Einige Fragen hätte ich da, Herr de Maizière,

zu dem Positionpapier der Innenminister. Damit keine Missverständnisse aufkommen, ich bin kein Anhänger der radikalen Islamisten.

Mir geht es in erster Linie um Ihr und mein Rechtsverständnis und um die Frage des Rechtsstaates. Diese Frage ist, wie weit kann man Gesetze beugen?

Die Idee eines eingeschränkt gültigen Personalausweises mag bestechend erscheinen, ist sie das aber?

In Deutschland, kann meines Wissens nach, einem nicht verurteilten deutschen Staatsbürger der Personalausweis nicht entzogen werden. Wie ist das also bei dem „alternativen Personalausweis“, von Ihnen Personalausweis-Ersatzdokument genannt?

Muss eine radikalisierte Person die Absicht zur Ausreise äußern, genügt der Verdacht der Radikalisierung oder muss ein Ermittlungsverfahren eröffnet werden um seine Bewegungsfreiheit einzuschränken?

Für Personen mit doppelter Staatsbürgerschaft wird das wohl noch komplizierter. Was ist erforderlich um einer z.B. Person mit türkischer und deutscher Staatsbürgerschaft auch den türkischen Reisepass abzunehmen? Müssen da auch türkische Organe ermitteln?

Personen die ohne deutsche Staatsbürgerschaft in Deutschland leben, wie gehen Sie mit diesen um? Den Reisepass des Heimatlandes abnehmen und sie hier internieren, das wird wohl scheitern.

Zuletzt natürlich erhebt sich die Frage der Grenzkontrollen. Für Flugreisen mag ja das Personalausweis-Ersatzdokument eine Lösung sein. Einer Reise von Deutschland in die Türkei (nur als Beispiel) auf dem Landwege wird das Dokument eher nicht im Wege stehen. Im Schengen-Raum gibt es keine Kontrollen, oder bauen Sie diese auf?

Die letzte Frage:

Ist das jetzt zur Beruhigung, dient das zur Verdummung oder haben Sie die Absicht „Eine Mauer zu erbauen“?

P.S. Die mehrfache Nennung der türkischen MitBürgerInnen hat nichts mit Radikalisierungsverdacht zu tun. Es geht mir nur um die Illustration der Probleme mit doppelter Staatsbürgerschaft und der Grenze der Türkei zum IS-Gebiet.

Piraten, Demokratie und „Die Mitte der Gesellschaft“,

da gibt es ein Problem. Das Problem liegt im letztgenannten Begriff.

Zur Einleitung einmal die These „Der Bundes Innenminister hat uns gerade vorgeführt“ wie man das macht mit dem Datenschutz und der „Mitte der Gesellschaft“, Das ist sowas von peinlich für uns. Wer es noch nicht bemerkt hat, es gibt einen Zusammenhang zwischen den folgendem Kommentar zu den Ausführungen von de Maiziere zum Obama-Interview:

Selbst wenn sich die NSA überhaupt nicht mehr für das Internet interessieren sollte – es gebe andere Stellen, die das tun, sagte de Maizière. „Und zwar viel schamloser. Es gibt die organisierte Kriminalität, die sich für das Netz interessiert. Die wollen an unsere Überweisungen. Es gibt Geschäftsmodelle, die darauf basieren, Profilbilder von Privaten zu verkaufen und all das.“ Der Schutz des Internets – gegen wen auch immer – „das ist unsere gemeinsame Aufgabe, und nicht nur die Fixierung auf die NSA“, so de Maizière.

und den kurz danach veröffentlichten Warnungen und natürlich Erfolgsmeldungen des BSI, passenderweise einer Behörde im Geschäftsbereich des Bundes Innenministeriums, dass

Bei einer Untersuchung krimineller Online-Netzwerke…

über 16 Millionen E-Mail Konten als gehackt identifiziert wurden.Obwohl die Vermutung nahe liegt möchte ich nicht behaupten, dass die Ergebnisse bis zum passenden Zeitpunkt zurückgehalten wurden.

Das Ergebnis war, dass die „Mitte der Gesellschaft“ sich plötzlich für den Datenschutz interessierte. Die Server des BSI waren überlastet und, ich schätze mal, Millionen von Bürgern scannten ihre Rechner nach Viren und änderten Passwörter.

Der Datenschutz ist in der „Mitte der Gesellschaft“ angekommen.

Aber nicht durch uns. Ein coup détat durch den BIM, er hat unser Thema gekapert.

Das ist nicht weiter schlimm denke ich. Wir müssen nur etwas daraus machen.

Da komme ich nun zu meinem eigentlichen Thema.

Wenn ich bei Twitter, G+ oder facebook Kommentare lese zur „Mitte der Gesellschaft“ dann bekomme ich Brechreiz. Dort steht meist, ich drücke mich vornehm aus, die Frage „Was haben wir Piraten mit der ‚Mitte der Gesellschaft‘ zu tun?“

Begründungen für „Nichts! Basta!“ sind dann, dass die „Mitte der Gesellschaft“ latent rassistisch, konservativ, homophob und ähnliches sei.

Wie wärs denn mal mit einem anderen Ausdruck? Statt „Mitte der Gesellschaft“ verwenden wir mal „mitten in der Gesellschaft“. Wäre das vielleicht akzeptabel?

Die oben angeführten Thesen mögen alle stimmen, aber wo sollen wir denn hin?

„Mitten in der Gesellschaft“ befinden sich nämlich die Bürger die dort stehen weil sie keine politische Alternative sehen.Dort sind die Bürger die sich über den ADAC-Skandal mehr aufregen als über den NSA-Skandal – weil es sie selbst unmittelbar betrifft. Die sich für Datenschutz erst interessieren wenn es ihr E-Mail Konto unmittelbar betrifft. Die nie einen Schwulen bewusst wahrgenommen haben und die nichts gegen den vietnamesischen Nachbarn haben aber Angst vor Ausländern. Dort stehen die die eine Partei wählen die „das geringere Übel“ ist.

Dort stehen diejenigen die unentschlossen sind.

Die sich entschieden haben, die stehen rechts oder links – da gibt es kein Potential für uns.

Müssen wir in die „Mitte der Gesellschaft“? Wir müssen da natürlich nicht hin aber wir müssen die Kernthemen für die wir stehen genau dort und auf eine Art die in dieser „Mitte“ ankommt kommunizieren.

Die „Mitte der Gesellschaft“ ist kein Gegner, sie ist eine Zielgruppe die sich für unsere Themen begeistern lässt – wenn wir sie nicht ablehnen. Wenn wir das schaffen, dann erst sind wir „mitten in der Gesellschaft“ angekommen.

Wir sind da auf einem guten Weg. Wir haben ein Europa-Wahlprogramm und viele Kommunal- und Landes-Wahlprogramme welche genau dahin zielen. Machen wir etwas daraus – kommunizieren wir sie „in der Mitte der Gesellschaft“ – und beschäftigen wir uns weniger mit innerparteilichen Grabenkämpfen.

Dann klappts auch mit den Nachbarn.

De Maiziere und die Postkarte

sind wohl der Lacher des Wochenendes. Obwohl es ja nicht zum Lachen ist wenn ein Innenminister so wenig Kenntnis über die Materie hat und dann darüber öffentlich spricht.

Worüber rege ich mich eigentlich auf?

Zum ersten über die Bezeichnung „Reformpläne“ für die Ausführungen des US-amerikanischen Präsidenten. Dieser hat keine konkreten Maßnahmen angekündigt. Er will Merkels Handy nicht mehr abhören lassen – das wars im Grunde schon.

Obama sagte dazu:

„Solange ich Präsident der Vereinigten Staaten bin, muss sich die deutsche Kanzlerin darüber keine Sorgen machen“

Wenn das dem deutschen Innenminister genügt, dann ist er falsch auf seinem Platz. Was für Merkels Handy gilt muss auch für mein Handy gelten. Sonst läuft etwas falsch.

Sämtliche Ankündigungen Obamas werden ja schon wieder ad absurdum geführt durch diesen Satz aus dem gleichen Kommentar:

Die Überwachung von Staats- und Regierungschefs befreundeter Länder soll nur noch erlaubt sein, wenn die nationale Sicherheit der USA dies zwingend erforderlich macht.

Was für die nationale Sicherheit der USA zwingend erforderlich ist, wer entscheidet das?

Also wenn ein Anrufer für diese Sicherheit wichtig ist, dann kann auch Merkels Handy weiter abgehört werden. Aber egal.

Der Innenminister hat aber das Internet nicht verstanden, das ist sein Problem. Er führt aus:

„Und wir sind es auch heute. Man muss nicht sein Tagebuch ins Internet stellen. Eine E-Mail ist faktisch wie eine Postkarte.“

Hier irrt er nicht, hier sagt er wohl bewusst die Unwahrheit. „Ist faktisch“ bedeutet nicht, dass eine E-Mail vom Absender mit der Intention „Der Postbote kann ruhig sehen was ich schreibe“ abgeschickt wird. Das würde den Vergleich erlauben. Nein es ist eher vergleichbar mit der Betrachtung „Ich kann einen Brief wie eine Postkarte behandeln, schließlich kann ich ihn zerstörungsfrei über Wasserdampf öffnen.“ So handelten die Geheimdienste schon immer – bevorzugt die in Diktaturen.

Werter Herr de Maiziere, in einem älteren Artikel habe ich das mal thematisiert und bin zu folgendem Ergebnis gekommen:

„Hier vergleiche ich wieder mit dem analogen Leben. Die Email ist gleichzusetzen mit dem verschlossenen Briefumschlag, die Cloud und meine Datenspeicher mit dem angemieteten Lager und dem Aktenschrank und der Hangout mit dem Telefongespräch. Vernachlässigt man hier die Indiskretion der Teilnehmer am Hangout, dann erfordert die Informationsgewinnung aus diesen Teilen der Kommunikation ein aktives kriminelles Handeln.“

Und um gegen dieses aktive kriminelle Handeln vorzugehen sind Sie der Innenminister der Bundesrepublik Deutschland.

Eine Anmerkung noch. Wenn der Innenminister gesagt hat:

“ Der Schutz des Internets – gegen wen auch immer – das ist unsere gemeinsame Aufgabe, und nicht nur die Fixierung auf die NSA“

meint er dann auch „dazu ist jedes Mittel recht.“?

Jedes Mittel ist dann die Kooperation mit NSA & Co., anlasslose Totalüberwachung und all die Phantasien eines Sicherheitsfanatikers.

Ich glaube, dass ich nicht der einzige bin der das nicht will.