsstelle. Der allmorgendliche Stau auf dem Weg dahin ist nicht so schlimm, denn seit er sich nicht mehr mit dem Fahrzeug beschäftigen muss, loggt er sich schon mal ins Firmennetzwerk ein und beginnt mit der Arbeit. Am Arbeitsplatz angekommen, steigt der Besitzer des AEA aus und dieses begibt sich leise surrend auf die Suche nach einem Parkplatz für den Tag.

Hier breche ich ab.

Es sei mir hier eine persönliche Betrachtung gestattet. Ich war 1976 stolz als ich mein erstes Auto kaufte (Bild). Autofahren machte Spaß und es war uncool mit der Straßenbahn zu fahren. Heute fahre ich Fahrrad oder ÖPNV, nicht weil ich Autogegner bin, sondern weil das Autofahren purer Stress für mich geworden ist.

Ein wenig Geschichte

my car
Wirklich mein erstes Auto!

Seit meinem ersten Auto (Baujahr 1962, 45 PS, 12 l Benzin 79 Oktan/100 km, Einkreisbremssystem, Diagonalreifen) hat sich vieles geändert und ich konnte das live miterleben, unter anderem als Mitarbeiter beim Straßendienst des ADAC. Das Gewicht der Fahrzeuge hat sich verringert, die Motorenleistung ist gestiegen bei gleichzeitigem Rückgang des Verbrauchs und des Schadstoffausstoßes. Auch die Sicherheitsvorkehrungen haben sich verbessert. Sicherheitsgurt, ABS, ESP und ähnliche Vorrichtungen schützen den Autofahrer und bedingt auch andere Verkehrsteilnehmer. Jetzt kommt die nächste Stufe: Für die Umwelt soll es der Elektroantrieb sein und für die Sicherheit der Fahrassistent, dieser soll in der höchsten Stufe den Fahrer völlig ersetzen.

Stimmt das alles so?

Ich gebe zu, dass ich da skeptisch bin. Das Elektroauto soll mit Öko-Strom betrieben werden, aber der ökologische Fußabdruck der Solar- und Windanlagen ist für mich noch nicht völlig nachvollziehbar. Das heißt: Wann wird dieser ökologische Fußabdruck, zieht man den Material- und Energieaufwand für Produktion, Aufstellung und Unterhaltung in Betracht, wirklich kleiner? Was passiert, wenn die Anlagen der ersten Generation ersetzt werden müssen? Gleiches gilt für das Auto selbst, besonders für die Akkumulatoren. Auch hier gilt: Ich bin kein Gegner der Energiewende, aber in welcher Form sind Autos ein Garant für diese?

Mein größtes Problem ist aber das autonome Auto. Nun hat unser allseits beliebter Herr Bundesverkehrsminister Dobrindt eine Ethikkommission einberufen um ethische (besser rechtliche) Fragen des autonomen Fahrzeuges zu klären.

Brauchen wir autonome Autos?

Ich werde später auf die Frage eingehen, ob wir überhaupt immer mehr Autos brauchen. Aber hier schon mal ein Zitat aus einem älteren Beitrag, welches meine Desillusion für eine vernünftige Verkehrspolitik ausdrückt:

Wie ernst ist den Politikern die Forderung nach einer neuen Verkehrspolitik?

Diese Frage ergibt sich zwangsläufig aus der Tatsache, dass Deutschland im allgemeinen und Leipzig im speziellen „am Tropf der Automobilindustrie hängen“. Eine Abnahme des „motorisierten Individualverkehrs“ bringt zwangsläufig eine Verringerung der Absatzzahlen dieser Industrie und der damit verbundenen Wirtschaftszweige mit sich.

Für mich ist das autonome Auto für den motorisierten Individualverkehr einfach eine Absurdität. Es mag sein, dass der Fahrassistent eine Gefahr schneller erkennt als ein menschlicher Fahrer und effizienter reagieren kann, aber was bedeutet das? Das Auto fährt mit einer angepassten Geschwindigkeit (natürlich orientiert an der zulässigen Höchstgeschwindigkeit) auf dem effektivsten Weg (gesteuert über GPS, gekoppelt mit der aktuellen Verkehrslage) von A nach B. Tritt eine Gefahrensituation auf, dann entscheidet das Auto nach Effizienzkriterien – also dem geringst möglichen Schaden über die Reaktion.

Wo sind die ethischen Aspekte?

Ich habe mit Absicht meine Vision an den Anfang des Artikels gestellt. Wenn das autonome Auto erst einmal eingeführt und für den Straßenverkehr zugelassen ist, dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis dem Gesetzgeber einfällt, dass nur noch dieses im Straßenverkehr genutzt werden darf. Dafür gibt es einen einfachen Grund: Der Fahrassistent macht nicht die Fehler menschlicher Fahrer. Dominiert dann das fehlerfreie autonome Auto, sind es nur noch Fußgänger und Radfahrer die Fehlerquellen im Straßenverkehr darstellen. Diese werden also juristisch gesehen generell die Verursacher von Unfällen sein, sieht man von technischem Versagen ab. Dem Effizienzkriterium des Fahrassistenten, welcher ja ethisch und juristisch programmiert sein wird, entspricht es dann eher, einen Fußgänger (schuldig) zu verletzen als den Insassen eines anderen autonomen Autos (schuldlos). Der Fahrassistent entscheidet dann vielleicht noch zwischen den verschiedenen Fußgängern und Radfahrern, die er verletzen könnte, aber damit hat es sich.

Wo hat die Fiktion Anhänger?

Wo ist die Anhängerschaft des autonomen Autos zu finden. Die Hardcore-Fans finden sich gehäuft in den Vorstandsetagen der DAX-Konzerne (für Deutschland). Wen wundert es, es geht schließlich letztendlich um die Erneuerung des gesamten Kfz-Bestandes. Die Politik handelt hier wieder als Interessenvertreter der Wirtschaft. Für Juristen ist die Einführung autonomer Autos ebenfalls ein Glücksfall. Nachdem das Rechtssystem die Digitalisierung des merkelschen Neulandes verpasst hat, wollen sie hier von vornherein dabei sein. Es geht um Gesetzesänderungen, Zulassungen für den Straßenverkehr, Haftungsfragen aber auch um die grundsätzliche Frage des Führerscheinrechts. Braucht der Mensch noch einen solchen, wenn nur noch das Ziel eingegeben werden muss? Da gibt es über viele Jahre viel Geld zu verdienen.

Brauchen wir autonome Autos?autonomeAutos

Etwas scherzhaft haben es die Freunde von CriticalmassMuenchen mit dem nebenstehenden Tweet ausgedrückt. Aber ganz ernsthaft: Wir brauchen autonome Autos nicht als Massenware für den motorisierten Individualverkehr. Wir brauchen neue ÖPNV-Konzepte, Car-Sharing, Verbesserung der Infrastruktur für Radfahrer und Fußgänger und alles was den motorisierten Individualverkehr überflüssig macht – ganz ohne Feindschaft zu autofahrenden Mitmenschen.

Hast Du schon mal daran gedacht im Callcenter zu arbeiten?

Der Artikel wurde am 12.01.2017 ergänzt.

Wenn ich meinen Leser oder meine Leserin, also Dich, mit Du anspreche soll das keine Intimität vorgaukeln sondern Dich darauf vorbereiten, dass im Callcenter das „Du“ die übliche Form der Anrede ist. Aber wir sind ja alle erwachsen und wissen, dass es trotzdem Hierarchien gibt. Im Callcenter sind die allerdings relativ flach und überschaubar.

Wie komme ich darauf, dass ausgerechnet Du im Callcenter arbeiten würdest?

Ganz einfach, Du meinst ja immer, die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen dort wären alle unfähig und Du könntest es viel besser. Oder Du bist arbeitslos und selbst Dein Sachbearbeiter bei der Jobagentur, von Bekannten und Verwandten ganz abgesehen, meint, Callcenter wäre unter Deiner Würde oder entspräche gar nicht Deinen Bildungsabschlüssen – Du wärst für eine solche Tätigkeit völlig überqualifiziert.

Das sind allerdings eher Gründe, es doch einmal zu versuchen.

Was kommt auf Dich zu?

Was ein Callcenter ist und was ein Callcenter-Agent macht habe ich bereits mehrfach auf meine Weise beschrieben. Wenn es Dich interessiert, klicke einfach den entsprechenden Link.

In der Kurzfassung würde das so klingen:

  •  Du hast meist Schichtdienste
  •  arbeiten an Wochenenden und Feiertagen ist normal
  •  der Job ist stressig und hart (von wegen „Telefonieren kann ja jeder“)
  •  in Deinem Umfeld hast Du eventuell den unteren sozialen Status
  • für viele Kunden bist Du der Prellbock zum Auftraggeber (das ist freundlich ausgedrückt)

Dem entgegen steht:

  •  Du kannst es besser machen als die, über die Du Dich beschwerst
  •  der Job ist interessanter als die meisten denken
  •  du hast meist tolle Kollegen und Kolleginnen (die anderen leider auch)
  •  Du bekommst Anerkennung von den Kunden – wenn Du den Job gut machst

Argumente wie: Du verdienst Geld, Du hast Arbeit usw. überlasse ich den Mitarbeitern der Jobagentur oder, wenn Du noch so jung bist, Deinen Eltern.

Was bekommst Du für Deine Arbeit?

Hier kann ich natürlich nur für das Callcenter reden, in dem ich arbeite, das ist aber das beste von den drei Callcentern, in denen ich schon war.

Auf jeden Fall bekommst Du zu wenig; das will ich Dir nicht verschweigen.

Übrigens ich bin selbst an der Hotline als Callcenter-Agent und nebenbei Betriebsratsmitglied – jedenfalls bin ich kein professioneller Recruiter. Ich habe andere Intentionen für diesen Artikel. Der erste Grund ist eine Wette. Ich meine: Du bewirbst Dich weil oder obwohl ich die Wahrheit über den Job schreibe. Einige meiner Korrektoren zweifeln daran. Der zweite Grund ist: Wir suchen Mitarbeiter mit Motivation.

Also hier ganz sachlich die Konditionen:*

  • Gehalt: 1.500 € bei einer 40-Stunden-Woche (unten stehende Ergänzung beachten)
  • Einstellung mit unbefristetem Arbeitsvertrag
  • Urlaub: im ersten Jahr 22 Tage, ab dem 2. Jahr 25 Tage,
  • Jobticket mit Arbeitgeber-Zuzahlung von 5,01 € (das bedeutet Du sparst 22% bei einem ABO basic der LVB für die Zone Leipzig).
  • Zuschlag für Sonn- und Feiertagsarbeit, sowie für Nachtschichten

Natürlich erfolgt eine Einarbeitung, nach meiner eigenen Erfahrung eine gute, zu Beginn des Arbeitsverhältnisses.

Über Provisionen (besser leistungsabhängige Zuschläge) will ich nicht reden. Es gibt sie, aber die sind in den einzelnen Projekten verschieden und ich weiß ja nicht ob Du sie so schnell erreichst. Auch die überall versprochenen Aufstiegschancen bestehen natürlich. Ob Du sie nutzt liegt nicht nur an Dir, es liegt auch daran, ob freie Stellen für Führungskräfte da sind. Ich sprach oben von flachen Hierarchien, das bedeutet auch, dass es viele Indianer und nur wenige Häuptlinge gibt.

Was musst Du mitbringen?

Als erstes Motivation, oder wie die jüngeren Kollegen sagen „Du musst Bock auf den Job haben“. Ich habe das in einem Artikel mal so ausgedrückt:

Kann das Spaß machen?

Sehen wir es doch sportlich: Mitarbeiter werden, wenn sie es lange genug aushalten, zu Troubleshootern. Aufgebrachte Kunden beruhigen, ärgerlichen Kunden ein Lachen abringen – das macht Spaß und ist oft befriedigend. Probleme lösen oder die Lösung anstoßen macht auch Spaß.

Ansonsten brauchst Du Grundkenntnisse am Computer und die grundlegende Beherrschung der deutschen Sprache in Wort und Schrift. Der Rest ist Lernen und Übung. Ein dickes Fell ist hilfreich aber nicht Grundbedingung, angemessene Umgangsformen sind aber eine solche.

Wenn Du das gelesen hast, also bis hier durchgehalten hast, stelle ich Dir nochmal die einleitende Frage:

Hast Du schon mal daran gedacht im Callcenter zu arbeiten?“

Wenn ja, dann melde Dich. Wenn du in Leipzig und Umgebung wohnst, dann melde dich doch bei uns, andere Standorte* deutschlandweit findest Du hier.

Für Fragen, Kritiken und Beschimpfungen stehe ich Dir natürlich auf den üblichen social-media-Kanälen zur Verfügung.

Disclaimer: Ich werde für diesen Artikel von meiner Firma nicht bezahlt. Also spare Dir die Frage. Richtig ist, ich möchte neue Kollegen und Kolleginnen, die ich gewarnt habe.

Ergänzung, Änderung zum 01.01.2017

Seit dem 01.01.2017 gibt es ein Grundgehalt von 1.600,00 € für Vollbeschäftigte (40-Stunden-Woche) bei uns.*

* die genannten Konditionen weichen an den anderen Standorten ab.

30. Januar – update

IMG_20150130_194838Wie zur Bestätigung meines gestrigen Artikels waren es gestern nur 1.500 Legida-Teilnehmer. Die Mitläufer waren wohl ausgeblieben. Lag das am Fußball im Fernsehen, am schlechten Wetter oder woran sonst?

War es vielleicht die Erkenntnis den falschen Leuten hinterherzulaufen? Die LVZ schrieb jedenfalls im Live-Ticker folgende Meldungen:

++ 18.05 Uhr ++ Aus Richtung Dresden und Meißen sind etwa 50 Personen, anscheinend aus der Neonazi-Szene, am Hauptbahnhof eingetroffen.

++ 19.53 Uhr ++ Unter den Legida-Anhängern sind auffällig viele Neonazis. So unter anderem die regionalen Szene-Größen Thomas Gerlach und Tommy Naumann sowie Dieter Riefling, Vertreter nationaler Kräfte aus Nordrhein-Westfalen. Auch viele Menschen aus dem Spektrum der sogenannten Freien Kräfte sind vor Ort.

Das bestätigt die falsche Richtung die die Proteste nehmen. Scheinbar haben die Mitläufer es gemerkt.

Wichtiger als das wogegen Du zu einer Demo gehst ist es, wem Du hinterherläufst.