DIE ZEIT und der deutsche Held

Auf dem Titelblatt der ZEIT war heute ein stilisierter NVA-Offizier zu sehen mit der Unterschrift Ist das ein deutscher Held?

Es handelt sich hierbei um die Frage, ob man Harald Jäger, den Offizier der am 9. November 1989 den Grenzübergang an der Bornholmer Straße geöffnet hat, als Helden bezeichnen kann.

Man muss hierbei beachten, dass der Bundesminister für Verteidigung diese Frage aufgeworfen hat. Fazit daraus für mich “Unserer Armee gehen die Helden aus!”.

In seiner Rede sagte er:

Lassen sie mich heute – hier in Dresden – darum die Frage aufwerfen, ob man auch in der NVA Traditionswerte finden kann.

Kann vorbildlich genannt werden, wie einige Soldaten der NVA − ihre nahende Auflösung vor Augen − zuverlässig und diszipliniert ihre Waffen und Munitionsbestände vor Missbrauch geschützt haben? Ist es für das Urteil wichtig, dass manche überzeugte Kommunisten waren?

Ein anderes Beispiel: War die Gehorsamsverweigerung des Stasi-Oberstleutnant Harald Jäger am Berliner Grenzübergang Bornholmer Straße am Abend des 9. November 1989 eine vorbildliche Einzeltat? Von seinen Vorgesetzten allein gelassen, hatte dieser, nur auf sein Gewissen hörend, auf eigene Faust entschieden, die Kontrollen einzustellen und die Grenzübergangsstelle zu öffnen.

Ich kann und will für solche Beispiele heute keine Antwort geben. Ich will sie aber zur Diskussion stellen. Was macht es aus, dass aus einer Einzeltat eine Tradition werden kann?

Ich möchte hier nicht auf die Diskussion in der ZEIT eingehen, so interessant sie auch ist.

Aber, Herr Minister, eigentlich war es ja keine Gehorsamsverweigerung die Jäger begangen hat. Seine Vorgesetzten waren nicht erreichbar, oder gaben keine Befehle und ein hohes Regierungsmitglied hatte eine “Reiseregelung” ab sofort verkündet, die missverständlich war. Er versuchte also den Anschein einer Reiseregelung aufrecht zu erhalten, indem er erst noch Ausweise stempeln ließ, später resignierte er einfach.

Resignation ist aber nicht heldenhaft.

Dass die NVA inzwischen durchaus Anteil an den Traditionen der Bundeswehr hat, ist für mich klar. Es wurden ja schließlich Angehörige der NVA integriert.

Nehmen wir doch lieber die als Helden die, trotz großer Bedenken gegen ihren Einsatz, ihre Befehle heute ausführen und dabei fallen oder verwundet werden.

Wir haben eine Schlange an unserem Busen genährt.

Das wäre nun noch ein Ausspruch, der in der Diskussion um die Volksabstimmung in Griechenland fehlt. Aber der klassische Bildungsstand unserer Politiker lässt ja auch zu wünschen übrig. Interessant in diesem Zusammenhang erscheint mir aber, was meine Großmutter dazu gelernt hat. Also habe ich mal in ihr Lesebuch von 1909 geschaut. Siehe da, eine „gar treffliche“ Beschreibung von Wohltaten und Dankbarkeit – die Schlange ist auch dabei. Sieht man nun die Ausführungen des Vaters, am Ende der Fabel, dann ist Lessing doch eigentlich ziemlich aktuell.

Der Knabe und die Schlange

Ein Knabe spielte mit einer zahmen Schlange. „Mein liebes Tierchen“ sagte der Knabe, „ich würde mich mit Dir so gemein nicht machen, wenn Dir das Gift nicht benommen wäre. Ihr Schlangen seid die boshaftesten, undankbarsten Geschöpfe. Ich habe es wohl gelesen, wie es einem armen Landmann ging, der eine vielleicht von Deinen Ureltern, die er halb erfroren unter einer Hecke fand, mitleidig aufhob und sie in seinen erwärmenden Busen steckte. Kaum fühlte sich die Böse wieder, als sie ihren Wohltäter biß, und der gute, freundliche Mann musste sterben.“

„Ich erstaune,“ sagte die Schlange “wie parteiisch Eure Geschichtsschreiber sein müssen. Die unsrigen erzählen die Historie ganz anders. Dein freundlicher Mann glaubte, die Schlange sei wirklich erfroren, und weil es eine von den bunten Schlangen war, so steckte er sie zu sich, um ihr zu Hause die schöne Haut abzustreifen. War das recht?“

„Ach, schweig nur,“ erwiderte der Knabe. „Welcher Undankbare hätte sich nicht zu entschuldigen gewußt!“

„Recht, mein Sohn!“ fiel der Vater, der dieser Unterredung zugehört hatte, dem Knaben ins Wort. „Aber gleichwohl, wenn Du einmal von einem außerordentlichen Undanke hören solltest, so untersuche ja alle Umstände genau, bevor Du einen Menschen mit einem so abscheulichen Schandflecke brandmarken lässest. Wahre Wohltäter haben selten Undankbare verpflichtet; ja ich will zur Ehre der Menschheit hoffen – niemals. Aber die Wohltäter mit kleinen eigennützigen Absichten, die sind es wert, mein Sohn, daß sie Undank anstatt Erkenntlichkeit einwuchern.“

Gotthold Ephraim Lessing, sämtliche Schriften, herausg. v. Lachmann. 3.Aufl. Stuttgart 1886, 1.Bd. S. 207

Spielschulden sind Ehrenschulden? – oder Griechenland und die Volksabstimmung

Die wenigen Leute, die mein Blog lesen, können sich vielleicht noch an meine Überlegungen zum Thema „Wo ist das Geld“ erinnern. Hintergrund der ganzen Geschichte war ja die Euro-Krise die, mit der Verlautbarung der griechischen Regierung über eine geplante Volksabstimmung, eine neue Qualität erreicht hat.

Also der Abschluß meiner damaligen Überlegungen war, dass es gar kein Geld gibt, wir würden nur daran glauben. Also Geld = Vertrauen, oder auch nicht.

Betrachte ich nun die Krise in Griechenland, den Rettungsschirm und die Absicht eine Volksabstimmung über die Annahme der Hilfe durchzuführen, dann muss ich sagen „Hut ab!“.

Zurückgehend auf meine damaligen Überlegungen also erst mal die Frage „Was verlieren oder gewinnen die Banken beim Schuldenschnitt?“

Sie verlieren Geld. Das ist falsch, denn sie haben nie welches gehabt. Eine Eigenkapitalquote von 9% wird angestrebt. Sie hatten also weniger. Viel weniger. Der Rest war geliehen – bei anderen Banken – die genauso nichts hatten.

Sie verlieren Vertrauen. Das ist richtig, allerdings nicht das Vertrauen der Sparer, sondern das Vertrauen in das System. Wenn jeder weiß, dass kein Geld im System ist, dann funktioniert es eben nicht mehr.

Was gewinnen die Banken im Falle des Schuldenschnitts? Eine griechische Staatsanleihe über 1 Mio € ist zur Zeit eigentlich nichts wert. Wird ihnen diese also mit 50% garantiert, dann gewinnen sie 500 000 €.

Was ist nun aber mit der Volksabstimmung? Das griechische Volk muss darüber abstimmen, ob es für die Garantiezahlungen an das Finanzsystem auf seine fiskalische und staatliche Souveränität verzichtet und harte Jahre vor sich hat.

Oder ob sie ihre Souveränität behalten und harte Jahre vor sich haben.

Es ist zwar alles nicht ganz so einfach wie ich es hier schreibe. Aber irgendwie läuft es darauf hinaus.

Wer nun aber beweisen kann um welches Geld es nun wirklich geht, ich meine hier nicht einen virtuellen Vertrauensvorschuss, der hat nach meiner Meinung den nächsten Nobelpreis für Wirtschaft verdient.

Der Begriff Spielschulden in der Überschrift bezieht sich auf den mehrfach erwähnten älteren Artikel.