Solidaritätszuschlag und Populismus

Der Solidaritätszuschlag (Soli) soll abgeschafft werden, ganz oder nur für die „unteren Einkommensgruppen“ – ist das möglich, gerecht oder einfach populistisch?

Solidaritätszuschlag, was ist das?

Der Soli wurde 1991 als „Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer“, zweckgebunden zur Finanzierung „verschiedener Mehrbelastungen“ eingeführt und 1995 unbefristet zur „Finanzierung der Kosten der Deutschen Einheit“ im Solidaritätszuschlaggesetz 1995 (SolzG 1995) fixiert.

Man kann sich trefflich streiten, ob die Deutsche Einheit noch Kosten verursacht. Das ist aber egal, der Soli soll abgeschafft werden. Darüber besteht ein weitestgehender Konsens.

Wer zahlt Solidaritätszuschlag?

Entgegen weit verbreiteter Meinungen, die teils von verschiedenen Medien verbreitet wurden, unterscheidet das Gesetz nicht zwischen Ost und West. Der Soli wird bundesweit für Steuerpflichtige (gem. Einkommenssteuer-, Außensteuer- und Körperschaftssteuergesetz) nach SolzG §2 erhoben. Es gibt natürlich Einkommens- und Bemessungsgrenzen, somit wird der Soli nicht von allen Steuerpflichtigen in voller Höhe gezahlt. Wer dazu näheres wissen will, dem empfehle ich den Wikipedia-Artikel zum Einstieg. Wichtig ist hier, dass kaum ArbeitnehmerInnen im Mindestlohnbereich den vollen Solidaritätszuschlag, wenn überhaupt, zahlen.

Historisch gesehen haben tatsächlich mehr westdeutsche als ostdeutsche SteuerzahlerInnen höhere Beträge gezahlt. Das erklärt sich aus den Einkommensunterschieden in Ost und West. Abgesehen davon ist natürlich die Anzahl der westdeutschen SteuerzahlerInnen weitaus höher.

Soli abschaffen – geht das?

Das geht einfach, das Gesetz kann durch den Bundestag beendet werden. Eine Zustimmung der Länder ist nicht erforderlich.

Soli nur noch für „Reiche“?

Das ist, meines Erachtens nach, nicht so einfach. Theoretisch könnte die Bemessungsgrenze nach oben verändert werden, dann stellt sich aber die Frage nach dem Solidarprinzip, wie es zum Beispiel das Sozialversicherungsrecht kennt. Wenn die Solidarität nur noch eine von Besserverdienenden gegenüber den unteren Einkommensschichten sein soll, dann würde der Solidaritätszuschlag zu einem „Reichenzuschlag“ werden.

Ist ein „Reichenzuschlag“ populistisch?

Meiner Meinung nach ist er das. Ehrlicher wäre es, endlich die Ausnahmen für die wirklich reichen Menschen in der Steuergesetzgebung zu schließen. Auch die Wiedereinführung einer Vermögenssteuer wäre ehrlicher als „Soli nur für Reiche“. Dieser klingt zwar gut, aber beim Blick auf den Lohn/Gehaltszettel oder die Einkommenssteuererklärung wird vielen NiedriglöhnerInnen auffallen, dass sich für sie mit der Soli-Abschaffung kaum etwas ändert. Da der Solidaritätszuschlagssatz sich auf den Einkommens- bzw. Körperschaftsteuerbetrag berechnet, würde voraussichtlich das Schließen von Steuerschlupflöchern mehr Geld einbringen, als dieser „Reichenzuschlag“.

Das allerdings ist nicht so populär. Warum eigentlich?

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Wer mit wem und warum?

Die Frage stellt sich bei den Koalitionsverhandlungen nach der Wahl eigentlich nicht. Die CDU/CSU führt mit der SPD Koalitionsverhandlungen. Mein Tipp, es gibt eine große Koalition.

Verhandelt wird ja nur über die Ministerposten für die SPD und die so genannte Steuererhöhung, zumindest wenn man der Berichterstattung* glauben darf.

Ersteres ist relativ uninteressant, das Zweite ein glatter Wahlbetrug.

Ein Wahlbetrug nicht von Seiten der CDU/CSU sondern von Seiten der SPD. Diese hatte in ihrem Regierungsprogramm (S66 ff) viele Vorschläge für eine weitreichende Steuerreform gemacht. Übrig geblieben ist die Reichensteuer. Wo bleibt der Partnerschaftstarif? Zu dem heißt es dort:

„Mit dieser Umgestaltung passen wir das Steuerrecht in einem ganz zentralen Bereich der Einkommensbesteuerung den Realitäten unserer heutigen Gesellschaft an und erreichen mehr Steuergerechtigkeit. Darüber hinaus wollen wir Alleinerziehende steuerlich gerechter behandeln.“ [1]

Wo bleibt die Transaktionssteuer, wo der Abbau von Subventionen?

Eine Steilvorlage für CDU/CSU die ihren Wählern ja nur erklären müssen, dass die sog. Steuererhöhung sie kaum betrifft. Die wirklich Reichen haben nach wie vor Instrumentarien zur Steuervermeidung. Sie zahlen ja jetzt schon kaum wirklich den Spitzensteuersatz. Dieser ist nur eine Berechnungsgrundlage.

Man bedenke, dass von 118 Seiten eines Wahl Regierungsprogramms gerade mal ein Absatz als wichtig für die Koalitionsverhandlungen erachtet wird – von Seiten der SPD.

Wenn also die SPD die Reichensteuer durchsetzt und sonst nichts, dann hat sie sich für ein paar Ministerposten verkauft. Und sie wird das noch als Sieg feiern.

Warum also nicht eine Minderheitsregierung durch CDU/CSU?

Würde diese zur Regierungsunfähigkeit führen?

Ja, das würde sie wohl, aber nicht weil die Anderen alles anders machen würden. Sondern weil sie selbst vernünftige und gute Vorschläge blockieren würden. Weil sie es könnten!

Wen interessiert schon das Volk?

Ich habe CDU nicht gewählt und ich bin mit dem Wahlergebnis nicht zufrieden. Neuwahlen sind für mich aber auch keine Alternative. Aber dieses Koalitionspoker ist würde- und nutzlos.

*Der Artikel ist nur zur Illustration gedacht

[1] SPD – Das Regierungsprogramm 2013-2017, S. 67