Bedingungen – Ausschlusskriterien

Eigentlich wollte ich den Artikel über Bedingungen und Ausschlusskriterien „Jesus und linke Gesinnung“ nennen, aber das wäre wohl missverständlich gewesen. Damit ist wohl erkennbar, worum es gehen soll und so beginne ich, wie schon oft, mit einem historischen Exkurs. Für die Wissenschaftler aller Coleur unter den Lesern sei gesagt: „Ich vereinfache gnadenlos – Das ist kein wissenschaftlicher Artikel!

Christen und Ausschlusskriterien

Lang ist es her, an die 2000 Jahre, da traten die ersten Christen in die Gesellschaft des römischen Reiches hinein. Ihr Glauben war einfach, denn Jesus (ihr Prophet) hatte gesagt:

Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer mein Wort hört und glaubt dem, der mich gesandt hat, der hat das ewige Leben und kommt nicht in das Gericht, sondern er ist vom Tode zum Leben hindurchgedrungen. [Joh. 5.2]

An Jesus als den „Gesandten Gottes“ und also an Gott zu glauben, einige klare Regeln zu befolgen – das war einfach. Sie gründeten also Gemeinden, überzeugten andersgläubige Menschen, trotzten Verfolgung und Gefahren. Am Ende wurde das Christentum eine Herrschaftsreligion mit Bedingungen, wie der Einhaltung von Ritualen, dem Herrschaftsanspruch des Papstes und ähnlichem, was folglich zu Ausschlusskriterien führte. Der Glauben an Gott und den Gesandten reichte nicht mehr, wer z.B. nicht an die Jungfräulichkeit Mariens glaubte, war ausgeschlossen.
Genug mit dem Christentum – gehen wir zu den linken Ausschlusskriterien. Wenn ich hier von „Linken“ spreche, beschränkt sich das nicht auf die Partei dieses Namens.

Linke und Ausschlusskriterien

Das gleiche (zumindest ähnliche) Bild finden wir in der linken Bewegung, historisch gesehen: In der Arbeiterbewegung.
Zu Beginn war es einfach: Soziale Politik für die Unterdrückten stand der linken Bewegung im Sinn – die revolutionäre Erhebung der Unterdrückten als Ziel der Bewegung war nicht der allgemeine Konsens, es gab durchaus auch zu Beginn Strömungen, die den rein politischen Weg verfolgten.
Die erste Bedingung, die zu Ausschlusskriterien führte, war 1917 mit der siegreichen Revolution in Russland geschaffen. Wer nicht an das Vorbild der Sowjetunion und der KPdSU(B), die Unausweichlichkeit der (blutigen) Revolution und den Internationalismus glaubte – der konnte nicht (im Sinne der Kommunisten) links sein. Bestrebungen der Transformation der kapitalistischen Gesellschaft, einer nationalen parlamentarischen Arbeit – die erst die nationale Verbesserung der Lage der Arbeiter anstrebte und nicht die internationalistische Arbeit in den Vordergrund stellte – waren kleinbürgerlich revisionistisch, ihre Vertreter wurden als „nicht links“ betrachtet.
Die Spaltung in Kommunisten und Sozialdemokraten sowie der Sieg des Nationalsozialismus sind geschichtliche Fakten, die ich hier nicht näher erklären muss aber ich sehe im Ausschluss von Menschen aus der linken Bewegung durch die gestellten Bedingungen eine gewisse Kausalität.

Linke Ausschlusskriterien heute

Ich möchte diese Kriterien am Beispiel der Piratenpartei in Deutschland erläutern, nicht weil ich dieser schaden will (ich gehörte ihr an – bin aber ausgetreten als die Bedingungen zu rigide wurden). Sie bietet sich einfach als Beispiel an – andere linke Parteien kranken an den gleichen Symptomen, nicht zuletzt dadurch, dass die „Wanderprediger der Bedingungen“ zu diesen weiter gezogen sind.
Die Piratenpartei gründete sich (nach meinem Verständnis) als Partei von Menschen, welche die Freiheit des Internets verteidigen wollten. Die Freiheit des Internets bedeutet hier: „Freiheit der Kunst, Kultur und Bildung“. Freier Zugang zu den Inhalten für alle Menschen – möglichst kostenfrei oder zumindest für alle erschwinglich. Das ist durchaus ein linker Ansatz.
Was dann kam, habe ich 2012 beschrieben. Medien und andere Parteien suchten genüsslich nach Schwachstellen und fanden diese in „rechten Tendenzen“ einiger Mitglieder und Strömungen. Durch die Auseinandersetzung mit (vermeintlich) rechten Tendenzen, welche durch eine in der DNA der Piratenpartei eingeschriebene Öffentlichkeit des Streits noch weiter befeuert wurde, gewannen die „Wanderprediger der Bedingungen“ – besser „Wanderprediger der reinen linken Ideologie“ – an innerparteilicher Macht und versuchten die Piraten auf Linie zu bringen. Bedingungen wurden Antifaschismus (im Sinne der Antifa), Feminismus, gendergerechte Sprache, Kampf gegen Hartz IV, Kampf um das BGE und vieles andere mehr. Ich will die Wichtigkeit der einzelnen Themen nicht in Frage stellen, aber aus den Piraten wurde eine Partei, die zwar ein umfassendes Programm – aber keine Identität mehr hatte. Glücklicherweise arbeiten viele gute Menschen heute wieder an dieser – Viel Erfolg!
Die „Wanderprediger der Bedingungen“ sind weiter gezogen, sie nerven heute in anderen Parteien. Sie sind an sich auch nur ein Symptom – nicht die Ursache – der Probleme der linken Bewegungen.

Der Streit um Ausschlusskriterien

Wir haben uns daran gewöhnt, die SPD, die Linke und die Grünen als linkes Spektrum im Bundestag zu betrachten. Jede dieser Parteien hat ihre Bedingungen und Ausschlusskriterien für die Zugehörigkeit – das ist normal und auch gut.
Weniger gut ist, dass selbst für die Beschreibung „links“ Bedingungen gestellt werden – zumindest in den sozialen Medien. Diese sozialen Medien haben einen Stellenwert erreicht, der unangemessen ist – weil sich viel zu viele Menschen der Diskussion dort entziehen und sich auf das Konsumieren dieser Diskussionen beschränken. Außerdem ziehen die Thesen, die dort von einer überschaubaren Anzahl von Teilnehmern diskutiert werden, auch in die klassischen Medien fast ungefiltert ein.
Wenn man es richtig betrachtet, dann wird der vermeintliche gesellschaftliche Diskurs in den sozialen Medien von wenigen Menschen geführt. Besser gesagt, auf Grund der hohen Nutzerzahlen sozialer Medien wird diese Diskussion als gesellschaftlicher Diskurs wahrgenommen und hält sogar in die parlamentarische Arbeit Einzug.
Hier sind die linke Bewegung und somit auch die linken Parteien ins politische Hintertreffen geraten.
Wer nämlich nicht alle Bedingungen für „links“ erfüllt, wird in den sozialen Medien als „rechts“ abgestempelt. In den sozialen Medien wird nicht hinterfragt – es wird verurteilt.
Ein taugliches Beispiel (ohne Wertung) ist die Aussage von Sahra Wagenknecht zu „kriminellen Schlepperbanden“ – ich schrieb dazu. Statt nachzufragen wurde gehasst – ich kann das nicht anders ausdrücken. Die zur Linken gewechselten „Wanderprediger der Bedingungen“ standen dabei in vorderster Front. Ich habe im oben verlinkten Artikel geschildert, wie ich diese Aussage lesen kann – ob sie so gemeint war, weiß ich nicht und erwarte auch keine Antwort – aber eine Diskussion ist wesentlich besser als Hass und Ausschluss. Es gibt inzwischen so viele Bedingungen um „links“ zu sein, dass der politisch weniger interessierte Wähler sich oft nicht mehr mit „links“ identifizieren kann.

Fazit

Um wirklich linke Politik zu machen, benötigen wir eine Aussage, was „links“ ist – mit einem Minimum an Bedingungen und Ausschlusskriterien – um auch viele, die heute den (fast) bedingungslosen rechten Ideologen auf den Leim gehen, von dort zurückzuholen.
Wir brauchen nicht „einfache Antworten auf komplizierte Fragen“ – wir müssen überhaupt erst einmal Fragen zulassen und beantworten.
Meine Ausschlusskriterien sind einfach:

Es darf über alles gesprochen werden, was die Menschenrechte nicht verneint.
Die Menschenrechte für alle Menschen und überall sind der Minimalkonsens.

Die Bedingungen ergeben sich (für Deutschland) aus dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und für Linke steht die Verbesserung der sozialen Lage aller Menschen im Vordergrund.

Das wars dann schon, oder?

Bildnachweis: unter CCO Creativ Commons by succo

Sonn- und Feiertagsarbeit im Callcenter

Bei diesem Thema stehe ich, wie man so sagt, zwischen Baum und Borke.

Was ist geschehen?

Ver.di und zwei evangelische Gemeindeverbände hatten gegen die Sonn- und Feiertagsarbeit in Hessen geklagt und das Bundesverwaltungsgericht gab ihnen mit Urteil vom 26.11.2014 Recht. Ich habe bereits darüber geschrieben. Jetzt kämpft der Branchenverband gegen eine Ausweitung des Verbotes auf ganz Deutschland.

Meine Meinung dazu

Als Arbeitnehmer, in meinem Falle Callcenter-Agent, möchte ich einerseits gern jeden Sonntag und die Feiertage mit der Familie verbringen. Andererseits sind die Ausgleichstage in der Woche angenehm, ich kann ohne den üblichen Zeitdruck durch Öffnungszeiten viele Dinge entspannt erledigen.

Als Betriebsrat sehe ich selbstverständlich die familiären Belastungen der MitarbeiterInnen, besonders derer mit Kindern. Ich sehe natürlich auch die Probleme, die für den Arbeitgeber bei einem Verbot der Sonn- und Feiertagsarbeit entstehen würden.

Überhaupt keine Zweifel habe ich als Kunde. Da bin ich mir sicher, dass diese Callcenter am Sonntag arbeiten sollen. Wenn ich nämlich in einer „normalen“ Firma arbeite habe ich ja am Samstag Zeit einzukaufen und am Sonntag kann ich mich dann telefonisch um Probleme kümmern.

Gesetzliche Grundlage der Sonn- und Feiertagsruhe

Ich möchte hier kurz auf die Grundlage des allgemeinen Verbots der Sonn- und Feiertagsarbeit eingehen. Hilfreich dabei ist, dass der Deutsche Bundestag am 18.02.2016 endlich einen Großteil der rund 4.000 Ausarbeitungen des Wissenschaftlichen Dienstes aus den Jahren 2005 bis 2015 ins Netz gestellt hat. In „Der Sonn- und Feiertagsschutz für Beschäftigte“ vom 27.11.2014 (Nr. WD 6-3000-217/14) wird die Regelung im Arbeitszeitgesetz historisch abgeleitet und bis zu den neuesten Urteilen betrachtet. Ich werde mich in der Folge auf diese Ausarbeitung beziehen.

Im Jahre 1919 verabschiedete die Weimarer Nationalversammlung Art. 139 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) mit dem Wortlaut: “Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt”. Seither genießen die Sonn- und Feiertage ausdrücklich verfassungsrechtlichen Schutz, denn Art. 139 WRV gilt noch heute in unveränderter Fassung über Art. 140 Grundgesetz (GG) fort. [ebenda S.4]

Dieser grundgesetzlich verankerte Schutz wird über das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) in den Paragraphen 9 bis 15 geregelt, verantwortlich für die Durchsetzung und Ausnahmeregelungen sind die Bundesländer.

Soweit zu den gesetzlichen Regelungen, ich möchte das nicht weiter ausführen. Bei Interesse empfehle ich das oben verlinkte Dokument, welches auf nur 18 Seiten eine gute Zusammenfassung enthält.

Ein Hinweis noch: Die Ruhe an Sonn- und Feiertagen diente unter anderem der „seelischen Erhebung“, das war eine Forderung der Amtskirchen. Das ist in einem säkularen Staat, meines Erachtens nach, keine Grundlage für ein Gesetz.

Wer arbeitet an Sonn- und Feiertagen?

Wie viele Arbeitnehmer arbeiten eigentlich an Sonn- und Feiertagen in Deutschland? Auch hierauf hat die Ausarbeitung eine Antwort.

In der Gesamtbetrachtung aller Erwerbstätigen (einschließlich der selbstständig Tätigen und der Auszubildenden) waren 2013 bei insgesamt 39,618 Millionen Erwerbstätigen 11,107 Millionen von Sonn- und/ oder Feiertagsarbeit betroffen, dies entspricht einem Prozentsatz von 28,04%. Hierbei finden jedoch auch diejenigen Erwerbstätigen Berücksichtigung, die lediglich „gelegentlich“ Sonn- und/oder Feiertagsarbeit nachgehen – diese belaufen sich in absoluten Zahlen auf 5,312 Millionen Erwerbstätige. [ebenda S.4]

Rund ein Viertel der Arbeitnehmer in Deutschland arbeiten also zumindest gelegentlich an Sonn- und Feiertagen und deren Anteil wächst ständig. Geht man davon aus, dass ungefähr drei Viertel der Arbeitnehmer im Dienstleistungssektor tätig sind, ist das Wachstum wohl auch größtenteils diesem Sektor zuzuweisen.

Aus eigener Erfahrung können wohl alle bestätigen, dass wir die Dienstleistungen gern auch an Sonn- und Feiertagen in Anspruch nehmen wollen, leisten sollen diese Dienste aber möglichst andere.

Bezahlung für Arbeit an Sonn- und Feiertagen

Hier komme ich erstmalig auf die Callcenter zu sprechen. Die Zuschläge für Sonn- und Feiertagsarbeit sind nicht gesetzlich geregelt, es gibt nur Obergrenzen für die Steuerfreiheit gemäß Einkommenssteuergesetz (EStG) § 3b. Eine generelle Regelung für die Branche wäre in einem Tarifvertrag zu fassen. Diesen gibt es aber nicht, da mangels eines Arbeitgeberverbandes einer der Tarifpartner fehlt. Das hat die Auswirkung, dass Zuschläge in verschiedener Höhe oder auch keine Zuschläge gezahlt werden. Hier beziehe ich mich auf eigene Erfahrungen aus drei Callcentern und auf Erfahrungsberichte anderer AgentInnen.

Wahrscheinlich ist dieser Mangel einer der Gründe, warum AgentInnen die Klage von ver.di unterstützen. In vielen Callcentern haben die Beschäftigten keinen Anreiz für Sonn- und Feiertagsarbeit.

Ausnahmen vom Verbot

Die Ausnahmen sind vom Gesetzgeber eng gefasst und in §§ 10 bis 15 ArbZG festgelegt. Für die Callcenter-Branche kommt wohl nur die Ausnahme gem. § 13.5 in Betracht, so argumentiert auch der Branchenverband.

(5) Die Aufsichtsbehörde hat abweichend von § 9 die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen zu bewilligen, wenn bei einer weitgehenden Ausnutzung der gesetzlich zulässigen wöchentlichen Betriebszeiten und bei längeren Betriebszeiten im Ausland die Konkurrenzfähigkeit unzumutbar beeinträchtigt ist und durch die Genehmigung von Sonn- und Feiertagsarbeit die Beschäftigung gesichert werden kann.

Ist diese Ausnahme zutreffend?

Meiner Meinung nach ist sie zutreffend. Hier nochmals kurz zur Erklärung des Begriffs Callcenter, wie ich in einem früheren Artikel geschrieben habe:

Zusammenfassend gesagt, ist ein Callcenter ein „Telefon-Beratungszentrum“. Der Begriff sagt nichts weiter aus, schon gar nicht, ob es sich um eine Einrichtung eines Anbieters oder um einen externen Dienstleister handelt.

Die meisten großen Anbieter, die also als Auftraggeber der externen Callcenter fungieren und auch viele große externe Dienstleister sind bereits international aufgestellt. Das lässt mich befürchten, dass diese im Falle eines generellen Verbots der Sonn- und Feiertagsarbeit Arbeitsplätze ins Ausland verlagern. Selbst wenn das nur für die Zeiten an Sonn- und Feiertagen gelten würde, hätte es Auswirkungen auf die Beschäftigungssituation in Deutschland. Für eine 6-Tage Arbeitswoche braucht man eine geringere Anzahl an Arbeitskräften als für eine 7-Tage Woche. Die betriebswirtschaftliche Berechnung des Arbeitskräftebedarfs möchte ich hier nicht ausführen.

Dabei wird es aber nicht bleiben. Wenn sich Callcenter im Ausland für den deutschen Markt etabliert haben, dann werden sie auch weitere Arbeitszeiten abdecken. Lockere Arbeitszeitregelungen, keine oder geringere Arbeitnehmermitbestimmung werden das für die Auftraggeber und die Callcenter-Betreiber attraktiv erscheinen lassen. Nur als Hinweis: Wir reden über eine Branche mit über einer halben Million Arbeitsplätzen.

Fazit

Ich persönlich, als Callcenter-Agent, bin für die Weiterführung der Sonn- und Feiertagsarbeit im Callcenter.

Als Betriebsrat und auch persönlich sehe ich erforderliche Verbesserungen durch die Arbeitgeberseite. Das sind zum Beispiel einheitliche Zuschläge für Sonn- und Feiertagsarbeit, die sich an der oberen Grenze der Steuerfreiheit orientieren sollten und natürlich eine sozial verträgliche und familienfreundliche Gestaltung der Dienstpläne. Letzteres lässt sich in jedem Callcenter durch die Verantwortlichen gestalten.

Für die erste Forderung ist aber, meiner Meinung nach, die Gründung eines Arbeitgeberverbandes als Tarifpartner der Gewerkschaften und der Abschluss eines Tarifvertrags für Callcenter erforderlich. Das ist aber wohl nicht zu erwarten, wenn ich die Verlautbarungen des Call Center Verbands (CCV) lese.

Vorteilhaft wäre ein guter Tarifvertrag auf jeden Fall. Er würde die Arbeitnehmer ins Boot der Arbeitgeber gegen das Verbot der Sonn- und Feiertagsarbeit holen und somit auch den Gewerkschaften den Grund für weitere Klagen nehmen.

P.S. Ich erhebe keinen Anspruch auf Vollständigkeit bei den benannten erforderlichen Verbesserungen. Ich möchte aber darauf hinweisen, dass ein Verbot der Sonn- und Feiertagsarbeit auch das Bestreben der Branche nach automatisierten Lösungen wachsen lässt. Das wiederum kostet ebenfalls Arbeitsplätze.

Wäre ich auch ein Landesverräter?

LandesverraeterKeine Angst, ich maße mir nicht an, auf einer Stufe mit Markus und Andre zu stehen und mein Blog ist auch nicht mit Netzpolitik vergleichbar.

Trotzdem kommen mir komische Gedanken.

Am 12. Juni 2014 schrieb ich den Artikel Echtzeitüberwachung der sozialen Netzwerke in der Flaschenpost.

Mir lagen keine internen Dokumente des BND oder anderer Geheimdienste vor. Hätten mir diese vorgelegen, ich hätte sie auf jeden Fall veröffentlicht. Wäre der Artikel dann aus rechtlichen Gründen nicht in der Flaschenpost erschienen, dann hätte ich ihn in meinem Blog gepostet.

Ob eine solche Veröffentlichung unter die Pressefreiheit fällt, ist aus mehreren Gründen fraglich.

Im Artikel 5 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland ist eindeutig ausgeführt:

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

So genannte Geheimdokumente, im Sinne des Staatsgeheimnisses sind selbstverständlich keine allgemein zugänglichen Quellen und der §7 des Strafgesetzbuches gehört zu den Vorschriften der allgemeinen Gesetze. Fallen also solche Veröffentlichungen nicht unter die Meinungs- und Pressefreiheit?

Mit meinen rudimentären juristischen Kenntnissen und etwas Arbeit mit Suchmaschinen dürfte ich also nicht einmal daran denken solche Dokumente zu veröffentlichen. Warum würde ich es trotzdem tun?

Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland sagt im Artikel 20:

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

Wir leben in einer Republik. Wer es vergessen hat: Republik kommt von res publica, also öffentliche Angelegenheit. Ohne Öffentlichkeit ist dieser Staat keine Republik. Den Begriff Demokratie muss ich wohl nicht näher erläutern.

Journalisten, Blogger und alle, die irgendwo publizieren, stehen also vor den Fragen: Wann müssen Geheimnisse öffentlich gemacht werden? Und: Wann lohnt sich das Risiko, dass ich mich strafbar mache?

Hier zeigen sich natürlich die Grenzen des §94 Strafgesetzbuch (Landesverrat), nach dem der Generalbundesanwalt Markus und Andre gern angeklagt hätte.

In dem Paragraphen ist ausdrücklich der Tatbestand beschrieben:

(1) Wer ein Staatsgeheimnis

1. einer fremden Macht oder einem ihrer Mittelsmänner mitteilt oder

2. sonst an einen Unbefugten gelangen läßt oder öffentlich bekanntmacht, um die Bundesrepublik Deutschland zu benachteiligen oder eine fremde Macht zu begünstigen,

und dadurch die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland herbeiführt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

Für mich stehen zwei Dinge außer Frage:

Die Veröffentlichung der Dokumente bei Netzpolitik benachteiligt nicht die Bundesrepublik Deutschland oder begünstigt eine fremde Macht, es sei denn, die Bürger der Bundesrepublik werden von der Regierung oder zumindest von den Geheimdiensten als fremde Macht betrachtet.

Die „Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit“ ist ebenfalls fraglich. Eher besteht eine Gefahr für die gewählten Volksvertreter und Parteien bei den nächsten Wahlen.

Für mich stellt sich eher die Frage, ob es weiterhin genügen soll, einen Stempel „Vertrauliche Verschlusssache“ oder ähnliches auf ein Dokument zu drücken, um Handlungen gegenüber den BürgerInnen zu verbergen. Oder muss die Klassifizierung von schutzwürdigen Geheimdokumenten in einer Demokratie überdacht werden?

Wenn dieser Zustand beibehalten wird, dann ist die Handlung von Markus und Andre gemäß dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Art. 20 zu betrachten:

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Es geht hier weniger um Pressefreiheit – es geht um das Wahrnehmen unserer demokratischen Rechte.

P.S. Der Begriff „Landesverrat“ stört mich übrigens. Er rückt den „Landesverräter“ in die Ecke die früher mit „Volksschädling“ gekennzeichnet war.