Vollbeschäftigung ist eine politische Forderung,

die allen linken Parteien programmatisch gut zu Gesicht stehen würde. Das scheint auf den ersten Blick eine absurde Aussage zu sein, schließlich vertrete ich das Bedingungslose Grundeinkommen (BGE). Warum also plötzlich meine Forderung nach Vollbeschäftigung?

In der letzten Zeit beschäftigen sich viele Menschen mit der neuen Arbeitswelt, die durch Automatisierung, Digitalisierung, Robotik und weitere technische Errungenschaften entstanden ist. Viele behaupten nun, dass der Anteil der menschlichen Arbeit immer weiter zurückgeht und somit eine Vollbeschäftigung nicht mehr erforderlich oder auch nicht mehr möglich ist.

Diese Aussage birgt politisches Dynamit in sich, besser noch: einen politischen Kernsprengkopf.

Nicht genug damit, dass sie eine Spaltung der Gesellschaft in arbeitende und nichtarbeitende Menschen für gut befindet, sie fördert diktatorische Machtverhältnisse.

Mensch der Arbeit, aufgewacht!

Und erkenne deine Macht!

Alle Räder stehen still,

Wenn dein starker Arm es will.

diese Strophe aus dem „Bundeslied für den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein“ von Georg Herwegh war immer ein wichtiger Bestandteil der Arbeiterbewegung. Allerdings hieß es da noch Mann der Arbeit. Diese Bezeichnung habe ich im Sinne der Geschlechtergerechtigkeit geändert. Was aber, wenn es den Mensch der Arbeit nicht mehr gibt?

Ein politisches Grausen zieht durch mein Gemüt. Automatisierte Fabriken, Supermärkte, in denen Roboter die Regale auffüllen, und Kassen-Roboter, fahrerlose Autos, Straßenbahnen, Busse und Züge, Pflegeroboter, Robocops und Robosoldiers und so weiter ersetzen den Mensch der Arbeit. Ein System mit wenigen Menschen, die die Abläufe betreuen. Und das alles in einem kapitalistischen System.

Wir hätten dann eine Spaltung der Gesellschaft in Besitzende – schließlich bleibt das System kapitalistisch – in wenige Arbeitende (Systembetreuer), die dann eine privilegierte Schicht bilden, weil sie das System anhalten könnten, und in eine Masse Konsumenten. Die Masse der Konsumenten dürfte wahrscheinlich sogar wählen, sie dürfte vielleicht Volksabstimmungen abhalten. Politisch wäre sie aber de facto machtlos.

Auch die Regierungen und Parlamente wären machtlos dem Willen der Besitzenden und Privilegierten ausgeliefert. Die Besitzenden und Privilegierten wären dann die einzigen die die Existenz der Gesellschaft sichern würden. Das gäbe ihnen absolute Macht in nie gekanntem Ausmaß.

Ich wundere mich wenn Menschen, die sich als links denkend bezeichnen, die Forderung nach Nicht-Arbeit vertreten. Die These, dass die Menschen dann Zeit für Bildung, Kreativität und Kultur hätten, ist bestechend, aber falsch.

Wer bestimmt denn dann was Bildung ist? Ich empfehle das Gespräch von Beatty und Montag in Fahrenheit 451 zur Lektüre. Bildung reduziert auf nutzloses Wissen, wie hier:

Man beschäftigt die Leute mit Wettbewerben – wer am meisten Liedtexte auswendig kennt oder Hauptstädte aufzählen kann und dergleichen, man stopft ihnen den Kopf voll unverbrennbarer Tatsachen, bis sie sich zwar überladen, aber doch als >Fundgrube von Wissen< fühlen. Dann glauben sie, denkende Menschen zu sein und vorwärts zu kommen, ohne sich im Geringsten zu bewegen.*

Wer jetzt an „Wer wird Millionär“ denkt, der ist auf dem richtigen Weg. Der erste Schritt zur „Familie in den Wänden“ (bei Bradbury) ist mit den daily soaps schon längst getan. Bildung und Entertainment in einem kapitalistischen System ohne den Mensch der Arbeit – wollen wir das wirklich?

Was ist nun der Plan B**?

Wenn es weniger Arbeit*** gibt, dann muss sie auf mehr Menschen verteilt werden.

Wenn es weniger Arbeit gibt, dann ist der gesetzliche 8-Stunden-Arbeitstag zu lang.

Wenn es weniger Arbeit gibt, dann ist die gesetzliche 5-Tage-Arbeitswoche zu lang.

Ein Gegenargument wäre, dass es zu wenige Fachkräfte gibt. Die Antwort „Warum haben wir diese nicht ausgebildet und tun es auch heute nicht?“ drängt sich auf.

Wer soll diese zusätzlichen Arbeitskräfte bezahlen, schließlich soll die Arbeitszeitverkürzung ja keine Lohneinbuße nach sich ziehen? Die Antwort ist nicht in einen Satz zu fassen. Zum Ersten: Wir bezahlen als Gesellschaft auch ALG und ALG II. Dieses Geld bezahlen die Arbeitenden und die Unternehmen. Der Staat nimmt es nur ein und verteilt es. Zweitens: Sinn des kapitalistischen Wirtschaftssystems ist es, Waren und Leistungen zu produzieren und zu verkaufen. Mehr Arbeitende – mehr Umsatz von Waren und Leistungen. Als Drittes noch: Bei kürzerer Arbeitszeit steigt sowohl die Produktivität als auch die Qualität der Waren und Leistungen. Dazu gibt es Studien, bitte selbst googeln.

Ich habe einleitend geäußert, dass ich die Forderung nach dem BGE unterstütze. Für mich ist aber das BGE nicht als Bezahlung für Nicht-Arbeit gemeint. Ich sehe es als Voraussetzung für menschenwürdiges Leben und Arbeiten. Leben und arbeiten ohne Existenzangst ist eher mein Ansatz. Mit dem BGE wäre die Erpressbarkeit der Arbeitenden abgeschafft.

Es gibt im linken politischen Spektrum viele Volks- und Betriebswirte, Wirtschafts- und Politwissenschaftler und vor allem phantasievolle Menschen. Also stellt euch die Frage, ob eine Vollbeschäftigung mit einem 6-Stunden-Arbeitstag (für den Anfang), einer 4-Tage-Arbeitswoche und einem BGE politisch sinnvoll und wirtschaftlich machbar wäre. Ich bin der Meinung, dass ein solcher Ansatz aus vielen Gründen sinnvoller ist als ein „Recht auf Faulheit“****.

Ohne näher darauf einzugehen: Denkt auch darüber nach, welche Bildung wir brauchen, um das durchzuziehen.

Und nun ihr. Sagt mir, ob ich völlig falsch denke.

P.S. Ich habe hier bewusst auf Verlinkungen und ausführliche Ausarbeitung des Themas verzichtet. Der Artikel soll zum Neu-Denken anregen, Kritik wird gern entgegengenommen.

* Bradbury, Ray; Fahrenheit 451, Diogenes Taschenbuch 20862, ISBN 978-3-257-20862-7; Das gesamte Gespräch ist auf den Seiten 81-88 zu finden. Es enthält viele wichtige und gute und erschreckende Thesen. Ich kann es nur empfehlen.

** Warum ich Plan B statt Alternative verwende, ist hier zu finden.

*** Ein Hinweis: Es gibt nicht zu wenig Arbeit. Es gibt viele dringend notwendige Arbeiten, die nicht erledigt werden. Denkt an Verkehrswege (vor allem Gehweg), Pflegeberufe, Lehrberufe und viele andere mehr. Diese Arbeiten werden nicht erledigt, weil es angeblich an Geld und Arbeitskräften fehlt. Ist das nicht absurd?

**** Das „Recht auf Faulheit“ wird oft nicht so benannt, ist aber als Forderung in den Diskussionen um den Sinn der Arbeit versteckt. Ich habe schon darüber geschrieben.

Alternative oder Plan B

Seit einiger Zeit ist es im politischen Diskurs gefährlich das Wort Alternative zu verwenden. Schließlich ist die merkelsche CDU alternativlos und die AfD die Alternative. Daraus schließe ich, dass dieses Wort verbrannt ist und verwende lieber das Synonym Plan B.

Wie kann ein Plan B aussehen?

Dazu mache ich für mich eine Analyse der Alternative AfD.

Die AfD hat Inhalte, das ist wohl unbestritten. Mir passen die von ihr angebotenen Lösungen nicht, aber scheinbar finden über 10% der Menschen die tatsächlich an Wahlen teilnehmen diese interessant. Die anderen Parteien starren auf das Wahlergebnis der AfD, analysieren es zu Tode und werden wohl eine Strategie gegen die AfD entwickeln wollen.

Die wichtigste Frage für mich ist, worin die Inhalte der AfD Propaganda bestehen?

Kurz gesagt, sie sind die Antwort auf ein Sammelsurium von Ängsten und Bedenken der Menschen in Deutschland. Diese Antwort besteht im Großen und Ganzen aus Lösungen durch Reduzierung und Tradition.

Am Beispiel EU und Euro sieht man das deutlich. Die EU erlässt Vorschriften die niemand versteht und der Euro führt zur Finanzkrise. Das ist der reduzierende Faktor. Die Lösung liegt in der Tradition der Nationalstaaten und Nationalwährungen, was ist einfacher.

Warum funktioniert das?

Es funktioniert weil die Vertreter der EU und des Euro ebenso reduziert argumentieren. Als der Euro eingeführt wurde war das schlagendste Argument für die Menschen in der Euro-Zone, dass sie im Urlaub kein Geld mehr umtauschen müssen. Zu den Risiken und Nebenwirkungen des Euro gab es eine Packungsbeilage die so unverständlich war, wie die bei einem Herzmedikament.

In der Frage Zuwanderung und Asyl betreibt die AfD das gleiche Spiel. Das alte Argument „Ausländer nehmen uns Arbeitsplätze weg“ wird ergänzt mit den Kosten für Asylanten, der schleichenden Islamisierung (weiter rechts spricht man von Überfremdung) und der Kriminalitätsrate bei Migranten. Reduziert auf diese Aussagen ergibt sich zwangsläufig die Forderung nach der Rückkehr zu den traditionellen Grenzregimes der Nationalstaaten und einer restriktiven Asyl- und Zuwanderungspolitik.

Warum funktioniert das?

Die Befürworter einer modernen Gesellschaft, einer multikulturellen Gesellschaft, argumentieren genau so flach. Migranten sind nicht anders als Einheimische, ist meine kurze Zusammenfassung der meisten Aussagen und das ist falsch. Schon die Einheimischen sind nicht gleich, die Migranten schon gar nicht. Das merken die meisten Menschen und viele betrachten die Aussage der AfD als richtig.

Ich könnte diese Aufzählung fortsetzen mit Familienpolitik und vielen anderen Themen,das ist aber nicht nötig. Zusammenfassend ist die Argumentation der AfD ungefähr so: Die Anderen wollen euch etwas wegnehmen – wir erhalten eure Besitzstände.

Was wäre jetzt der Plan B?

Wir müssen nicht gegen die AfD kämpfen, wir müssen die Ängste der Menschen beseitigen.

Wir müssen nicht die Argumente der AfD immer wieder lächerlich machen, sondern bessere Argumente für unsere Meinungen zu den Themen finden und diese verständlich kommunizieren.

Zusammengefasst: Wir müssen aufhören uns mit der AfD zu beschäftigen und anfangen uns mit den Menschen zu beschäftigen.

Ganz kurz gesagt: Keine „Alternative für Deutschland“ sondern ein Plan B für Menschen.