Richtungsstreit?

Wäre es denkbar, dass die Querschüsse gegen die Piraten nicht über die alten Parteien und die Totholzmedien kommen?

Kann es möglich sein, dass es einige bei uns gibt denen ein Schwanzvergleich oder Weitpisswettbewerb wichtiger ist als eine ernsthafte politische Arbeit?

Ist es vorstellbar, dass einige LautsprecherInnen mit ihrer 140-Zeichen-Kommunikation die Diskreditierung anderer MitgliederInnen als einziges Ziel haben?

Ehrlich gesagt; ich halte es leider für wahrscheinlich, dass es manchmal so ist.

Natürlich greifen die Totholzmedien und ihre digitalen Ableger die Konflikte in der Piratenpartei auf. Wir würden dies ja bei den anderen Parteien genau so machen. Aber sie sind längst nicht mehr das Problem für uns. Von den Altparteien rede ich nicht – die beachten uns schon nicht mehr.

Da wird doch wirklich viel über einen Richtungsstreit geschrieben. Das ist lachhaft! Es geht doch schon längst nicht mehr um eine Richtung – es geht um persönliche Befindlichkeiten.

Wie wäre es sonst erklärlich, dass jemand in einer Partei, die für Menschenrechte, Bürgerrechte und Redefreiheit steht, wegen einer anderen Meinung wahlweise als Faschist oder Stalinist bezeichnet wird?

Wie sich einige wohl denken können, mir geht es unter Anderem um den Partei-Austritt von Udo Vetter, er dient mir aber nur als Beispiel. Ich kenne ihn nicht persönlich, aber ich kenne sein Blog. In Einem gebe ich ihm Recht. Die anwaltliche Vertretung vor Gericht, gern und falsch als Verteidigung bezeichnet, ist ein Bürgerrecht und ein Menschenrecht. Ohne Wenn und Aber! Eine Diktatur zeichnet sich dadurch aus, dass sie dieses Recht den Andersdenkenden, Andersfarbigen, Andersgeschlechtlichen und/oder sonstigen Anderen nicht zugesteht. Oder sie gibt ihnen einen systemkonformen Alibi-Anwalt. Der Rechtsanwalt ist per Definition nicht der Anwalt des Angeklagten – er ist der Anwalt des (geltenden) Rechts. Nun mag ich persönlich von diesem geltenden Recht nicht überzeugt sein, dann ist es aber sinnlos auf den Anwalt einzuschlagen – ich muss mich politisch um die Änderung der Gesetzgebung bemühen.

Da hat der/die Eine oder Andere aber ein Problem.

Er/Sie muss sich outen, muss erklären wie das gehen soll ohne die Demokratie zu beschädigen.

Oder geht es dabei nicht mehr um Demokratie?

Wenn ich anfange zu verlangen, dass ein Nazi nur von einem ihm politisch nahe stehenden Anwalt vertreten werden darf, ist das demokratisch? Muss ein Rechtsanwalt sich als Nazi outen, besser gesagt; „muss er Nazi sein“, um dafür zu sorgen, dass einem Angeklagten sein Recht zuteil wird?

Absurd, ein der Vergewaltigung angeklagter Bürger darf dann nur von einem Anwalt rechtlich vertreten werden der selbst vergewaltigt. Die Anwälte eines der Steuerhinterziehung angeklagten Bürgers müssen dann vorher zugeben selbst den Fiskus geschädigt zu haben. Wenn der/die Angeklagte dann niemanden findet – Pech gehabt.

Anwalt des geltenden Rechts hat nur eine Bedeutung. Er/Sie sorgt dafür, dass der/die Angeklagte entsprechend des geltenden Rechts verurteilt wird. Mehr nicht. Es gehört nicht dazu sich gemein zu machen mit verbrecherischen Taten und/oder politischen Anschauungen die dem Angeklagten zur Last gelegt werden.

Wenn ihr das anders wollt, dann wollt ihr eine Diktatur.

Dann kann man vorverurteilen und wegsperren. Dann werden nur noch Alibi-Anwälte benötigt, um die noch demokratisch denkenden und fühlenden Menschen zu beruhigen.

Aber halt, das hatten wir doch schon mehrmals in der Geschichte Deutschlands. Erinnert ihr euch?

Wollt ihr das wirklich, nur um zu zeigen wer den Längeren hat?

Also ich gebe dann lieber zu, dass meiner kürzer ist und bleibe demokratisch.

Wenn ich jetzt bösartig wäre würde ich behaupten: „Es geht um den Richtungsstreit Demokratie vs. Diktatur.“ Nur gut, dass ich nicht so bin.

Der Artikel ist keine Verteidigung von Udo Vetter, er soll nur zeigen worum es bei einem Richtungsstreit nicht gehen soll. Es ufert aus.

P.S. Auch wenn ich es versucht habe, das mit dem länger und kürzer lässt sich nicht gendern. Ich meine es aber geschlechtsneutral. Ist kein alleiniges Männerding hetzutage.

P.P.S. Ich weise an dieser Stelle darauf hin, dass das Anwaltsbild der meisten aus US-amerikanischen Filmen, Serien und Büchern kommt. „Anwaltliche Vertretung“ heißt dort „Ich erzwinge einen Freispruch wider besseres Wissen“. Wer’s glaubt, sollte sich überlegen wem er/sie glaubt.

Ich muss da mal was erklären.

Aus einigen privaten Reaktionen zu meinen Artikeln habe ich einen gewissen Klärungsbedarf erkannt. Zugegeben ich verwende Begriffe die einigen sauer aufstoßen, das ist auch so gewollt. Wollte ich das nicht, dann würde ich andere Begriffe wählen.

Da wäre der von mir bevorzugte Terminus Bürger. Warum nicht „Einwohner von“ oder ein anderer Begriff? Der Bürger (Citoyen) ist für mich der politisch aktive und bewusst am gesellschaftlichen Geschehen teilnehmende „Einwohner“ einer Stadt, Gemeinde oder auch eines Staates. Der „Einwohner“ ist es nicht unbedingt. Somit ist auch „bürgerlich“ kein Schimpfwort. Es sei denn man benutzt es im Sinne von „bourgeois“. Das möge man dann aber voranstellen, damit ich beleidigt sein kann.

Gleiches gilt auch für die, von mir geliebte, Zusammenstellung „Menschen- und Bürgerrechte“. Menschenrechte betrachten wir als universell (besser wäre wohl global) gültig. Bürgerrechte sind dies nicht. Bürgerrechte sind die Mittel die wir als Bürger haben um unsere Menschenrechte durchzusetzen und zu reklamieren. Diese unterscheiden sich durchaus nach der Gesetzgebung unter der wir leben.

Wenn man mich also in ein „bürgerliches Lager“ innerhalb eine Partei steckt, dann kann ich damit leben (s.o.).

Eine Positionierung „rechts oder links“ kann niemand von mir erwarten – das wäre absurd. Wenn man in diesem Schema verhaftet ist, dann sollte bedacht werden was einen Diktator ausmacht. Egal ob einen rechten oder linken. Er beschneidet Menschen- und Bürgerrechte.

Ich bin für Menschen- und Bürgerrechte, also bin ich gegen Diktaturen. Egal welcher Ausrichtung. Ansonsten bin ich wohl eher links einzuordnen, das ist aber für mich nebensächlich. Rechts und links sind Schubladen, besonders wenn die Einordnung auf Twitter gebraucht wird. Wer mir oder anderen die Menschen- und Bürgerrechte beschneidet – der ist mein Gegner.

Den Begriff „liberal“ vermeide ich, er ist leider von einer ebenfalls unter 5% Partei belegt. Dort meint man aber eigentlich „marktliberal“. Ansonsten würde ich ihn gern gebrauchen. Er bedeutet nämlich Freiheit. Freiheit der Rede, des Denkens, Versammlungsfreiheit und vieles andere mehr. Also schieße ich nicht gleich gegen jemanden, nur weil er sich mit diesem Etikett schmückt.

Eine kleine Anmerkung noch zum Schluss. Wenn ich manche Diskussionen so höre oder Pseudodiskussionen lese, dann erinnert mich das an ein Lied aus meiner Kindheit. Es wurde später nicht einmal mehr in der DDR gesungen. Die Textstelle lautet:

Und wer kämpft für das Recht, der hat immer recht.*

Also eines meiner Lieblingszitate der heiligen Inquisition trifft es da besser „Erschlagt sie alle, der Herr wird die Seinen erkennen.

Wenn ihr meint im Recht zu sein, recht zu haben, dann überlegt euch doch bitte ob ihr mit allen Mitteln recht haben müsst. Den Anderen zuhören, das Gehörte durchdenken und dann eine fundierte Antwort geben – auch wenn die heißt „Ich muss nochmal darüber nachdenken.“ das wäre mal ein Anfang.

P.S. Bevor ich es vergesse, ich „gendere“ meine Texte nur selten. Mag sein, dass es Altersstarrsinn ist. Eigentlich ist es die Gewohnheit. Aber in meiner Kindheit waren eben andere Aussagen hinter „gegenderten“ Begriffen zu finden. Meine Großmutter wäre gern Arzt geworden. Nicht Ärztin, die gab es auch aber sie spielte eben immer die zweite Geige hinter dem „richtigen Arzt“. Und das wollte sie werden. Hat vielleicht abgefärbt. Ist aber kein Sexismus. Also sorry.

* Aus „Das Lied der Partei“ Louis Fürnberg 1950

Piraten am Gängelband der Medien?

Davon war im Zusammenhang mit dem unsäglichen #bombergate viel die Rede. Es wurde davon geschrieben, dass die „Totholzmedien“ und ihre digitalen Ableger zu viel Aufmerksamkeit auf dieses Thema lenken und den innerparteilichen Richtungsstreit entfacht haben und am Laufen halten. Über diese würden Verleumdungen transportiert und so weiter und so fort.

Merkt ihr eigentlich noch was?

Geht man mal einige wenige Jahre in der Geschichte zurück, dann findet man Zeitungsmeldungen über ehemalige NPD-Mitglieder in der Piratenpartei (hab darüber geschrieben), zu wenige Frauen in den Leitungsgremien, Forderungen nach einem „Komplettprogramm“ für Wahlen und vieles andere mehr. In den „wohlmeinenden Altmedien“.

Es wurde auch prompt darauf reagiert. Ob nun ein ehemaliges NPD-Mitglied sich ändern kann (gebe zu, das ist fraglich) stand nicht zur Debatte. Zu wenige Frauen, nicht nur in Leitungsgremien sondern in der Gesamtpartei, da lassen sich welche finden. Hauptsache Frauen. An der Stelle: Das ist kein Angriff auf unsere Piratinnen! Es ist eine rein geschichtliche Betrachtung. Komplettes Parteiprogramm ist auch kein Problem, links positionieren und zu allem erst mal Stellung nehmen.

Der heutige Richtungsstreit ist wohl zu großen Teilen auf ebendieses Eingehen auf die Gängelung durch die Medien zurückzuführen. Originäre Inhalte des Programms gingen nicht verloren, traten aber in den Hintergrund. Heute ist der „Kampf gegen Rechts“ für einige Mitglieder wichtiger als der gegen Überwachung.

Ich mache mir da nichts vor. Mit der Konzentration auf die Inhalte Menschen- und Bürgerrechte, ja die Freiheit des Internet, die Freiheit der Meinungsäußerung, Informationsfreiheit usw sind Menschen- und Bürgerrechte, hätte vielleicht nicht so schnell das Berliner Ergebnis gebracht. Aber sie wäre vielleicht nachhaltiger gewesen.

Wir brauchen also heute nicht über das „am Gängelband der Medien“ zu heulen.

Es kommt darauf an etwas zu tun.

Wie wird die nächste Forderung die über die „Altmedien“ kommuniziert wird sein. Ich vergaß, sie ist ja schon gestellt. „Trennt euch von den linken Mitgliedern!“ lautet sie.

Was machen wir denn nun? Wieder darauf eingehen? Oder machen wir uns mal Gedanken über unsere Inhalte. Ob es den Medien nun passt oder nicht.

Wenn wir, die Piraten, der Meinung sind, unsere originären Inhalte reichen aus – wer soll uns reinreden.

Wenn wir sagen, dass rechts oder links nicht die Frage ist – weil wer für Menschen- und Bürgerrechte eintritt immer eher links ist – wer soll uns daran hindern.

Wenn wir sagen Wir besetzen unsere Gremien entsprechend der Eignung – unabhängig von Rasse, Geschlecht und sozialer Herkunft – was wäre daran schlecht?

Ich habe schon mal geschrieben „Ich distanziere mich nicht!“ – das gilt auch für diesen Artikel.

Ich habe keinen Anspruch auf die Kenntnis der Wahrheit – ich habe ein Recht auf meine Meinung.

Die habe ich euch hier gesagt. Mehr nicht.