Niemand hat die Absicht zu überwachen?

Der Kreis schließt sich. Ich meine hier den sinnbildlichen Kreis der anlasslosen Totalüberwachung – was sonst.

Nachdem die BürgerInnen in Deutschland trägerweise nicht bereit waren, für einige Euro Einsparungen bei der Kfz-Versicherung, eine blackbox zur Überwachung in ihre Autos einbauen zu lassen, soll die Mauterfassung das Problem beheben.

Natürlich „hat niemand die Absicht“ uns zu überwachen, genau sowenig wie bei Vorratsdatenspeicherung, Fluggastdatenerfassung und ähnlichen Maßnahmen.

Aber vorsichtshalber hat das Bundeskriminalamt (BKA) schon mal den Zugriff auf die Mautdaten beantragt. Selbstverständlich nur für kriminelle Aktivitäten und nur in Ausnahmefällen.

Der Verkehrsminister das ist der, der die elektronische Mautplakette will, versichert uns im gleichen Artikel, „kein Bürger müsse befürchten, dass mit den Daten Bewegungsprofile gespeichert werden könnten.“

Hallo Herr Dobrindt, wenn die ZEIT-ONLINE das nicht falsch formuliert hat, man kann mit diesen Daten Bewegungsprofile speichern wenn sie erfasst werden.

Man wird das auch tun, wenn man es für erforderlich hält.

Eine Begründung wird sich finden, wie immer. Ob nun Schwerkriminalität, organisierte Kriminalität, Menschenhandel, Terrorismus oder was auch immer.

Sind die Daten einmal erfasst, dann wecken sie Begehrlichkeiten.

Ob die prognostizierten Einnahmen durch die Maut kommen ist fraglich.

Die Überwachung kommt auf jeden Fall. Ob nun früher oder später ist egal.

P.S. Wer den Artikel auf ZEIT-ONLINE aufmerksam gelesen hat, wird sich evt. fragen wie der Schluss „Eine Übermittlung der Daten an andere Behörden sei nicht vorgesehen. So ist es auch im Gesetz für die Lkw-Maut festgelegt.“ mit der Aussage zusammenpasst, dass der „Autobahnschütze“ scheinbar mittels der LKW-Mautdaten ermittelt wurde.

Die Schmuddelkinder der Hightech-Welt,

oder auch die Beschäftigten im Billiglohnsektor, kommen ja nicht von irgendwo her. Vielmehr sind sie ein geduldetes Phänomen der Geiz ist geil! oder Ich bin doch nicht blöd! (Un)Kultur unserer Gesellschaft.

Wohlgemerkt, ich schreibe hier nicht über Textilarbeiterinnen in Bangladesch oder Kinder in indischen Steinbrüchen. Diese sind allgemein als Opfer unserer Wegwerfkultur bekannt und jede/r schämt sich wenn er/sie darauf angesprochen wird. Die Scham bleibt nur völlig folgenlos, wenn die Beschämten danach zu KIK rennen oder für das neue iPhone fast einen Monatslohn hinlegen.

Ich habe irgendwie gerade so die Kurve vom iPhone zu den Schmuddelkindern genommen, wenn ihr das bemerkt habt.

Ich gehe mal davon aus, dass das die meisten meinen, Technik kann ruhig teuer sein – Service muss aber hochwertig und kostenfrei sein. Also holt man sich den Service dort wo er kostenfrei ist und wo man hohe Qualität erwarten kann. Das technische Gerät dort, wo es am billigsten ist.

Hier setzt nun meine Betrachtung zum Billiglohnsektor an, selbstverständlich (weil ich es schreibe) geht es um die Beschäftigten in den Callcentern der Republik.

Es ist nicht der erste Artikel den ich zu dieser Thematik schreibe, aber heute möchte ich eine andere Betrachtung in den Vordergrund rücken.

Ich erinnere an den letzten Artikel, dort schrieb ich:

Antwortete ich auf die Frage, was ich beruflich mache, mit „Ich mache technischen Support für einen Telekommunikationsanbieter“ war das eine interessante Tätigkeit. Sagte ich aber „Ich arbeite in einem Callcenter“, dann war ich der „arme Depp vom Dienst“.

Das meine ich wenn ich von Schmuddelkindern spreche. Die allgemein akzeptierte Annahme, dass die Arbeit im Callcenter eine minderwertige Arbeit ist, entsprechend sind die dort Beschäftigten. In dem Artikel habe ich auch meine Version der Entstehung dieses Images dargestellt. Was muss ein Callcenter-Agent oder eine Callcenter-Agentin aber wirklich leisten?

Noch einmal mein Coming out. Ich arbeite seit 2011 in Callcentern – auf der untersten Ebene, als Callcenter-Agent oder Kundenberater, zur Zeit im technischen Support.

Einen großen Teil meines Fachwissens über Elektronik, Telekommunikation, Internet, Computer, Hard- und Software und weitere im Zusammenhang mit meiner Arbeit stehende Kenntnisse habe ich mitgebracht. Den anderen Teil, den speziell auf den Telekommunikationsanbieter zugeschnittenen, habe ich in einem wirklich guten, wenn auch kurzen, Lehrgang gelernt.

Damit ist schon die erste Forderung der KundInnen beschrieben, sie erwarten einen Fachmann oder eine Fachfrau am anderen Ende. Ist diese Forderung aber berechtigt? Ja, sie ist berechtigt wenn sie sich auf Probleme beschränkt die mit dem Anbieter, dem Telekommunikationsunternehmen, zusammenhängen. Nein, alles was Peripherie, sprich eigene Hard- und Software, ist – das könnt ihr mal schön selber klären. Das Beispiel, ihr kauft beim Ich bin ja nicht blöd! oder Geiz ist geil! ein Modem oder einen Router, dann seht zu wie ihr damit klar kommt. Ich muss den nicht kennen. Warum kauft ihr ihn denn dort? Ach ja, er ist billig – dafür gibt’s kaum Service. Den Service wollt ihr unbezahlt von mir. Ja, unbezahlt – denn dafür bekomme ich kein Geld von meinem Auftraggeber. Ehrlich gesagt mit Recht, denn ich werde bezahlt um Support für seine Produkte zu leisten. Das darf ich euch aber nicht so sagen und damit kommen wir zu eurer zweiten Erwartung.

Die zweite Erwartung ist, dass am anderen Ende ein Kommunikationstalent sitzt. Ein Mensch der euch auch eine, oben beschriebene, Ablehnung verkauft ohne euch weh zu tun. Ich gehe hier mal von mir aus, meine Kommunikation habe ich in ca. 40 Arbeits- und Studienjahren gelernt. Zum oben beschriebenen Lehrgang gehörte natürlich auch Kommunikation – aber ehrlich, in 6 Wochen (davon 3 Theorie) Technik und Kommunikation lernen? Fragt mal jemanden der sich professionell mit Kommunikation beschäftigt, wie lange man braucht um Gesprächsführung professionell zu beherrschen. Im Zusammenhang mit dem Kommunikationstraining wurde uns auch beigebracht, dass wir auf den Kunden eingehen sollen. Klingt gut, das reicht euch aber meist nicht – ihr erwartet mehr.

Ihr erwartet, dass bestenfalls ein Psychiater gekoppelt mit einem Pfarrer am anderen Ende der Leitung sitzt und euch tröstet und aufrichtet wenn ihr nicht klarkommt mit dem Geiz-ist-geil-Gerät. Wenn ich gut gelaunt bin, also meist, bezeichne ich diesen großen Teil meines Jobs als Telefonseelsorge. Habt ihr euch schon einmal überlegt, wie lange einer von den beiden, von euch erwarteten Spezialisten, studieren muss und was der in der Wirtschaft, in der Medizin oder im Pfarramt verdient? Aber eure Erwartung geht noch weiter.

Ihr erwartet einen Menschen der einstecken kann, so eine Art Sparringspartner eines Profiboxers. Den ihr beschimpfen und niedermachen könnt wenn euch danach ist. Ihr erwartet jemanden mit Nehmerqualitäten, wie man im Boxsport sagt.

Was ihr erwartet ist die eine Sache. Was ich persönlich euch mit Erfolg bieten kann ist die andere.

Ich muss hier natürlich einen Schnitt machen zwischen meinen Kunden.

Etwa 50% derselben rufen bei mir an weil ihre Probleme durch meinen Auftraggeber verursacht wurden – an guten Tagen! An schlechten sind es weniger.

40 % habe Probleme die mich nichts angehen, wenn ich mich an meine Vorschriften halte. Was ich aber nicht immer mache.

Etwa 10% brauchen die oben beschriebene Zielscheibe für virtuelle faule Eier und vergammelte Kohlköpfe. Nur 10% sind es an guten Tagen.

Alle wollen eine/n kommunikationsstarke/n, technisch hochkompetente/n TelefonseelsorgerIn mit Nehmerqualitäten.

Wenn Diese/r dann auch noch EntertainerIn ist, dann sind die KundInnen mit dem Schmuddelkind zufrieden.

Übrigens, nicht nur die KundInnen – auch der Chef und der Auftraggeber sind dann mit uns zufrieden.

Und das Schmuddelkind der Hightech-Welt darf sich über den gesetzlichen Mindestlohn freuen – ab Januar 2015. Übrigens, ich habe gehört, der Mindestlohn gefährdet auch in unserer Branche Arbeitsplätze.

Wenn ihr also mal vergleicht was ihr erwartet und was ihr auch oft (viele werden sagen: zu selten) bekommt, gibt es dann einen Grund für das Schmuddelkind-Image?

Zum Abschluss noch eines:

Lieber Kunde, liebe Kundin, lieber Chef und lieber Auftraggeber,

kommunikationsstarke, technisch hochkompetente, telefonseelsorgerische EntertainerInnen mit Nehmerqualitäten die gibt’s nur selten zum Nulltarif.

P.S. Disclaimer: „Mit Geiz ist geil!“ und „Ich bin doch nicht blöd!“ sind ausdrücklich nicht Media Markt und Saturn als Firmen gemeint, es geht um die Mentalität der KundInnen die sich durch diese Werbeslogans beschreiben lässt.

P.P.S. Die Betrachtung kann für jede im Billiglohnsektor verhaftete Branche gemacht werden. Ich habe das Callcenter gewählt, weil dies meine Branche ist.

Der Herr Öttinger,

will also eine Google-Abgabe für geistiges Eigentum. So berichten heute zumindest einige Zeitungen. Leider finde ich den Artikel im Handelsblatt noch nicht online, also nehme ich den Artikel im Kurier.

Mal sehen, die deutsche Politik hat ja gegen Google bereits ein scharfes Schwert geschmiedet, nicht Excalibur sondern Leistungsschutzrecht (LSR). Mit diesem bewaffnet zogen die Verlage der VG Media in den Kampf gegen Google und gewannen einen glorreichen Pyrrhussieg.

Google erklärte den Verzicht auf Snippets in den Suchanzeigen, so wollten es die Verlage der VG Media schließlich. Was diese Verlage aber nicht bedacht hatten war, dass Google bezahlen muss wenn es die Snippets verwenden will. Das LSR beinhaltet nicht, dass Google die Snippets verwenden und dafür zahlen muss. Jetzt gibt es eine widerrufliche Gratiseinwilligung, für die Verwendung der Snippets. Nicht weil Google diese verwenden will, sondern weil die Verlage diese in den Suchanzeigen sehen wollen.

Nach diesem glorreichen Sieg über Google folgt nun Schritt 2, eine Google-Abgabe für geistiges Eigentum, diesmal auf europäischer Ebene.

Günther Öttinger, der designierte EU-Kommissar für digitale Wirtschaft, will jetzt, dass:

„wenn Google ihre intellektuellen Werte aus der EU beziehe und mit diesen arbeite.“*

Google auch dafür bezahlen muss.

Allerdings, tröstlich für uns, bestätigt er auch:

„Wir müssen erst mal definieren, was geistiges Eigentum überhaupt ist.“*

Allerdings beschränkt er geistiges Eigentum auf „…Erzeuger, also der Künstler, Wissenschaftler und Autoren…“*, was die Vermutung zuließe, dass die Verlage aus dem Spiel sind. Sind sie natürlich nicht, schließlich sind sie Rechteinhaber im Sinne des LSR, somit ist für mich die Initiative ein Leistungsschutzrecht auf europäischer Ebene.

Die Forderung nach einer Definition von geistigem Eigentum beruhigt mich allerdings etwas. Damit dürfte vieles was die VG Media an Rechten besitzt wertlos sein – weil geistlos. Ich hoffe, die EU schließt sich meiner Unterscheidung bei geistigem Eigentum an. 🙂

Wenn Google sich zukünftig verweigert für geistiges Eigentum zu zahlen, dann können wir also weiterhin auch im USA-Urlaub sehen, welcher Fußballer sich von seiner Freundin getrennt hat und was BILD davon hält. Das fällt ja wohl nicht unter geistig.

Es wird also nicht so schlimm.

Es wird viel Geld kosten – das ist schlimm.

Es wird den freien Austausch in Wissenschaft, Kunst und Kultur behindern – das ist schlimmer.

P.S. Der Artikel ist „aus der Hüfte geschossen“, kleine Unebenheiten bitte ich zu entschuldigen. Ansonsten gibt es, wie immer, den Verweis auf die Packungsbeilage.

* Die Zitate stammen aus dem Artikel im Kurier