In Sachen Überwachung und Sicherheit

Alle reden von Überwachung, wenn es um Vorratsdatenspeicherung (VDS), Fluggastdatenspeicherung, Big Data, Überwachung von sozialen Netzwerken und weitere staatliche Maßnahmen geht.

Sind solche Maßnahmen eigentlich sinnvoll und nützlich für die Sicherheit?

Oder sind sie repressiv und gefährlich?

Den Wettlauf zwischen Panzer und Geschoss gewinnt am Ende immer das Geschoss.“

Das ist einer der Sprüche, die Militärs gern und oft gebrauchen. Diese Behauptung lässt sich auch auf den Sicherheitsfanatismus der Politiker anwenden.

Nehmen wir die Vorratsdatenspeicherung, das Lieblingsinstrument verschiedener Sicherheitsexperten, dann ist das deutlich zu sehen.

Es werden im Falle der Einführung der VDS die Verbindungsdaten von Festnetztelefonie, Mobilfunk und Internetverbindungen für eine festgelegte Frist gespeichert.

Zwei Ziele werden damit verfolgt:

Das erste Ziel ist die Aufklärung von Straftaten und terroristischen Aktivitäten. Im Nachhinein werden Daten von verdächtigen Personen und Organisationen ausgewertet und Verbindungen mit der Tat und zwischen den Verdächtigen rekonstruiert. Das ist normale konventionelle polizeiliche Tätigkeit mit neuen Mitteln. Allerdings werden meist die „dummen“ Verbrecher mit diesen Methoden gefasst. Dazu später mehr.

Den Protagonisten der Überwachung geht es aber um die Prävention.

Ich vereinfache hier sehr stark, wenn ich diese Prävention mit dem allseits bekannten Amazon-Prinzip („Menschen die diesen Artikel kauften, kauften auch…“) vergleiche, aber im Grunde genommen läuft es darauf hinaus.

Wenn Täter X aus dem historischen Datenbestand die Websites XYZ besuchte, mit den Personen oder Organisationen ABC kommunizierte und die Schlagworte KLM gebrauchte, dann ist jeder, der diesem Schema entspricht, verdächtig. Wie gesagt, ich vereinfache hier bewusst. Dieses Beispiel soll nur der Illustration dienen.

Die für die Prävention benutzten Algorithmen sind weitaus komplexer und die Software ist (pseudo) intelligent.

Diese Sicherheitsarchitektur ist der Panzer. Wie sieht es aber mit dem Geschoss aus?

Ich schrieb oben von „dummen“ Verbrechern. Mit „dumm“ ist die Kategorie gemeint, die diese Sicherheitsarchitektur nicht kennt oder ignoriert – sozusagen diejenigen, die mit einer Keule auf einen Leopard 2 losgehen.

Wer die Sicherheitsmaßnahmen kennt, kann sie umgehen mit ganz analogen Kommunikationsmitteln aus dem 20. Jahrhundert wie persönlichen Treffen an nicht überwachten Orten, toten Briefkästen, öffentlichen Telefonen und ähnlichem.

Diese „analoge“ Kommunikation ist zwar den Ermittlungsbehörden bekannt, aber mit dem bereits seit Jahren anhaltenden Personalabbau und der Konzentration auf die digitale Ermittlungsarbeit werden dafür keine Ressourcen zur Verfügung stehen.

Wie bereits bei der Digitalisierung werden die Ermittlungsbehörden also wieder den Tätern hinterherhecheln und sie nicht einholen.

Hier habe ich den Teil beschrieben, der meiner Meinung nach den Unsinn der von Politikern angestrebten Sicherheitsarchitektur zeigt. Diese Politiker lassen sich von US-Serien wie Navy CIS, Numbers und weiteren blenden. In denen lernen die Verbrecher nicht, in der Realität schon.

Ich sehe aber Gefahren in diesen angestrebten Maßnahmen, weil diese auf riesigen Datenbeständen und deren Auswertung beruhen.

Wir sollten aus der Geschichte einiges über Missbrauch von Daten gelernt haben.

Die Hollerith-Maschine diente zur Erfassung von Einwohnerdaten für Volkszählungen, Wahlregister, Steuererhebungen und anderen administrativen Aufgaben des Staates.

Diese Daten ließen sich aber verwenden – und sie wurden von den Nazis dafür verwendet – um Juden, Kommunisten, Sozialdemokraten, Homosexuelle und andere aufzufinden und zu ermorden.

Wenn die Daten aus den angestrebten Überwachungsmaßnahmen in die falschen Hände kommen – das werden sie, wie uns Edward Snowden gezeigt hat – dann wird die Auswertung der Hollerith-Lochkarten als unbedeutend erscheinen.

Vielleicht bin ich paranoid, aber auch wenn manchem die Gefahr der Datensammlungen in einer Demokratie als unbedeutend erscheint, sehe ich mehr Gefahren als Nutzen in diesen Maßnahmen.

Ich weise nochmals darauf hin, wo die Gefahren liegen:

vds

Niemand hat die Absicht zu überwachen?

Der Kreis schließt sich. Ich meine hier den sinnbildlichen Kreis der anlasslosen Totalüberwachung – was sonst.

Nachdem die BürgerInnen in Deutschland trägerweise nicht bereit waren, für einige Euro Einsparungen bei der Kfz-Versicherung, eine blackbox zur Überwachung in ihre Autos einbauen zu lassen, soll die Mauterfassung das Problem beheben.

Natürlich „hat niemand die Absicht“ uns zu überwachen, genau sowenig wie bei Vorratsdatenspeicherung, Fluggastdatenerfassung und ähnlichen Maßnahmen.

Aber vorsichtshalber hat das Bundeskriminalamt (BKA) schon mal den Zugriff auf die Mautdaten beantragt. Selbstverständlich nur für kriminelle Aktivitäten und nur in Ausnahmefällen.

Der Verkehrsminister das ist der, der die elektronische Mautplakette will, versichert uns im gleichen Artikel, „kein Bürger müsse befürchten, dass mit den Daten Bewegungsprofile gespeichert werden könnten.“

Hallo Herr Dobrindt, wenn die ZEIT-ONLINE das nicht falsch formuliert hat, man kann mit diesen Daten Bewegungsprofile speichern wenn sie erfasst werden.

Man wird das auch tun, wenn man es für erforderlich hält.

Eine Begründung wird sich finden, wie immer. Ob nun Schwerkriminalität, organisierte Kriminalität, Menschenhandel, Terrorismus oder was auch immer.

Sind die Daten einmal erfasst, dann wecken sie Begehrlichkeiten.

Ob die prognostizierten Einnahmen durch die Maut kommen ist fraglich.

Die Überwachung kommt auf jeden Fall. Ob nun früher oder später ist egal.

P.S. Wer den Artikel auf ZEIT-ONLINE aufmerksam gelesen hat, wird sich evt. fragen wie der Schluss „Eine Übermittlung der Daten an andere Behörden sei nicht vorgesehen. So ist es auch im Gesetz für die Lkw-Maut festgelegt.“ mit der Aussage zusammenpasst, dass der „Autobahnschütze“ scheinbar mittels der LKW-Mautdaten ermittelt wurde.

Angst essen Seele auf*

oder Feuer mit Feuer bekämpfen könnte man diesen Wahlkampf als Symptom unserer Zeit definieren. Das ist ein Vorwurf den ich allen Beteiligten machen muss.

Die Einen füttern unsere Medien mit der Angst vor Terrorismus und Kriminalität. Somit befürworten sie die, natürlich gesetzlich geregelte, Überwachung des Bürgers. Sie verschweigen uns natürlich, dass wir somit unter Generalverdacht gestellt werden. Das Internet ist für sie der Tummelplatz für Terroristen, Pädophile, Perverse, Betrüger und viele andere schlechte Menschen.

Die Anderen schüren unsere Angst vor dieser Überwachung. Big Data, NSA-Affäre, PRISM und wie das alles heißt werden zu Synonymen für den Überwachungsstaat und 1984 als Vorlage für die Zukunft missdeutet.

Wo liegt nun die Wahrheit?

Wohl wie immer dazwischen.

Natürlich gibt es im Internet Betrüger, die gibt es aber auch im analogen Leben. Die Postkarten mit Einladungen zu Kaffeefahrten motivierten keinen deutschen Innenminister eine allgemeine anlasslose Postüberwachung zu fordern.

Kinderpornographie war allerdings, zumindest in den USA, schon ein Grund. Arbeitsgruppen des FBI verfolgten diese schon lange durch Überwachung der Post. Ebenso wie Geldwäsche und Drogenhandel.

Warum nun ein Vorwurf an beide Seiten?

Weil es immer um Angst geht!

Es geht nicht um Mut, nicht um „verantwortungsvoll damit umgehen“.

Angst ist destruktiv. Nehmen wir den Begriff „Big Data“ als Beispiel. Müssen wir davor Angst haben, oder vor dem Missbrauch?

Das für sich zu entscheiden erfordert Beschäftigung mit dem Thema**. Das Schüren von Angst fördert aber eher Resignation.

Von Beschäftigung mit dem Thema ist nun aber scheinbar gerade bei der Jugend*** nicht viel zu merken. Laut der Umfrage von Infratest Dimap (ohne diese überbewerten zu wollen) würden 36% CDU/CSU wählen. Das wirklich Erschütternde ist für mich aber, dass sich nur 23% als „stark politisch interessiert“ bezeichneten. Das gibt zu denken, genau dort liegt der Fehler.

„Demokratie erfordert Teilnahme!“ das habe ich bereits mehrfach geschrieben.

Das Schüren von Angst fördert aber Lethargie. Die Entscheidung zwischen Angst vor Terrorismus und Kriminalität und der Angst vor Überwachung ist zu einfach. Sie ist emotional, nicht rational. Sie fordert von beiden Seiten nur Eines „Wie kann ich die Gefahr besser darstellen?“.

Angst hat aber noch eine andere, vielleicht wahlentscheidende, Dimension. Die Angst vor der Veränderung, der Veränderung zum Schlechteren. Im Falle es gewinnen die Anderen, die Unbekannten.

Diese Angst ist aber unbegründet. Die Unbekannten werden nicht gewinnen, sie werden hoffentlich ins Parlament einziehen. Sie werden, wenn es nach mir geht, auf den Oppositionsbänken Platz nehmen und die Bekannten zwingen Farbe zu bekennen.

Es ist nur zu hoffen, dass sie die Chance bekommen ihre Ideen in die Parlaments- und somit in die Regierungsarbeit einzubringen.

Den Mut dazu haben sie. Vielleicht gibt es dann 2017 einen angstfreien Wahlkampf. Einen Wahlkampf mit informierten und motivierten Bürgern.

Also habt keine Angst vor den Unbekannten und dem Neuen. Habt lieber Mut etwas zu ändern.

* „Angst essen Seele auf“ den Titel habe ich geklaut. Der „Bildungsbürger“ kennt natürlich den gleichnamigen Film von Fassbinder.

** Ich meine bei Beschäftigung mit dem Thema die Beschäftigung gemäß dem Ideal der Aufklärung „sapere aude“, habe ich hier und in der Packungsbeilage schon beschrieben.

*** Das gilt natürlich nicht nur für die Jugend. Zur Allensbach Studie habe ich hier geschrieben.