Reha in Sachsen – unter Sachsen

Blick vom Raucherhaus zur Klinik

Ja, ich war nach meiner Operation vier Wochen zur Reha in der Median Klinik Bad Lausick und, bevor jemand fragt, die Reha hat keine Wunder bewirkt aber war hilfreich. Der Erfahrungsbericht muss sein, warum erfahrt ihr im Artikel.

Die Klinik

Im Großen und Ganzen gibt es da nichts zu meckern, natürlich nur wenn der Rehabilitand weiß was eine Reha ist. Einfach gesagt, die körperlichen Defizite nach der OP sollen weitgehend beseitigt werden.
Einige meiner Mit-RehabilitandInnen sahen das natürlich anders. Die Zimmer waren zu klein, die Ausstattung stimmte nicht, das Essen war den Gourmets nicht gut genug und vor Allem waren die Anwendungen, die ja eigentlich die Hauptsache sind, zu anstrengend oder es waren die falschen weil die dortigen ÄrztInnen ja (Grund siehe unter „Das Sachsen Biotop) keine Ahnung haben. Genug davon, der Aufenthalt unterschied sich, in dieser Hinsicht, nur marginal von der Reha 2015.
Ich war zum großen Teil zufrieden, besonders weil es mir im Laufe der 4 Wochen immer besser ging.
Allerdings gab es da etwas was mich störte.

Das Internet per WLAN

Wir sind ja in der heutigen Zeit verwöhnt, im Krankenhaus war WLAN kostenfrei verfügbar und zwar in einer guten Qualität.
Bei Median ist das etwas anders, man muss das WLAN bezahlen – 1€ pro Tag – und bekommt einen Benutzernamen und ein Passwort. Das Produkt nennt sich „Surf“ und es wird darauf hingewiesen, dass man nicht streamen kann.
Weiterhin kann man nur ein Gerät verbinden, im Vertrag steht: „Sobald ein neues Gerät sich mit diesen Benutzerdaten anmeldet, meldet sich das andere automatisch aus dem WLAN ab.“
Welch eine Überraschung für mich, dass es so natürlich nicht klappt.
Aber weiter im Vertrag: „Bitte beachten Sie, dass nach 12 bis 24 Stunden ein neuer Login erforderlich ist.“
Auch hier die Überraschung, es waren 24 Stunden und wenn auf dem Gerät der Login erforderlich war konnte man ein anderes anmelden.
Ich konnte die „Vertragserfüllung“ mit den MitarbeiterInnen klären, wie verrate ich hier nicht.
Allerdings habe ich seit Jahren nie so schlechtes Internet per WLAN zum Preis von 28,00 € für 4 Wochen gehabt.

Das Sachsen-Biotop

Das Kommunikationszentrum der Klinik ist, wie auch in vielen Firmen, der Raucherplatz. Der Chefarzt drückte es bei der „Einführung in die Rehabilitation“ so aus: „Wenn im Raucherhaus weißer Rauch aufsteigt, wird Politik gemacht.

Obwohl ich auch in Leipzig nicht in einer Blase lebe, war ich ehrlich erschüttert. Nicht nur wegen Balkenkreuz auf der Gehhilfe und Hitler als Bildschirmschoner auf dem Smartphone, sondern über „normale“ Gespräche. Beispielhaft Gespräche über die ÄrztInnen in der Klinik. Ja, es sind MitarbeiterInnen mit tschechischen, polnischen, russischen und arabischen Wurzeln und sie sprechen mit Akzent. Sie sind gute ÄrztInnen und wenn man gewillt ist zuzuhören, dann versteht man auch problemlos was sie sagen. Wenn man das aus rassistischen Gründen nicht will, dann hat man Futter für die eigene Meinung.

Es gab die ganze Bandbreite rechter Propaganda zu Migration, ausländischen Arbeitskräften, Ukrainekrieg und allem möglichen mehr. Die deutschen Rentner und die deutschen Arbeiter, die unter dem „Bevölkerungsaustausch“ leiden fehlten natürlich nicht. Auch Nostrodamus hat ja schon von Massen die übers Meer kommen geschrieben. Irgendwie kennen wir das ja alle – hier war es konzentriert.

Ich für meinen Teil habe oft diskutiert und widersprochen, Sinn hatte es nur wenn ich jemanden allein erwischte – in der Gruppe war kein herankommen.

Das für mich erschütterndste war, dass jede/r für sich ein privat netter und auch hilfsbereiter Mensch war – solange es nicht um politische Themen ging.

Natürlich waren nicht alle so, viele haben sich auch schweigend aus diesem Kreis zurückgezogen.

Bevor jetzt jemand sagt „Ja, ist eben Sachsen!“ Ich vermute, es ist ein deutsches Problem, wir bekommen es nur oft erst zu spät mit.

Was tun? Ich gestehe, ich wurde der Diskussionen müde, je länger ich dort war.

Erlebnisse mit Migranten

In Abwesenheit:

Am Donnerstagmorgen waren beim „Dealer meines Vertrauens“* die üblichen Kunden, also Hartz IV Empfänger, Frührentner und andere „Normalbürger“, anwesend. Während ich meine Drogen kaufte fiel der Satz „Da bin ich aus der Straßenbahn wieder raus, ist nicht auszuhalten mit den vielen Ausländern“. Ich bin ja auch nicht glücklich, dass nach der Spätschicht die Bahnen voll mit schnatternden, grölenden und telefonierenden Menschen sind. In welcher Sprache es lärmt ist mir egal. Die dicken schwitzenden Einheimischen sind manchmal lästiger als jeder Migrant. Es gibt auch schöne Augenblicke, wenn zum Beispiel ein nordafrikanisch aussehender Macho, mit Goldketten und allen anderen Accessoires, zärtlich in sein Telefon flötet und man deutlich hört, dass am anderen Ende ein Mann ist. Auch der ältere Araber zählt dazu, der in strengem Ton pöbelnde arabisch aussehende Jugendliche zurecht wies. Diese haben sogar auf ihn gehört, was im Falle einheimischer Jugendlicher meist weniger funktioniert. Also: nicht alles gut – aber keinesfalls so schlecht, wie der besorgte, oben zitierte, Bürger es sieht.

In Anwesenheit:

Beim Warten auf die Straßenbahn, am Samstag gegen 21.30 Uhr am Leipziger Hauptbahnhof, stand neben mir eine junge rothaarige Frau. Zwei arabisch aussehende Jungs (vielleicht 17 Jahre alt) stellten sich vor sie und sprachen sie an. Sie hielten aber Abstand. Ich lauschte natürlich nicht, konnte aber große Teile des Gesprächs verstehen. Sinngemäß ging das so: „Darf ich Dir sagen, dass Du wirklich hübsch bist?“ – sie lächelt (macht einen entspannten Eindruck) „Danke“ – „Mein Freund hier ist … (kann ich nicht verstehen) er wird einmal berühmt.“ – skeptisches Lächeln – „Wir werden beide berühmt in Leipzig! Gibt es berühmte Leipziger?“ – „Ja … (Name sagt mir nichts) ist auf Instagram berühmt.“ – „Auf Instagram ist das keine Kunst, ich habe einen Freund der kann Dir 10.000 Follower besorgen. Auf Youtube ist das schon was anderes.“ – sie lächelt wieder, die Bahn kommt „Meine Bahn, tschüss“ – „Tschüss, Du bist wirklich hübsch!“ Wir stiegen in die gleiche Bahn, die Frau und ich. Ich hätte sie gern gefragt, ob sie sich durch die Jungs belästigt gefühlt hatte. Der Augenschein sagte aber, sie war gelassen und leicht belustigt über den Flirtversuch. Also habe ich darauf verzichtet. Die Jungs machten, aus dem Fenster gesehen, ebenfalls einen zufriedenen Eindruck. Sie hatten eine Frau angesprochen, mit dem altersbedingt üblichen pfauenhaften Gespreize und der ebenso üblichen Unsicherheit, und waren nicht abgewiesen worden. Ein Flirtversuch, ein Lächeln und Tschüss – vielleicht haben sie ja mal Glück und bis dahin üben sie. Es gab kein Bedrängen, keine Anzüglichkeiten – Jungs eben. Nicht anders als überall – Alltag in Leipzig eben.

* Der “Dealer meines Vertrauens“ handelt staatlich lizenziert mit Drogen, sprich Alkohol und Tabak, in einem Ladengeschäft.

Alternative oder Plan B

Seit einiger Zeit ist es im politischen Diskurs gefährlich das Wort Alternative zu verwenden. Schließlich ist die merkelsche CDU alternativlos und die AfD die Alternative. Daraus schließe ich, dass dieses Wort verbrannt ist und verwende lieber das Synonym Plan B.

Wie kann ein Plan B aussehen?

Dazu mache ich für mich eine Analyse der Alternative AfD.

Die AfD hat Inhalte, das ist wohl unbestritten. Mir passen die von ihr angebotenen Lösungen nicht, aber scheinbar finden über 10% der Menschen die tatsächlich an Wahlen teilnehmen diese interessant. Die anderen Parteien starren auf das Wahlergebnis der AfD, analysieren es zu Tode und werden wohl eine Strategie gegen die AfD entwickeln wollen.

Die wichtigste Frage für mich ist, worin die Inhalte der AfD Propaganda bestehen?

Kurz gesagt, sie sind die Antwort auf ein Sammelsurium von Ängsten und Bedenken der Menschen in Deutschland. Diese Antwort besteht im Großen und Ganzen aus Lösungen durch Reduzierung und Tradition.

Am Beispiel EU und Euro sieht man das deutlich. Die EU erlässt Vorschriften die niemand versteht und der Euro führt zur Finanzkrise. Das ist der reduzierende Faktor. Die Lösung liegt in der Tradition der Nationalstaaten und Nationalwährungen, was ist einfacher.

Warum funktioniert das?

Es funktioniert weil die Vertreter der EU und des Euro ebenso reduziert argumentieren. Als der Euro eingeführt wurde war das schlagendste Argument für die Menschen in der Euro-Zone, dass sie im Urlaub kein Geld mehr umtauschen müssen. Zu den Risiken und Nebenwirkungen des Euro gab es eine Packungsbeilage die so unverständlich war, wie die bei einem Herzmedikament.

In der Frage Zuwanderung und Asyl betreibt die AfD das gleiche Spiel. Das alte Argument „Ausländer nehmen uns Arbeitsplätze weg“ wird ergänzt mit den Kosten für Asylanten, der schleichenden Islamisierung (weiter rechts spricht man von Überfremdung) und der Kriminalitätsrate bei Migranten. Reduziert auf diese Aussagen ergibt sich zwangsläufig die Forderung nach der Rückkehr zu den traditionellen Grenzregimes der Nationalstaaten und einer restriktiven Asyl- und Zuwanderungspolitik.

Warum funktioniert das?

Die Befürworter einer modernen Gesellschaft, einer multikulturellen Gesellschaft, argumentieren genau so flach. Migranten sind nicht anders als Einheimische, ist meine kurze Zusammenfassung der meisten Aussagen und das ist falsch. Schon die Einheimischen sind nicht gleich, die Migranten schon gar nicht. Das merken die meisten Menschen und viele betrachten die Aussage der AfD als richtig.

Ich könnte diese Aufzählung fortsetzen mit Familienpolitik und vielen anderen Themen,das ist aber nicht nötig. Zusammenfassend ist die Argumentation der AfD ungefähr so: Die Anderen wollen euch etwas wegnehmen – wir erhalten eure Besitzstände.

Was wäre jetzt der Plan B?

Wir müssen nicht gegen die AfD kämpfen, wir müssen die Ängste der Menschen beseitigen.

Wir müssen nicht die Argumente der AfD immer wieder lächerlich machen, sondern bessere Argumente für unsere Meinungen zu den Themen finden und diese verständlich kommunizieren.

Zusammengefasst: Wir müssen aufhören uns mit der AfD zu beschäftigen und anfangen uns mit den Menschen zu beschäftigen.

Ganz kurz gesagt: Keine „Alternative für Deutschland“ sondern ein Plan B für Menschen.