Parlamentarier oder Politiker? Pirat eben.

In den letzten Tagen wurde ich gefragt: „Warum willst Du Politiker werden und das auch noch für die Piraten?“ „Ich will Parlamentarier, also Abgeordneter im Stadtrat Leipzig werden“ war meine stereotype Antwort, das musste ich meist erklären. Also tue ich es hier noch einmal.

Politiker – Parlamentarier

Ich definiere die Begriffe nur für mich, wenn meine Meinung jemandem nicht passt sei es ihm/ihr unbenommen. Politiker bin ich seit geraumer Zeit, also seitdem ich mich öffentlich politisch äußere. Das unterscheidet mich von BerufspolitikerInnen – die verdienen mit Politik ihren Lebensunterhalt. So weit – so klar.

Parlamentarier will ich werden, weil ich meine Ideen in das Parlament, hier den Stadtrat Leipzig, einbringen, dort diskutieren (im Wortsinne von Parlament altfranz. parlement ‚Unterredung‘; französisch parler ‚reden‘) und am Entscheidungsprozess teilnehmen will. Dazu muss ich meine Ideen den WählerInnen vermitteln und sie überzeugen mich zu wählen.

Parlamentarier der Piraten

Für die Piraten trete ich an, weil ich den Ideen der Piratenpartei seit Jahren nahe stehe und diese Partei mich nicht dazu zwingt ein „Parteisoldat“ zu werden. Das heißt, in Übereinstimmung mit der Satzung und den Wahlprogrammen der Piratenpartei und der Piraten Leipzig, bin ich an keinen Partei- oder Fraktionszwang gebunden. Ich kann im Falle meiner Wahl genau die Meinung im Parlament vertreten für die WählerInnen mich gewählt haben. Das ist in anderen Parteien anders, man wählt eine Person und erhält eine Partei-Meinung.

Piraten-Parlamentarier wozu?

Ich habe es in einem älteren Artikel so ausgedrückt:

Wir brauchen ein Parlament welches die „Monarchen“ gern verbieten würden.

Wir brauchen also auch im Stadt-Parlament Menschen die offen und ohne Restriktionen (das nennt man auch Authentizität) die Meinung für die sie gewählt wurden vertreten. Wir brauchen ein Korrektiv im Parlament – ParlamentarierInnen die nicht vor einer um ihre Macht bangende Regierungspartei, oder um die Macht kämpfende Oppositionspartei, gegängelt werden. Einfacher gesagt, wir brauchen Meinungsvielfalt im Parlament. Und wir brauchen die Meinungen derer, die durch die großen Parteien nicht repräsentiert werden.

Parlamentarier und Geld

.Ich habe es oben schon angesprochen, ich will kein Berufspolitiker werden. Abgeordneter im Stadtrat bedeutet nicht etwa ein hohes Gehalt – Abgeordneter ist ein Ehrenamt – das bedeutet in erster Linie viel Arbeit und eine Aufwandsentschädigung. Es bedeutet auch Stress mit meinem Arbeitgeber – Dienstplanverschiebungen wegen Sitzungen u.v.a.m. Das ist mir nicht neu.

Dem stelle ich mich – die anderen auf der Wahlliste der Piraten Leipzig ebenso.

Redet mit uns – fragt uns – dann entscheidet wen ihr wählt.

Ein Hinweis an die Protestwähler radikaler Parteien sei mir noch gestattet:

Wir sehen und hoffentlich an der Wahlurne.

Das verordnete Vergessen

Wenn das „digitale Vergessen“ einsetzt, werden wir das oft sehen.

Noch ist es nicht so weit, aber wir kommend dem „verordneten digitalen Vergessen“ Schritt für Schritt näher. Man möge mich für paranoid halten – der Versuch der Einführung von Upload-Filtern ist für mich ein Schritt hin zu einer „chinesischen Lösung“. Das hat zumindest im Osten Deutschlands eine ungute Tradition, so schwafelte Egon Krenz im September 1989, zum Höhepunkt der Montagsdemonstrationen, von einer solchen. Er meinte die Zerschlagung der Studentenproteste auf dem Platz des Himmlischen Friedens.

Digitales Vergessen

Digitale Medien sind heute ein wichtiger Bestandteil der Kommunikation, Unterhaltung und der Information. Auch wenn wir sagen „Das Internet vergisst nie“, war es doch nie einfacher als heute Menschen zum Schweigen zu bringen. Man lässt sie den digitalen Tod sterben – so wie die chinesische Regierung die Bloggerin Mimeng (Ma Ling). Dem Spiegel war das einen Beitrag unter Personalien auf Seite 127 (14/2019) wert – die meisten Menschen haben davon nichts mitbekommen. Diese Art ist natürlich „eleganter“ als die saudi-arabische Variante – sie ist leise und unauffällig. In China ist das auf Grund der Möglichkeiten restriktiver Eingriffe in das Internet möglich. In Europa noch nicht.

Vergessen und Uploadfilter

Viele werden sagen „Das hat nichts miteinander zu tun“, ich meine aber doch. Der Staat bzw in diesem Falle die EU versucht mit der EU-Richtlinie zum Urheberrechtsschutz und anderen Gesetzen und Verordnungen, besonders zur Terrorismus- und Kriminalitätsbekämpfung, den Einfluss auf Plattformen, Diensteanbieter und somit das Internet als Ganzes zu erlangen. Bisher zu Teilen ohne Sachkenntnis der Protagonisten, aber mit dem Ziel zu reglementieren und im Zweifelsfall zu verbieten. Instrumente wie Uploadfilter, auch Inhaltserkennungstechniken, und gesetzlicher Einfluss auf Diensteanbieter sind dabei hilfreich – also erwünscht.

Digitaler Tod und Vergessen

Für UserInnen ist es fast unmöglich einen selbstbestimmten digitalen Tod zu sterben und das vorherige digitale Leben in Vergessenheit geraten zu lassen. Das Internet vergisst nie, auf den Servern der Diensteanbieter liegt jeder Artikel, jeder Post – „Jeder Furz der im Internet gelassen wird“ ist für die Ewigkeit verfügbar. Bei einer unheiligen Allianz von Staaten und Diensteanbietern sähe das anders aus. Wie die argentinischen Militärs während der Diktatur entschieden welche Menschen „zu verschwinden haben“, so kann dann entschieden werden wen oder was wir „zu vergessen haben“. Bei aller Unmöglichkeit für einen „ selbstbestimmten digitalen Tod“ ist der „verordnete digitale Tod“ möglich.

Wehret den Anfängen

Es ist noch nicht soweit in Deutschland und Europa. Wir haben Demokratie, parlamentarische Kontrolle und wir haben Menschen die sich gegen diese Einschnitte wehren. Wir haben aber auch Menschen die eine Diktatur, egal welcher Coleur, wollen und Menschen denen die Konsequenzen aus ihrem Wahlverhalten nicht klar sind. Ich habe das im Header meines Blogs ausgedrückt, wozu die verschärften Instrumente des Staates letztendlich führen können.

Im 21. Jahrhundert braucht die Diktatur keine Bücherverbrennungen – sie brauchen die Entscheidung über das digitale Vergessen. Momentan schaffen demokratische Politiker dafür die Voraussetzungen.

Hier stehe ich – ich kann nicht anders:

Ich werde wieder die Piratenpartei bei der Europawahl wählen!

Ich kandidiere bei der Stadtratswahl in Leipzig für die Piratenpartei!

Gott helfe mir!*

* Martin Luthers Spruch schien mir passend, obwohl ich nicht gläubig bin.

Bildnachweis: under CCO by mcmurryjulie

Organspende – Widerspruchslösung

Es sei mir verziehen, wenn nicht ist das auch nicht schlimm, ich bin eindeutig gegen die von Jens Spahn & Co. angedachte Widerspruchslösung.
Ich kann das natürlich begründen.
Zuerst der übliche Einwand: Durch diese Regelung wäre die Organspende keine Spende im Wortsinne, es entsteht vielmehr das Recht zur Organentnahme bei allen die nicht widersprochen haben. Das aber nur nebenbei.
Wir machen jetzt ein wenig science fiction (?).
Ich sehe hier eine Verkettung von zwei für mich wichtigen Neuerungen.

Widerspruchslösung
Abgesehen von dem Zwang zur Entscheidung und der Bekundung des Widerspruchs bei einer Behörde, was auch eine Änderung erschwert, entsteht eine Datenbank der Nicht-Spender – somit auch eine der potentiellen Spender. Das heißt, wer nicht in der erst genannten Datenbank steht ist ein Spender. Datenbanken mit persönlichen Daten und der Datenaustausch sind, besonders wenn sie von unseren Behörden betrieben werden, potentiell missbrauchsgefährdet.

Die Einführung von KI im Gesundheitswesen
Das mag einigen LeserInnen unverständlich erscheinen, ich erläutere das gern. Die Ausgangsbedingungen sind ja bereits vorhanden, wir haben ein profitorientiertes Gesundheitswesen. Dort wird nach Effektivitätskriterien entschieden ob z.B. eine morbide 80jährige noch ein künstliches Gelenk bekommt, oder vielleicht doch als dauerhaft bettlägerig ins Pflegeheim geschickt wird. Das bedeutet für mich, es wird eine auf Effektivität programmierte KI im Gesundheitswesen eingeführt werden. In Zukunft reden wir bei den Entscheidungssträgern nicht mehr von ÄrztInnen oder Ethik-Kommissionen, wir reden von einer „eiskalt effektiven“ KI.

Ein Beispiel
Ich komme also nach einem schweren Unfall in die Notaufnahme – es steht auf der Kippe (also 50:50) – und ich habe keinen Widerspruch eingelegt.Nach den ersten Eingaben meiner persönlichen Daten und der ersten Untersuchungsergebnisse in das Computersystem stellt die KI fest: Es ist effektiver die lebenserhaltenden Maßnahmen einzustellen und die Organe zu entnehmen und zu transplantieren.
Effektiver heißt hier: Die Klinik verdient mehr Geld mit der Organentnahme und Transplantation, als mit der Lebensrettung.
Der heroische Kampf des Teams der Notaufnahme um mein Leben findet nicht statt.
Habe ich Widerspruch eingelegt, dann gibt es für die KI keine Alternative. Die Klinik verdient nur wenn ich lebe.
Somit hätte der Widerspruch mein Leben gerettet.

Ist das undenkbar?
Nein, das ist Orientierung am Profit – das ist das Ergebnis der Privatisierung der Daseinsfürsorge.

Disclaimer: Obwohl ich es bereits angesprochen habe, nochmals der Hinweis: Ich behaupte nicht, dass ÄrztInnen ihre Pflicht verletzen werden – sie werden diese Entscheidung nicht mehr treffen dürfen. Ich beschreibe hier ein ganz normales System welches Profit generiert. Den privatisierten Teil unseres Gesundheitssystems.

Bildachweis: under CCO by geralt (bearbeitet)