Demokratie muss wehtun!

Das meint zumindest Kathrin Passig in ihrem neuen Artikel. Stimmt das so?

Ich meine grundlegend ist da schon was dran, wenn ich auch nicht von Schmerz sprechen möchte.

„Demokratie muss anstrengend sein“ würde ich es lieber ausdrücken.

Die Anstrengung muss sein, sonst ist es keine Demokratie. Aber was ist zu merken? In unserer rudimentären, weil repräsentativ-parlamentarischen, Demokratie ist es ja bereits (zu) anstrengend an den eher seltenen Wahlen teilzunehmen. Von sonstiger Beteiligung an politischer Arbeit die ja zur Demokratie gehört, ist nur ein geringer Teil der Bevölkerung betroffen.

Die gute Nachricht für die Nichtbetroffenen ist, dass sie recht haben mit ihrer These „Es ändert sich ja sowieso nichts!“. Es ändert sich allerdings nichts, weil sie die Anstrengung scheuen und anderen überlassen.

Die schlechte Nachricht ist, sie müssen sich anstrengen etwas zu ändern – wenn sie überhaupt Veränderungen wollen.

Auch Kathrin spricht von Anstrengung zurückholen. Im Zusammenhang mit „Vereinfachung“ in der Politik, was ich bemerkenswert finde. Weil sie Recht hat. Sie schreibt:

Durch die deutsche Vereinfachung des Steuerzahlens verschiebt man das Problem an eine andere Stelle, wo es größere Nachteile verursacht. Die Bürger werden gleichgültiger, der Staat wird frecher. [1]

Alle fordern ja heute Vereinfachung, weil dies gerechter sei.

Weit daneben. Gerecht wäre demzufolge das mittelalterliche Prinzip des „Zehnten“ gewesen, wenn es für alle gegolten hätte?

Einfach wäre es also, wenn der Staat von jedem einen gewissen Prozentsatz fordern würde, unabhängig von irgendwelchen Kriterien? Natürlich gestaffelt nach Einkommenshöhe. Wir wollen ja von den „Reichen“ mehr für den Staat. Das ist die erste Ausnahme.

Aber lieber Befürworter der Vereinfachung, dabei bleibt es ja nicht. Es soll ja „gerecht“ sein oder werden. Also wird die Vereinfachung ergänzt um Ausnahmen am unteren Ende. Bildung, evt. Behinderung, Kinderzahl in den verschiedenen Altersklassen, Familiengröße überhaupt und so weiter werden das „Einfache Steuermodell“ weiter ergänzen.

Da wird es dann wohl wieder kompliziert, wie heute. Es wird also weiter weh tun. Entweder weil es fordert, dass ich eine Steuererklärung mache. Oder weil der „freche Staat“ mir Geld wegnimmt.

Selbst im Falle des BGE wird es Stimmen geben die Ausnahmen fordern werden. Aus den o.g. Gründen. Das wird auch kompliziert.

Also ist „Einfach“ nicht gleich zu setzen mit „Gerecht“. Gerechtigkeit erfordert Nachdenken und Anstrengung. Da kommt wieder die Demokratie ins Spiel. Wenn es gerecht sein soll, die direkte Demokratie.

Direktere Demokratie bedeutet mehr individuelles Nachdenken der Bürger über Entscheidungen. Die Abschaffung des Fraktionszwangs bedeutet mehr individuelles Nachdenken der Politiker über ihr Handeln.[1]

Da wären wir also wieder bei den Anstrengungen. Nun steht also für Jede/n die Frage „Will ich mich anstrengen?“

Ein guter Zeitpunkt dafür wäre der 22. September.

Macht Ihr mit? Es tut nicht weh.

P.S. Den von Kathrin erwähnten Bezug zu den Piraten habe ich nicht erwähnt. Ich habe mich bereits dazu geäußert.

[1] http://www.zeit.de/digital/internet/2013-09/passig-demokratie-vereinfachung/seite-1

It’s the Democracy stupid! *

Nein lieber Arbeitskollege, ich bin nicht Mitglied bei den Piraten. Ich bin auch nicht mit allen Thesen verschiedener Mitglieder, Ortsverbände und was weiß ich noch einverstanden. Trotzdem werde ich sie wählen. Nicht nur das, ich schreibe auch in dem Sinne. Vielleicht überlegst Du es Dir ja auch noch.

„Diese Partei weiß doch gar nicht was sie will“, sagst Du. Mach Dir keine Sorgen – die anderen wissen es auch nicht. Sie kommunizieren es nur anders. Treffender als A.d.T. hätte ich es auch nicht ausdrücken können:

„Die Mitglieder dieser Parteien [der europäischen, T.K.] gehorchen einem Befehl wie die Soldaten im Felde; sie bekennen sich zum unbedingten Gehorsam, oder, besser, sie opfern durch ihren Beitritt zugleich ihr eigenes Urteil und ihren freien Willen vollkommen auf: daher herrscht im Innern der Partei oft eine weit unerträgliche Tyrannei als die, die im Staate namens der bekämpften Regierung ausgeübt wird.“ [Alexis de Tocqueville (1805-1859) in Über die Demokratie in Amerika]

damit sind eben die anderen gemeint, nicht die Piraten.

Demokratie, ich meine wirkliche, funktioniert nun mal über den Gedankenaustausch – nicht über Gleichschaltung. Meine Meinung, ganz und gar meine eigene, dazu habe ich schon mal so zusammengefasst.

In einer demokratisch gegründeten Partei muß man damit rechnen, dass sich Bürger aus jedem Spektrum einfinden. Alles andere bedeutet, dass die Partei eine Ansammlung ideologisch Gleichgesinnter (oder Gleichgeschalteter) ist. Das muss man aushalten und auskämpfen! [1]

Das sehe ich auch heute noch so. Dass die Piraten auch darüber nachdenken ist ja normal, Julitschka zeigte es erst gestern. Hoffentlich ziehen sie nicht die falschen Schlüsse daraus. Falsch wäre eben Gleichschalterei aus wahlkampftaktischen Gründen.

Es wird sie einige Stimmen kosten wenn sie weiter so machen wie bisher. Aber wenn sie damit anfangen ihre Kommunikation zu zensieren, dann werden sie genau so unglaubwürdig wie die anderen.

Die Piratenpartei wurde vor ca. 6 Jahren gegründet. Eine wirklich demokratische Parteiengründung und –etablierung braucht, aus den o.g. Gründen, ihre Zeit. Eben weil diese Partei kein ideologisches Gesamtkonzept (rechts-mitte-links) hat, wird es wohl länger dauern. Sie werden ihre internen Kämpfe auskämpfen müssen, sie werden Erfolge feiern und Niederlagen einstecken müssen.[1]

Das schrieb ich 2012, es sind jetzt also 7 Jahre. Es wird noch ein wenig länger oder noch länger dauern. Ich hoffe nur, dass sie nicht am Ende dahin kommen wo die anderen schon sind.

Wir brauchen sie aber jetzt schon im Bundestag. Wenn auch vorerst in der Opposition.

Wir brauchen Leute mit neuen Ideen und Visionen.

Also überlege es Dir, auch wenn Du keinen Wombat bekommst.

P.S. Der Artikel geht wirklich auf ein Gespräch auf dem Raucherplatz bei der gestrigen Spätschicht zurück. Da kam mir spontan die Idee.

* „It’s the Democracy stupid!“ ist eine Adaption des Slogans für die Clinton-Wahl „It’s the economy stupid“. Ich erhebe keinen Anspruch diese Adaption als erster vorgenommen zu haben. Die Bedeutung ist „Das ist Demokratie Dummkopf!“

[1] http://blogvonthomas.wordpress.com/2012/12/14/flagge-gehisst-und-segel-gesetzt/

Mögen sie doch gehen und sich ein neues Volk suchen!

Nein, die Rede ist hier nicht von Merkel, Obama oder anderen Politikern, es geht um die so genannten (eigentlich selbsternannten) Demokraten.

Für mich stellt sich immer wieder die Frage „Wie viel Volk verträgt ein Demokrat?“ oder auch „Wie viel Volk braucht man für einen gesellschaftlichen Konsens?“

Absurd, oder?

Wie immer verweise ich auf die Packungsbeilage und versichere, dass die im Folgenden aufgeführten Beispiele nicht meine Meinung wiedergeben, sie dienen nur zur Illustration des Problems.

Ich möchte nicht auf die Grundlagen und Begriffsbestimmung der Demokratie eingehen, diese ist nicht mein Thema. Mein Thema ist der Demokrat an sich. Politisch und sexuell korrekt müsste man wahrscheinlich zur Vermeidung des maskulinen Begriffes „Das Demokrat“ sagen, aber dies klingt zu sehr nach einer Karikatur laut Eulenspiegel. Ich bleibe bei der maskulinen Form. Für Anfänger, hier ist auch nicht der Anhänger oder das Mitglied irgendeiner demokratischen Partei gemeint.

Aber los geht’s.

Allerorten, besonders in sozialen Netzwerken, wird der Niedergang der Demokratie bejammert, es werden zu verschiedenen Problemen Volksabstimmungen gefordert und natürlich sind Wahlen, aufgrund mangelnder Beteiligung, nicht aussagefähig.

Also sind sich alle Demokraten einig, dass das Volk mehr einbezogen werden muss.

Einig sind sie sich, aber eigentlich haben sie auch Angst davor.

Das Volk ist nämlich unberechenbar. Der Demokrat, der einer Ideologie anhängt, ein Ziel hat und eine Meinung vertritt kann sich nämlich nicht darauf verlassen, dass das Volk zustimmt.

Beispiel 1

Wir haben in Deutschland eine Hochwasserkatastrophe, das ist allseits bekannt. Nach meinen Erfahrungen, unter Anderem durch 8 Stunden an Spendenhotlines, gibt es einen Konsens. Dieser ist „ Den Leuten muss geholfen werden!“ Nun gab es in Sachsen-Anhalt einen Vorschlag (ich habe das nicht weiter verfolgt), dass Hartz IV Empfänger, als Ein-Euro-Jobber, zur Beseitigung der Flutschäden eingesetzt werden sollen. Ein kurzer Aufschrei im Social Media (in der Folge SM genannt, die andere Bedeutung dieser Abkürzung hier einzusetzen ist durchaus lustig, aber nicht zielführend). Als unwürdig, unmenschlich usw. wurde dieser Vorschlag dargestellt. Was wäre, wenn man nun das Volk befragt hätte? So, wie es den Demokraten ja vorschwebt. Es wäre möglich, dass dieses Volk gemeint hätte, der Vorschlag wäre richtig und gut. Wäre das dann ein richtiger Vorschlag gewesen, den der Demokrat akzeptieren müsste?

Eine kurze Abschweifung zum Begriff Das Volk sei mir gestattet. In den antiken Demokratien waren mit dem Demos, der stimmberechtigt war, die männlichen gebildeten und besitzenden Bürger gemeint. Es gab natürlich einen familiären Hintergrund und Frauen, Kinder und Sklaven waren ausgeschlossen. Später, im Feudalismus und Absolutismus, war Das Volk eine Bezeichnung für alle die einer gesichtslosen grauen Masse angehörten. Das Volk war besitzlos und stammte aus den falschen Familien. Einzig die Frage der Bildung (die war nicht immer Voraussetzung) unterschied die Herrschenden im Absolutismus vom Demos der griechischen Polis und die Verkehrung des Begriffes Demos/Volk. Vom herrschenden Demos zum beherrschten Volk.

Die bürgerlichen Revolutionen waren eine Reprise der antiken Demokratie. Ein neuer Stand kam zur Herrschaft (männlich, besitzend und gebildet), das Volk blieb auf dem Stand der vorherigen Gesellschaft.

Auch die amerikanische Demokratie fußt eben auf diesem Konzept. Entstanden aus einzelnen Siedlungen, in denen die starken, klugen, besitzenden und skrupellosen Männer herrschten, entstand so ein Staat der genau diese Struktur übernommen hat. Ein Unterschied zum vorher absolutistischen Europa besteht allerdings. Dieser Unterschied liegt im Einfluss der territorialen Strukturen. Zum Leidwesen der Regierung der Union.

In Europa entstanden zeitweilig, durch blutige Revolutionen und im Ergebnis von Kriegen, so genannte Volksdemokratien. Theoretisch sollten diese zu echten Demokratien werden, man denke an die Arbeiter- und Soldatenräte. Deren Protagonisten und Propagandisten merkten jedoch, nachdem sie an die Macht gekommen waren, sehr schnell, dass sie sich auf Das Volk nicht verlassen konnten. So wurde sehr schnell aus der Demokratie eine Diktatur. In dieser gab es dann noch Relikte der Demokratie, wie die Bezeichnung Rat/Sowjet oder Wahlen. Den Demos in diesen so genannten Demokratien fand man aber in der Nomenklatura (vgl. Monarchie/Absolutismus).

Bevor es nun zur parlamentarischen Demokratie, dem Jetzt-Zustand geht, das nächste Beispiel.

Beispiel 2

Es gibt, glaubt man den Demokraten, einen gesellschaftlichen Konsens zur Todesstrafe. Diese muss man ächten. Würde man aber das Volk fragen dann wäre es möglich, dass eine Mehrheit diese befürworten würde. Egal aus welchem Grund. Eine große Anzahl von Menschen ist der Meinung, dass es Taten gibt für die ein Mitmensch diese verdient. Könnte oder müsste sich der Demokrat damit abfinden?

Mit der parlamentarischen Demokratie hat sich nicht viel verändert. Es gibt Wahlen, es gibt sogar eine Stelle im Grundgesetz über die Rolle der Parteien (da steht nicht drin, dass sie die Herrschaft ausüben) aber regiert wird von gebildeten, (manchmal) wohlhabenden und skrupellosen (auch zielstrebig genannten) Männern und Frauen. Gleiches gilt für die ob nun parlamentarische oder außerparlamentarische Opposition. Da haben wir wieder den Demos in der Demokratie. Wo bleibt aber Das Volk? Es ist weiterhin eine graue, gesichtslose Masse, gemeinhin als Stimmvieh, in Extremsituationen auch als Mob, bezeichnet.

Beispiel 3

Es gibt immer wieder Versuche der direkten Demokratie in Form von Volksabstimmungen. Nehmen wir die Schweiz, ein „leuchtendes Beispiel“ der Demokratie. Im Jahre 2009 wurde über den Bau von weiteren Minaretten abgestimmt. Das Volk war gegen Minarette. Fand sich der Demokrat damit ab?

Ich höre an dieser Stelle auf mit Beispielen und der Historie. Eine kurze Zusammenfassung sei mir aber gestattet.

Den Begriff Demokratie mit Volksherrschaft zu übersetzen, ist m.E. nach irreführend. Der im Begriff Demokratie enthaltene Teil Demos ist nicht gleichzusetzen mit Volk im zweiten Begriff. Je nach demokratischer Herrschaftsform (irres Wortspiel) zeichnet den Demos meist der Bildungsstand aus. Manchmal aber nach wie vor auch Besitz und Abstammung.

In einem früheren Artikel habe ich das mal so formuliert:

Der kleinere Teil, der vehement gegen den Begriff der Elite vorgeht aber wie eine solche handelt, schwingt sich zu Vertretern des Volkes und Lehrern des Volkes auf.

Das Vorgehen gegen den Begriff „Elite“ soll hier wohl eher eine „Volksverbundenheit“ suggerieren, so nach dem Motto „Ich bin einer von Euch!“

Sollte bei Versuchen mit direkter Demokratie etwas für den Demokraten nicht wie vorgesehen und gewünscht ausgehen, dann bezeichnet er das Volk als verhetzt, dumm, nicht einsichtsfähig, nationalistisch oder so ähnlich.

Dann zeigt er, dass er sich diesem Volk nicht zugehörig fühlt.

Er zeigt offen seine Verachtung für das Volk.

Was verlangt er nun?

Er verlangt Bildung, aber nicht etwa die Bildung im Sinne der Aufklärung (siehe hier). Nein, er verlangt eben jene Bildung, die er an der Diktatur kritisiert. Eine Bildung im Sinne seiner Ideologie, die erklärt was richtig und falsch ist. Im Sinne seiner Wahrheit.

Er kann nur Eines nicht.

Er kann nicht gehen und sich ein anderes Volk suchen.

Eine Ergänzung noch, der Demokrat versteht mit seiner Kritik am Volk nicht, dass dieses nach wie vor an seine „Scholle“ gebunden, neudeutsch gesagt in seinem Territorium verhaftet ist. Er setzt globales Denken voraus. Die Probleme die sich daraus ergeben habe ich aus meiner Sicht schon mal beschrieben.