Das einzige Problem – ist die Sprache

“Wenn man sich die fast wöchentlich hochkochenden Diskussionen um politisch korrekte Sprache betrachtet, bekommt man schnell das Gefühl, der Deutschen einziges Problem” [1] mit dem Rassismus, sei der Verzehr eines Zigeunerschnitzels und eines Negerkusses. Beiläufig auch die Verwendung des Wortes Neger bei Pippi Langstrumpf.

Anatol Stefanowitsch verzeihe mir die (fast) wörtliche Übernahme seiner Worte zur Einleitung meines Beitrages. Aber die Steilvorlage war zu gut.

Man verzeihe dem Ingenieur wenn er sich mit dem Professor anlegt, nur bin ich des Denkens selbst mächtig und habe es satt mir, wenn auch nur durch die Zugehörigkeit zu einem beanstandeten Volk, ständig Rassismus und Konservatismus vorhalten zu lassen.

Die Frage, die ich mir hier stelle ist

„Kann man mit Zigeunerschnitzeln und Negerküssen ein Sommerloch füllen?“

Scheinbar kann man es.

Wer mir nun Rassismus unterstellt, den verweise ich auf meinen Beitrag zu diesem. Allgemein, wie immer, auf die Packungsbeilage.

Aber fangen wir doch mal an. Ich esse kein Zigeunerschnitzel, betrachte dies auch nicht als „Deutsches Kulturgut“, nein ich esse wenn mir danach ist ein Schweinesteak mit Lecsó. So kenne ich es aus Ungarn und Lecsó ist etwas anderes als diese fade undefinierbare Sauce die dem Zigeunerschnitzel eigen ist.

Aber zurück zum Begriff. Reduzieren wir die Betrachtung doch mal nicht auf den beanstandeten Begriff. Der Begriff Zigeuner, im Zusammenhang mit Ernährung, wird zwar für das unsägliche so genannte Schnitzel vielleicht erst seit den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts benutzt. Schaut man aber in das Grimmsche Wörterbuch, dann findet man Zigeunerfleisch. Dieses ist das Synonym für  „fleisch, das bei ausflügen im freien gebraten wird“ [2], ergo für ein Leibgericht der Deutschen. Seien wir also froh, dass die historische Betrachtung nicht dazu führt, dass jedes Sommerloch in Gartenvereinen, auf Campingplätzen, Balkonen und Parks mit Zigeunerfleisch gefüllt wird.

Aber ich komme vom Thema ab, nur der Ausgangsartikel verleitete mich zur historischen Betrachtung.

Das Grundproblem der rein sprachlichen Betrachtung des Rassismus ist m.E. nach ein Anderes. Nämlich die Augenwischerei, dass durch die Beseitigung anstössiger Worte der Rassismus beseitigt wird.

Beseitigen wir also die beanstandeten Worte, so werden andere Worte und Taten an deren Stelle treten. Oder es bleibt einfach alles so wie es ist, nur ohne die Worte.

Wenn es also in Zukunft heißt, dass Professorin A.S. im Bremer Sprachblog schreibt (wie an der Leipziger Uni – Ihr erinnert Euch), dann ist nicht etwa eine Frau sondern nach wie vor ein Mann gemeint. Wir haben nur ein Wort geändert.

Wenn es ein Schnitzel mit Paprikasauce in den Gaststätten gibt, wird kein Sinti oder Roma, in Deutschland oder anderswo, mehr geachtet und akzeptiert. Wir haben dann ein Wort geändert.

Die geforderte „Sprachgerechtigkeit“ ist nämlich noch lange keine Gerechtigkeit, sie kann durchaus der Verschleierung der Zustände dienen.

Es gibt also viel zu tun. Die Änderung von Begriffen ist dabei vielleicht wichtig, aber längst nicht das Wichtigste.

Ein Hinweis noch zum Mythos des Zigeuners. die Etymologie des Wortes wird häufig so dargestellt, als ob es eine Verballhornung des Begriffes „Ziehender Gauner“ ist. Die oben schon erwähnten Gebr. Grimm schreiben aber dazu:

„1) name und geschichte: als im jahre 1417 ein trupp Zigeuner zum ersten mal deutschen boden betrat und die städte Magdeburg, Hamburg, Lübeck, Wismar, Rostock berührte, nannten sie sich angeblich de Secanen, mit einem namen, welcher dem tschech. cikán und im abstande dem ungar. tzigany, rumän. sigan, poln., russ.cygan entspricht, einer namenreihe, in der sich der weg des östlichen wandervolkes abzeichnet.“ Quelle [2]

Also ein Name, keine diskriminierende Bezeichnung. Diese wurde erst später daraus.

Ein weiterer Hinweis ist, dass ich die Verwendung des Wortes Zigeuner, in Verbindung mit gleichnamigem „Schnitzel“, durchaus diskriminierend finde. Allerdings weil hier einer Volksgruppe schlechter Geschmack unterstellt wird.

Problematisch finde ich auch die Überschrift des Artikels von A.S. – Das konterkarierte Volkslied (19.Jh.)  ist nicht in erster Linie als rassistisch zu betrachten. Hier ist die Sehnsucht nach Ungebundenheit von der Scholle und Repressalien (…brauchen dem Kaiser kein Zins zu geben…) in naiver Weise auf den vermeintlich freien Zigeuner, der natürlich ein Stereotyp ist, reflektiert. Nicht mehr und nicht weniger.

[1] Auszug aus “Lustig ist das Rassistenleben

[2] Das Deutsche Wörterbuch von Jakob und Wilhelm Grimm http://urts55.uni-trier.de:8080/Projekte/DWB

Warum nur Worte? – Noch mal zur Literatur

Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage. Ich kann Ihnen auch nicht helfen.

Irgendwo (ich werde wohl langsam alt) habe ich schon mal geschrieben, dass wiederholte Äußerungen zu einem Thema nicht mein Ding sind. Aber nach den, teils unsäglichen, Diskussionen der letzten Tage gehe ich nochmal in mich und schreibe nochmal etwas zum Thema.

Ich bin immer noch gegen die nachträgliche Veränderung der Literatur.

Lustig am Thema ist allerdings das Eine. Es geht um einzelne Worte. Ich wiederhole diese hier nicht (ab und zu schon), Ihr wisst ja alle welche gemeint sind. Wer die Literatur nicht ändern will, der wird teilweise als ignorant (schlimmeres ist möglich/üblich), wer diese ändern will, der ist Angehöriger der Sprachpolizei.

Aber was ändert sich durch das Ersetzen des Negerkönigs in Südseekönig?

Betrachten wir doch mal das Standardwerk der Diskussion (Pippi Langstrumpf), dann müsste man ja noch vieles ändern. Die Begründung, dass man den Negerkönig-Kontext einem Kind nur schwer vermitteln kann ist etwas zu kurz gegriffen.

Wie vermitteln wir denn dann einem Kind folgende Inhalte des Buches?

1. Pippi liebt und bewundert ihren Vater, obwohl er ein schlechter Vater ist. Er lässt sie allein, treibt sich in der Welt herum und schreibt immer mal, dass er sie holen würde. Würde sie nicht eine Therapie brauchen?

2. Pippi lebt allein mit ihren, evt. nicht artgerecht gehaltenen Tieren, in einem Haus. Die marode Bausubstanz und die mangelnden hygienischen Bedingungen sind geradezu unerträglich.

3. Pippi geht nicht zur Schule und lebt von Geld dessen Herkunft dubios ist.

4. Es wird als heldenhaft dargestellt, dass sie die Vertreter der Staatsmacht vertreibt. Obwohl diese nur ihr Bestes wollen.

5. Sie hält ihre Freunde von einem normalen gesellschaftlichen, altersgerechten, Leben ab.

Erklärt nun mal Euren Kindern, warum sie die Heldin des Buches ist.

Ach ja, das ist ja eine Art Märchen, historisch bedingt ist der Handlungsstrang in dem sich ein Mädchen in einer von Männern dominierten Welt durchsetzt. Warum fällt nun die Erklärung des Begriffes Negerkönig so schwer?

Andere Frage. Warum fällt es leichter ganze Bücher, oder Artikel, über korrekten Sprachgebrauch zu schreiben als ein neues Kinderbuch? Dieses könnte dann in Wortwahl und Handlung korrekt, der heutigen Zeit angepasst, sein.

Nochmals, ich habe es schon öfter betont, ich bestehe nicht darauf die Worte im allgemeinen Sprachgebrauch zu verwenden. Aber muss deshalb die Literatur (Und ja, auch Kinderbücher können dazu gehören) umgeschrieben werden?

Einige Fragen, die sich aus Märchen ergeben könnten:

-Warum haben die Eltern von Hänsel und Gretel nicht Bezüge lt SGB II beantragt?

-Warum hat sich Schneewittchen keinen Anwalt genommen?

-Warum mussten die kleinwüchsigen Männer die Bergwerksarbeit klaglos erdulden? Muss man nun Zwerge auch ersetzen?

-Warum musste Aschenputtel Kinderarbeit leisten, gab es kein Jugendamt?

Aus Huckleberry Finn könnte sich die Frage nach der Gewerkschaft der Landarbeiter erheben.

Sind wir nun wirklich fähig komplexe historische Zusammenhänge zu erklären, Worte aber nicht?

Ergo, es bleibt wohl nur der Vorschlag übrig, diese Bücher den Kindern nicht mehr zuzumuten. Ob mit oder ohne Änderungen.

P.S. Wenn ein Autor, in diesem Falle Otto Preußler, einer nachträglichen Änderung zustimmt, dann ist das seine Sache. Es ist sein Werk.

Deutsche Sprache – oder wie redet man am besten aneinander vorbei

Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage. Ich kann Ihnen auch nicht helfen.

Gestern Abend, bei ZDF log in, standen die Thesen „Die deutsche Sprache muss geschützt werden“ gegen „Es soll jeder so reden wie er will“. Das Thema wurde durch mich an dieser Stelle vereinfacht beschrieben, aber das hier ist ja mein Blog.

Besonders bemerkenswert an der Diskussion war, dass beide Diskutanten und die Moderatoren sich, m.E. nach, an Äußerlichkeiten aufhielten. Dazu komme ich aber später.

Wie schon auf G+ geschrieben, war Anatol Stefanowitsch verdienter Sieger – allein schon wegen seines Umganges mit der deutschen Sprache. Allerdings wurde das Voting (vulgo Abstimmung), durch die Vorstellung der rechten Anhänger der Sprachpflege, durchaus zu seinen Gunsten beeinflusst.

Aber kommen wir mal zu dem Problem der deutschen Sprache.

Deutsche Sprache muss nicht geschützt, sie muss einfach nur gesprochen und geschrieben werden.

Das ist meine Meinung zum Thema.

Warum wurde und wird die deutsche Hochsprache (Hochdeutsch) eigentlich benötigt?

Ich sage ganz einfach, damit sich die Deutschen untereinander verständigen können. Persönlich habe ich durchaus Schwierigkeiten einen Pfälzer oder Bayern zu verstehen. Die verstehen mich eher auch nicht wenn wir alle unseren Dialekt sprechen. Dafür haben wir das (Hoch)Deutsch.

Ob wir nun „Kiezdeutsch“ als Dialekt anerkennen oder nicht, das ist eigentlich egal. Der aus dem einen, evt. russisch beeinflussten, Kiez wird den aus dem anderen, vielleicht türkisch beeinflussten, Kiez ohne die Vermittlung durch eine gemeinsame Sprache kaum verstehen.

Das ist aber nur das eine Problem, es interessiert mich eigentlich nur wenig.

Ich stelle mir mehr die Fragen „Warum muss/soll es in einer Demokratie eine gemeinsame Sprache geben?“ und „Warum sollen alle diese so gut wie möglich beherrschen?“

Auch hier ist die Geschichte hilfreich. Die, ich sage mal, „Unterstellungsverhältnisse“ in der Gesellschaft wurden (und werden) immer auch durch die Sprache zementiert.

Ob wir nun das klerikale Latein, das adelige Französisch oder das bürgerliche Hochdeutsch nehmen. Die Herrschenden sprachen eine Sprache die von den Beherrschten nur rudimentär, wenn überhaupt, verstanden wurde.

Da kam nun die Alphabetisierung ins Spiel. Historisch gesehen gerade (vor)gestern. Es ging dabei nicht nur um das Lernen der Schriftsprache, es ging um das Erlernen der Sprache.

Durch die Alphabetisierung der Masse des Volkes wurde auch erst die Teilhabe an der Gesellschaft, außerhalb der Region (oder des Kiez) möglich. Ohne die gemeinsame Sprache wird dies aufs Spiel gesetzt.

Sprache verbindet und Sprache schließt aus.

Also, meiner Meinung nach, brauchen wir die gemeinsame Sprache. Da wir in Deutschland sind, bleibt es wohl Deutsch.

Wenn wir mal (wirklich) in Europa sind, dann mag es vielleicht Esperanto, vielleicht aber auch Englisch sein (da müsste man aber z.B. die Franzosen fragen). Das ist aber noch ein langer Weg.

Also sprechen wir Deutsch. Sächsisch, bayerisch, turkteutonisch oder andere Dialekte und Kiezsprachen mögen ihre Berechtigung haben, aber nur unter Gleichsprachigen. Und vor Allem sprechen wir ein Deutsch, welches alle Bevölkerungsschichten verstehen.

P.S. Zu den Lehnworten sei nur so viel gesagt, mir sind sie egal. Nur sollte der der sie verwendet auch dem der sie nicht kennt, erklären können was sie bedeuten.