Reha in Sachsen – unter Sachsen

Blick vom Raucherhaus zur Klinik

Ja, ich war nach meiner Operation vier Wochen zur Reha in der Median Klinik Bad Lausick und, bevor jemand fragt, die Reha hat keine Wunder bewirkt aber war hilfreich. Der Erfahrungsbericht muss sein, warum erfahrt ihr im Artikel.

Die Klinik

Im Großen und Ganzen gibt es da nichts zu meckern, natürlich nur wenn der Rehabilitand weiß was eine Reha ist. Einfach gesagt, die körperlichen Defizite nach der OP sollen weitgehend beseitigt werden.
Einige meiner Mit-RehabilitandInnen sahen das natürlich anders. Die Zimmer waren zu klein, die Ausstattung stimmte nicht, das Essen war den Gourmets nicht gut genug und vor Allem waren die Anwendungen, die ja eigentlich die Hauptsache sind, zu anstrengend oder es waren die falschen weil die dortigen ÄrztInnen ja (Grund siehe unter „Das Sachsen Biotop) keine Ahnung haben. Genug davon, der Aufenthalt unterschied sich, in dieser Hinsicht, nur marginal von der Reha 2015.
Ich war zum großen Teil zufrieden, besonders weil es mir im Laufe der 4 Wochen immer besser ging.
Allerdings gab es da etwas was mich störte.

Das Internet per WLAN

Wir sind ja in der heutigen Zeit verwöhnt, im Krankenhaus war WLAN kostenfrei verfügbar und zwar in einer guten Qualität.
Bei Median ist das etwas anders, man muss das WLAN bezahlen – 1€ pro Tag – und bekommt einen Benutzernamen und ein Passwort. Das Produkt nennt sich „Surf“ und es wird darauf hingewiesen, dass man nicht streamen kann.
Weiterhin kann man nur ein Gerät verbinden, im Vertrag steht: „Sobald ein neues Gerät sich mit diesen Benutzerdaten anmeldet, meldet sich das andere automatisch aus dem WLAN ab.“
Welch eine Überraschung für mich, dass es so natürlich nicht klappt.
Aber weiter im Vertrag: „Bitte beachten Sie, dass nach 12 bis 24 Stunden ein neuer Login erforderlich ist.“
Auch hier die Überraschung, es waren 24 Stunden und wenn auf dem Gerät der Login erforderlich war konnte man ein anderes anmelden.
Ich konnte die „Vertragserfüllung“ mit den MitarbeiterInnen klären, wie verrate ich hier nicht.
Allerdings habe ich seit Jahren nie so schlechtes Internet per WLAN zum Preis von 28,00 € für 4 Wochen gehabt.

Das Sachsen-Biotop

Das Kommunikationszentrum der Klinik ist, wie auch in vielen Firmen, der Raucherplatz. Der Chefarzt drückte es bei der „Einführung in die Rehabilitation“ so aus: „Wenn im Raucherhaus weißer Rauch aufsteigt, wird Politik gemacht.

Obwohl ich auch in Leipzig nicht in einer Blase lebe, war ich ehrlich erschüttert. Nicht nur wegen Balkenkreuz auf der Gehhilfe und Hitler als Bildschirmschoner auf dem Smartphone, sondern über „normale“ Gespräche. Beispielhaft Gespräche über die ÄrztInnen in der Klinik. Ja, es sind MitarbeiterInnen mit tschechischen, polnischen, russischen und arabischen Wurzeln und sie sprechen mit Akzent. Sie sind gute ÄrztInnen und wenn man gewillt ist zuzuhören, dann versteht man auch problemlos was sie sagen. Wenn man das aus rassistischen Gründen nicht will, dann hat man Futter für die eigene Meinung.

Es gab die ganze Bandbreite rechter Propaganda zu Migration, ausländischen Arbeitskräften, Ukrainekrieg und allem möglichen mehr. Die deutschen Rentner und die deutschen Arbeiter, die unter dem „Bevölkerungsaustausch“ leiden fehlten natürlich nicht. Auch Nostrodamus hat ja schon von Massen die übers Meer kommen geschrieben. Irgendwie kennen wir das ja alle – hier war es konzentriert.

Ich für meinen Teil habe oft diskutiert und widersprochen, Sinn hatte es nur wenn ich jemanden allein erwischte – in der Gruppe war kein herankommen.

Das für mich erschütterndste war, dass jede/r für sich ein privat netter und auch hilfsbereiter Mensch war – solange es nicht um politische Themen ging.

Natürlich waren nicht alle so, viele haben sich auch schweigend aus diesem Kreis zurückgezogen.

Bevor jetzt jemand sagt „Ja, ist eben Sachsen!“ Ich vermute, es ist ein deutsches Problem, wir bekommen es nur oft erst zu spät mit.

Was tun? Ich gestehe, ich wurde der Diskussionen müde, je länger ich dort war.

Callcenter – (k)ein Job wie jeder andere

Ich habe lange nichts über Callcenter geschrieben – seit dem letzten Mal hat sich aber nicht viel geändert was das Ansehen der dort Beschäftigten betrifft. Also heute mal ein kleiner Insider-Einblick. Der ist nicht immer ganz ernst ausgedrückt, dafür aber ehrlich.

Callcenter – mein 8. Jahr

Es ist wirklich schon fast 8 Jahre her, seit mein Bearbeiter beim Arbeitsamt sein Unverständnis äußerte weil ich mich im Callcenter beworben hatte. Na ja er konnte mir ja keinen meiner Ausbildung und Arbeitserfahrung entsprechenden Job vermitteln und ich meinte, dass ich irgendwie aus der Nummer wieder raus käme. Also begann ich im Verkauf (inbound) wechselte noch zweimal den Arbeitgeber und mache nun schon wieder fast 6 Jahre technische Support für einen führenden Telekommunikationsanbieter. 2012 begann ich dann meine Erfahrungen hier im Blog aufzuschreiben und musste mir von einem mir nahe stehenden Akademiker sagen lassen, dass ich mit meine Artikeln meine Arbeit dort aufwerten wolle. Ist eben seine Meinung, nicht meine Intention. Heute mal ein etwas persönlicher Artikel.

Callcenter – Freitag Frühschicht

Es ist gegen 05.15 Uhr als die ersten eintreffen. Ich habe im Radio den Spruch gehört „Früh aufstehen – müde und kaputt. Nach dem Duschen müde, kaputt aber nach Vanille duftend.“ genau so geht es mir, nur mit anderem Duft. Morgenroutine beginnt: Rechner hochfahren,Programme starten, mit den KollegInnen dumme Sprüche austauschen, lachen – das alles bei gedimmter Beleuchtung. Die erste Führungskraft kommt, schaltet die Beleuchtung hell – ein allgemeiner Aufschrei, alles wie immer. Noch schnell auf den Raucherplatz, ein bisschen lästern über die Vorgesetzten und KundInnen und Punkt 06.00 Uhr online gehen – keine KundInnen weit und breit. Es ist verdammt früh, es ist kalt draußen, manche KollegInnen sind seit 03.00 Uhr auf den Beinen, wir arbeiten im „nahe dem Mindestlohn-Sektor“, stehen ganz unten im gesellschaftlichen Ansehen und es herrscht eine gute Stimmung.

Callcenter – KollegInnen

Hier geht es nicht um „Teamspirit“, Schicksalsgemeinschaft oder irgend so einen Unsinn, im Callcenter treffen Menschen aufeinander die es gewöhnt sind zu kommunizieren. Nicht irgendwelchen Unsinn zu erzählen sondern, jeder auf seine Weise, sich präzise auszudrücken. Hier arbeiten Menschen die mit anderen Menschen mit den verschiedensten Hintergründen reden können (müssen). Zumindest die meisten der KollegInnen ticken so, es kommt also vor dass die junge Kollegin die einen neuen Mann sucht sich mit dem Kollegen austauscht dessen Mann gerade Stress macht – beide ziehen über die Männer her „Die Kerle taugen eh nichts!“. Auch Peter, die jetzt Petra heißt (der Name ist natürlich fiktiv), oder der muslimische Kollege gehören einfach so dazu. Das ist normal, zumindest hier. Klar gibt es Diven, eher zurückhaltende KollegInnen aber im Allgemeinen gehören alle zur Meute.

Nachtrag 31.01.2018: Im Callcenter kann es Dir auch passieren, dass Dir der Kollege Hobby-Imker auf die Schulter klopft und Dir den bestellten Honig auf den Tisch stellt. Es gibt schon tolle Menschen dort.

Callcenter – KundInnen

Die Ruhe dauert nicht lange, die ersten KundInnen sind in der Line und die tägliche Arbeit geht los. Telefon-, Internet- und Fernsehstörungen wollen behoben werden, Nachfragen zu Aufträgen müssen beantwortet werden und manche KundInnen müssen auch darauf hingewiesen werden, dass ein Vertrag einen Leistungsinhalt beschreibt und Sonderleistungen nicht vorgesehen sind. Nun mag ich den Begriff „KundIn“ nicht besonders, im Deutschen klingt das immer nach kaufen und verkaufen. Ich würde KlientIn bevorzugen. Als Supporter stehe ich oft zwischen den Bedürfnissen und Forderungen der KlientInnen und denen meines Arbeitgebers. Manchmal muss ich dann den Supportrahmen etwas dehnen, natürlich ohne zu fragen weil: „Es ist einfacher Verzeihung zu erlangen als eine Genehmigung zu erhalten“. Die Abwägung zwischen KlientInnenzufriedenheit und Arbeitgeberzufriedenheit ist manchmal schwer, aber möglich. Das zeigt die von den KlientInnen geäußerte Zufriedenheit mit meiner Arbeit, der Arbeitgeber ist auch nicht ganz unzufrieden.

Callcenter – „Ich liebe meinen Beruf“

Das ist hier natürlich der sarkastische Stoßseufzer bei schwierigen Fällen oder KlientInnen. Wobei beide meist auf „Fehler 30“ auf einer Seite zurück zuführen sind. Das bedeutet, der Fehler sitzt 30 cm vor dem Bildschirm also KlientIn oder SupporterIn. Hier kommt oft beiderseitig ein Missverständnis zum Vorschein. KlientInnen denken, dass SupporterInnen wissen, was sie wo an Geräten haben und wie diese verbunden sind. SupporterInnen denken, dass die KlientInnen irgendwie Ahnung von und Wissen über die Materie „Telekommunikation“ haben müssen. Da muss man sich manchmal zurücknehmen – auf beiden Seiten – um auf Augenhöhe zu bleiben. Dazu schrieb ich schon etwas. Auch das Lachen muss ich mir manchmal verkneifen. Es ist nicht verwunderlich wenn der 76jährigen Rentnerin nicht auffällt, dass das WLAN am Router ausgeschaltet ist. Passiert das dem, der sich mit den Worten „Ich habe IT studiert und weiß Bescheid“ vorstellte, ist es schon schwerer ernst zu bleiben. Diese Fehler passieren auch auf der SupporterInnen-Seite, z.B. wenn man nicht merkt, dass man gerade mit dem einen Klienten spricht – aber im System einen anderen bearbeitet. Das ist, bemerkt man es nicht rechtzeitig, allerdings nicht zum Lachen.

Callcenter – „We love to entertain you“

Das ist auch etwas ironisch gemeint, aber nicht ganz unwahr. Ich schrieb vor längerem welche Anforderungen KlientInnen an uns stellen:

Alle wollen eine/n kommunikationsstarke/n, technisch hochkompetente/n TelefonseelsorgerIn mit Nehmerqualitäten. Wenn Diese/r dann auch noch EntertainerIn ist, dann sind die KundInnen mit dem Schmuddelkind zufrieden.“

Das Entertainment ist hier einfach die Unterhaltung mit KlientInnen – die meisten freuen sich wenn man sich wirklich für sie interessiert. Ob nun die Frage nach dem brabbelnden Säugling oder dem bellenden Hund im Hintergrund oder, besonders bei SeniorInnen, nach den Interessen bei der Internetnutzung. So am oben beschriebenen Freitag, da gab es den über 70jährigen Maschinen-Schlosser der mir gleich den SES empfahl wenn ich in Rente gehe. Für diesen ist er noch ab und zu weltweit unterwegs um Maschinen zu reparieren, die die jungen Kollegen nicht mehr kennen. Auch der Lokalreporter aus Hamburg, mit dem ich über Egon Erwin Kisch und Journalismus sprach war ein Highlight. Aber auch von anderen KlientInnen hört man viel Neues und Interessantes – man muss nur wollen und den Job darüber nicht vernachlässigen.

Callcenter – Pausen

Pausen sind fast wie überall, es wird gequatscht über Privates und auch Politik, gelästert und gemeckert über Firma und Vorgesetzte und es werden Erfahrungen mit technischen Herausforderungen, exotischen Fehlern und KlientInnen ausgetauscht. Der Unterschied ist, wie oben beschrieben, dass die KollegInnen die Kommunikation beherrschen und meist ohne es zu bemerken auf einem höheren Niveau kommunizieren als üblich. Nicht alle können das, aber sehr viele. Das ist durchaus angenehm für einen wie mich.

Fazit

Bei allen Widrigkeiten und Einschränkungen ist die Arbeit im Callcenter nicht so schlecht wie ihr Ruf. Die meisten Menschen auf beiden Seiten der Line sind tolle Menschen.

Das musste ich hier mal sagen!

Bald ist Montag – Spätschicht bis 24.00 Uhr mit graut es davor, aber irgendwie freue ich mich auf euch.

Bildnachweis: under CCO by seografika

Vorsichtig pessimistisch

Es ist ja fast nicht legitim, besser fast schon gotteslästerlich, an den Segnungen der Digitalisierung zu zweifeln. Das nehme ich gern in Kauf.

Eine Warnung sei mir gestattet: Der Artikel ufert etwas aus – ich behandle im historischen Teil die Kernkraft und Automatisierung und die damit einhergegangenen Versprechungen. Die Ausführungen zum Dieselskandal und dessen Folgen, zur Umwelt und der automobilen Gesellschaft dienen zur Illustration der am Schluss stehenden Folgerungen. Also bitte ich meine Leser um etwas Zeit und Geduld.

Beginnen wir mit dem kleinen historischen Exkurs aus meinem eigenen Erleben.

Die Kernkraft

1959, ich war gerade zwei Jahre alt, wurde der Atom-Eisbrecher Lenin in Betrieb genommen. Als ich 1963 in die Schule kam, herrschte die allgemeine Ansicht, dass zum Jahr 2000 die Kernkraft alle Probleme gelöst haben wird. Gläubig hörten wir zu, wenn von Autos mit Kleinreaktoren (ein Stück Uran mit der Größe eines Kirschkerns) gesprochen wurde. Die Rauchwolken über den Städten und Industrieanlagen würden sich durch den Einsatz der Kernenergie in Nichts auflösen, die fossilen Energieträger würden nicht mehr gebraucht. Siedlungen auf dem Mond und Mars, sowie dauerhaft besetzte Weltraumstationen wären dann, also im Jahr 2000, normal.

Mit der entsprechenden Ideologie verbrämt hieß das „Weltfrieden und Weltsozialismus“ durch Kernenergie. Das ist jetzt ein wenig übertrieben, aber so konnten wir es als Kinder sehen.

Spätestens die Katastrophen von Tschernobyl und Fukushima belehrten uns eines Besseren.

Die Automatisierung

Seit Beginn meines Arbeitslebens im Jahre 1973, also dem Anfang meiner Berufsausbildung, begleitet mich das Versprechen – für andere eher eine Androhung – der Automatisierung in der Industrie. Die Definition der Automatisierung ist nach Gablers Wirtschaftslexikon in Kurzform die:

Übertragung von Funktionen des Produktionsprozesses, insbesondere Prozesssteuerungs- und -regelungsaufgaben vom Menschen auf künstliche Systeme.

Schon damals wurde uns versprochen, dass in Zukunft die körperlich schwere und/oder monotone Arbeit von Maschinen (Automaten und Industrieroboter der 1. Generation) übernommen wird und die Menschen im Produktionsprozess nur noch eine überwachende Tätigkeit ausüben werden.

Glaubte man dieser Prognose, dann stünden heute in Deutschland (z.B. in der Textilindustrie) voll-automatisierte Fabriken mit geringem Personalbedarf. Dem ist aber nicht so, es stehen riesige Fabriken, teils mit Manufaktur-Charakter, in Bangladesch und anderen Billiglohn-Ländern mit riesigen Arbeitskräfteressourcen. Der Arbeitsplatzverlust der deutschen Textilarbeiter war zu großen Teilen nicht der Automatisierung, sondern der Standortverlagerung geschuldet. Aber selbst in deutschen Vorzeigeunternehmen, z.B. in der Automobilindustrie, ist der Anteil der menschlichen Arbeiter, die monotone Arbeiten verrichten (also derer am Fließband), nicht wie versprochen gesunken.

Auch wenn zu großen Teilen nicht die Automatisierung, sondern die Verlagerung der Produktion in Billiglohn-Länder der Auslöser war – es wurde eine große Anzahl von Industriearbeitern „freigesetzt“ und, soweit nicht verrentet oder arbeitslos, arbeiten diese zu großen Teilen in dem neu entstandenen personalintensiven Dienstleistungssektor.

Die Kernkraft wurde als böse eingestuft, die Automatisierung brachte nicht alle versprochenen Effekte – mit dem Siegeszug von Computer, Internet, Robotik und der künstlichen Intelligenz als neuen Heilsbringern folgt nun die Digitalisierung.

Die Digitalisierung

Die Welt wird digital – das ist unbestreitbar und unabwendbar. Beginnend mit Kommunikation und Entertainment bis hin zu Industrie 4.0 – Kollege Roboter, RoboDoc und RoboSoldier werden das alte System verändern. Ich bin von Anfang an dabei und finde das durchaus gut und erstrebenswert, von dem letztgenannten der Kollegen Roboter halte ich allerdings nichts.

Die ersten Glaubensinhalte der Digitalisierung (damals sprach man noch einfach vom Internet), nämlich die Demokratisierung des Wissen, den freien und unbehinderten Meinungsaustausch und ähnliches haben wir bereits begraben. Zum einen durch den Einzug des Big Business im Internet und natürlich durch die Überwachungsbestrebungen der Regierungen. Die ersten Feiern der „facebook-Revolutionen“, also des arabischen Frühlings, erwiesen sich zu großen Teilen als verfrüht.

Daraus kann man lernen, oder man sucht sich ein neues Glaubensobjekt. Dieses steckt in der Digitalisierung und heißt „künstliche Intelligenz“, besser artifizielle Intelligenz. Ernstzunehmende Menschen stellen sich bereits die Frage, wann der Computer intelligenter wird als wir.

Ob im Kundenservice, in der Forschung, in der Produktion oder im Gesundheitswesen (die Reihe ließe sich fortsetzen) soll Kollege Maschine, mit artifizieller Intelligenz ausgestattet, den Menschen ersetzen. Ob ich das will oder nicht – es wird so kommen.

Es ist aber auch möglich, irgendwo muss ja das „pessimistisch“ aus der Artikelüberschrift her kommen, dass der Wegfall von menschlicher Arbeit wieder, wie bei der Automatisierung, durch Verlagerung entsteht.

Nehmen wir den online-Kundenservice: Es merkt keiner wo und in welcher Zeitzone der Chat-Partner sitzt. Wenn mit künstlicher Intelligenz erst einmal wirklich funktionierende Übersetzungsprogramme möglich sind, dann wird diese Tätigkeit verlagert werden – raus aus Deutschland – hin zum Billiglohn – und dem hiesigen Arbeitnehmer muss „Digitalisierung“ als Begründung reichen. Das, obwohl der Chatbot in diesem Falle ein minderbezahltes menschliches Wesen ist.

Wenn über diese Verlagerung nicht gerade in der BILD-Zeitung berichtet wird, werden es die meisten auch glauben. Die Globalisierung und die Digitalisierung machen nämlich wirtschaftliche und technische Zusammenhänge unverständlich für Laien und selbst für viele „Experten“.

Uns bleibt dann nur der kindliche (infantile) Glauben an die Segnungen der Technik – schließlich ist die Digitalisierung auch nur eine Form der Technik.

Die Infantilisierung

beginnt dort, wo wir durch den Siegeszug der Technik nur noch glauben oder nicht glauben können, was Spezialisten uns erzählen.

Nehmen wir hier den Dieselgate. Ihr wisst schon, ich meine den Abgasbetrug in der deutschen Automobilindustrie. Lasen und hörten wir dort erst von einer „Schummelsoftware“, so wird uns heute erzählt, dass eine Hardwarelösung benötigt wird.

Im Klartext heißt das: Es ist keine „Schummelsoftware“ im Einsatz – die gesamte technische Lösung war ein Betrug!

Konsequent gedacht: Die erste Variante bedeutet, dass durch eine Software der Fahrzustand, also Fahren oder Prüfstand, erkannt wurde und danach die AdBlue-Einspritzung gesteuert wurde. Das erklärt warum keiner etwas merkte – ein paar Programmzeilen sind schwer zu finden. Ohne diese Aussage zurück zu nehmen, wird heute ein Softwareupdate versprochen, welches den bis zu 100% (einige Quellen sprechen von höheren Werten) überhöhten NOx-Ausstoss um 25 bis 30% senken. Das entspricht in keiner Weise den zugesagten Abgaswerten für die Typzulassung.

Daraus können wir schließen, dass die „Experten“ der Automobilindustrie, des Verkehrsministeriums, von TÜV und DEKRA, die Spezialisten an technischen Hochschulen und andere den Fehler hätten berechnen können. Das Heilsversprechen des „sauberen Diesels“, der in einigen Abgaswerten durchaus besser als der Benziner abschneidet, hätte von vornherein ad absurdum geführt werden können.

Warum das keiner bemerkt, oder wenn doch warum es dann nicht publiziert wurde, ist nicht mein Thema – da kann man schön Verschwörungstheorien basteln. Mein Thema ist die infantile Gläubigkeit an Technik, wenn sie uns von Experten erklärt wird. Das lässt sich am Thema Diesel, aber auch am Thema der Umwelt, aufzeigen.

Die saubere Umwelt

Hier treibt der Glaube an eine technische Lösung zur Zeit skurrile Blüten. Es wird ein sinnloser Kampf gegen den Dieselmotor und besonders die SUVs, inklusive deren Verbannung aus den Inenstädten, geführt. Sinnlos ist er, weil das Verschwinden der dieselbetriebenen SUV aus den Städten die Probleme der Umwelt und des Klimawandels nicht löst. Dieser Kampf lenkt ab von anderen Umweltproblemen.

Ob nun Diesel oder Benziner – des Deutschen Lieblingsspielzeug verpestet und belastet die Umwelt. Selbst bei den Grünen ist inzwischen angekommen, dass ein Kampf gegen die automobile Gesellschaft keine Wählerstimmen bringt. Ich will diesen Kampf auch nicht – es geht einfach um Vernunft und Augenmaß.

Hier sehe ich mit Besorgnis, dass jedes Augenmaß verloren geht, wenn Politiker die Elektromobilität nur als Ersatz für Verbrennungsmotoren betrachten. Ein 1:1 Ersatz der Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor durch Elektrofahrzeuge würde einen Verbrauch an Ressourcen bedeuten, der nicht realisierbar ist. Einer Lösung der Verkehrsprobleme würde uns dieser Ersatz in keiner Weise näher bringen.

Auch hier ist es vielleicht hilfreich in die persönliche Geschichte – „Ich und mein Auto“ – zurück zu schauen. Ich hatte 1976, also mit etwas über 18 Lebensjahren, den Führerschein und mein erstes Auto. Das war toll, auch wenn dass Auto nur 4 Jahre jünger war als ich. Mein Auto versprach mir „grenzenlose Freiheit“, wenn auch nur innerhalb der Grenzen, die einem Bürger der DDR gesetzt waren, und puren „Lustgewinn“ – heute sieht das anders aus.

Die grenzenlose Freiheit

wurde uns mit der Massenautomobilisierung versprochen und wir sind zu Sklaven des Autos geworden.

Wir leben, zu großen Teilen, in Städten mit einer, übertrieben gesagt, Infrastruktur für Pferdekutschen und Fußgänger und stehen täglich im Stau oder sind auf der Parkplatzsuche. Zum Ferienbeginn ist der Stau-Bericht im Radio oder Internet für die Urlaubsplanung fast wichtiger als die Kulturangebote am Urlaubsort. Wir sind weit weg vom Arbeitsort gezogen, oder haben uns Arbeit weit weg vom Wohnort gesucht – jetzt sind wir Pendler mit mehr Stau- als Arbeitserfahrung. Nicht zuletzt müssen wir darauf achten, dass unser Auto unseren Status repräsentiert, oder einen solchen vorspiegelt.

Absurderweise ist aber ein massenhafter Verzicht auf das Auto zur Zeit keine Alternative. Zurück zum Arbeitsort können wir nicht ziehen, es gibt dort keine Wohnungen – oder wir können sie nicht bezahlen. Der ÖPNV würde einen Kollaps erleiden, wenn nur 50% der Pendler umsteigen würden.

Ob wir wollen oder nicht, wir sind vom Auto abhängig – wenn keine grundlegende Änderung im System stattfindet. Das lässt sich mit einen Softwareupdate nicht lösen, aber auch nicht mit massenhafter Elektromobilität.

Ein Zurück zur vorautomobilen Gesellschaft ist nicht so einfach möglich, ohne Auto sind viele Ziele des täglichen Lebens, beginnend mit dem Einkauf, für viele Menschen schwer oder nicht erreichbar.

Noch kein Fazit

Wer sich bis hierher gequält hat, fragt sich wahrscheinlich ob ich auf der Strecke den Faden verloren habe. Digitalisierung, Umwelt, Dieselskandal, Elektromobilität – es fehlt eigentlich nur noch das autonome Auto um alle aktuellen Themen, die mich bewegen, zusammenzuführen. Zu diesem möchte ich aber nicht erneut schreiben, das habe ich an anderer Stelle bereits getan.

Was bewegt mich also?

Am Beispiel des Dieselskandals habe ich versucht aufzuzeigen, dass technische Entwicklungen, ab einer bestimmten Komplexitätsstufe, für den Laien und auch für, meist selbsternannte, Experten, die versuchen, den Laien diese zu erklären, kaum verständlich sind. Es ist kaum möglich ein technisches Verständnis für alle Neuerungen zu entwickeln – da hilft nur die logische Betrachtung des Problems. Wie oben ausgeführt der zulässige Schluss:

Das ist keine moderne digitale Betrachtung – sie ist oldschool, bei geringem technischen Vorwissen, von Begriffen wie Software und Update, hätten bereits unsere Großeltern so argumentieren können.

Komplexität und Digitalisierung

Ich habe einleitend über Kernkraft und Automatisierung geschrieben, hier ist aber ein wesentlicher Unterschied zum Thema Digitalisierung.

Kein anderer technischer Fortschritt hat so tief in unsere Lebenswelt eingegriffen und wird künftig noch viel stärker eingreifen, als die Digitalisierung. Die Entwicklung der soziale Medien, beginnend mit dem UseNet über MySpace bis heute ist atemberaubend und für viele ist ein Leben ohne Social Media heute nicht mehr vorstellbar. Ursprünglich als Kommunikationsmittel gedacht, sind die Netzwerke heute essentieller Bestandteil von Marketing und Kundenservice der meisten Firmen. Durch den Einsatz von Chatbots und anderen Formen der künstlichen Intelligenz soll diese Bedeutung weiter zunehmen und menschliche Mitarbeiter verdrängen. In der Propaganda (ich wähle bewusst diesen Ausdruck) ist fast ausschließlich die Rede von Vorteilen für die Kunden. Diese mag es geben, auch wenn man uns den Beweis bisher schuldig geblieben ist, in erster Linie geht es aber um Kostensenkung. Ich zweifle, dass diese Strategie aufgeht, aber es wird jedenfalls versucht werden.

Social Media ist natürlich nur ein Aspekt der Digitalisierung, aber ein taugliches Beispiel für große Herausforderungen, die bei der Digitalisierung auf die Unternehmen, die Gesellschaft und jeden einzelnen zu kommen.

Ich beginne mit den ungeliebten Themen Netzwerksicherheit und Datenschutz, verzichte aber auf ausufernde Darstellungen. Die zunehmende Vernetzung, zum Beispiel zwischen Firmen und Kunden, verbunden mit der Übertragung von kunden- und firmenbezogenen sensiblen Daten, erfordert eine, bisher nicht einmal in Ansätzen vorhandene, Sicherheit der Datenübertragung. Ist diese nicht möglich, dann werden wir Probleme bekommen, gegen die sich die bisherigen Hacker-Angriffe als harmlos ausnehmen.

Einige Apologeten der Digitalisierung möchten schnellstens das Bildungssystem digitalisieren. Wichtiger als grundlegende Fähigkeiten, wie Lesen, Schreiben, Erfassen von komplexen Texten und Zusammenhängen, soll das Programmieren und die Nutzung der digitalen Medien werden. Übertrieben gesagt:

„Tablet und Smartphone ab dem Kindergarten“ und

„Google is your best Friend“

Diese Ansicht ist ebenso kurzsichtig wie die derjenigen, die die digitale Revolution ignorieren. Erwartet aber bitte von mir keine Lösung für das Bildungssystem, da bedarf es mehr Brainpower als ich bieten kann. Die Grundfertigkeiten, wie Lesen, Schreiben, Erfassen von komplexen Texten und vor allem das Diskutieren und Argumentieren, sollten jedenfalls einen hohen Stellenwert erhalten.

Ein vorläufiges Fazit

Die Digitalisierung kommt – und das ist gut so.

Es gibt viele Herausforderungen, die auf uns zu kommen, diese müssen wir erkennen und meistern. Möglich ist auch die Erkenntnis, dass sich der eine oder andere Aspekt der Wirtschaft oder des Lebens nicht, oder nicht so schnell, digitalisieren lässt. Hier ist, meiner Meinung nach, Vernunft und Augenmaß wichtiger als Geschwindigkeit.

Hier gilt es das, durch den Dieselskandal schwer geschädigte, Vertrauen in Politik und Wirtschaft zurück zu gewinnen. Meiner Meinung nach hilft da nur Offenheit und Transparenz, also auch das Kommunizieren von Fehlentscheidungen und Misserfolgen. Diese Offenheit schadet langfristig weniger als neue Skandale.

Ich komme zum Schluss auf das Thema Dieselmotor und Umwelt zurück.

Die Rettung der Umwelt, durch den Wegfall des Dieselmotors und das Endziel der vollständigen Elektromobilität, ist für mich eine Farce. Es ist ein ehrenwertes Ziel, aber vom Zeitverlauf und erforderlichen Aufwand her ist das kaum zu stemmen.

Eine Reduzierung der Fahrkilometer aller Verkehrsteilnehmer und somit letztendlich des Automobilbestandes ist, meiner Meinung nach, machbar und erstrebenswert.

Mit einer konsequenten Digitalisierung eröffnen sich dahin Wege, wie „Digitale Verwaltung“ und „Digitales Arbeiten“.

Im nächsten Artikel werde ich mich mit der „Digitalen Verwaltung“, unter dem Aspekt der Vermeidung von Fahrkilometern, beschäftigen.