Vollbeschäftigung ist eine politische Forderung,

die allen linken Parteien programmatisch gut zu Gesicht stehen würde. Das scheint auf den ersten Blick eine absurde Aussage zu sein, schließlich vertrete ich das Bedingungslose Grundeinkommen (BGE). Warum also plötzlich meine Forderung nach Vollbeschäftigung?

In der letzten Zeit beschäftigen sich viele Menschen mit der neuen Arbeitswelt, die durch Automatisierung, Digitalisierung, Robotik und weitere technische Errungenschaften entstanden ist. Viele behaupten nun, dass der Anteil der menschlichen Arbeit immer weiter zurückgeht und somit eine Vollbeschäftigung nicht mehr erforderlich oder auch nicht mehr möglich ist.

Diese Aussage birgt politisches Dynamit in sich, besser noch: einen politischen Kernsprengkopf.

Nicht genug damit, dass sie eine Spaltung der Gesellschaft in arbeitende und nichtarbeitende Menschen für gut befindet, sie fördert diktatorische Machtverhältnisse.

Mensch der Arbeit, aufgewacht!

Und erkenne deine Macht!

Alle Räder stehen still,

Wenn dein starker Arm es will.

diese Strophe aus dem „Bundeslied für den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein“ von Georg Herwegh war immer ein wichtiger Bestandteil der Arbeiterbewegung. Allerdings hieß es da noch Mann der Arbeit. Diese Bezeichnung habe ich im Sinne der Geschlechtergerechtigkeit geändert. Was aber, wenn es den Mensch der Arbeit nicht mehr gibt?

Ein politisches Grausen zieht durch mein Gemüt. Automatisierte Fabriken, Supermärkte, in denen Roboter die Regale auffüllen, und Kassen-Roboter, fahrerlose Autos, Straßenbahnen, Busse und Züge, Pflegeroboter, Robocops und Robosoldiers und so weiter ersetzen den Mensch der Arbeit. Ein System mit wenigen Menschen, die die Abläufe betreuen. Und das alles in einem kapitalistischen System.

Wir hätten dann eine Spaltung der Gesellschaft in Besitzende – schließlich bleibt das System kapitalistisch – in wenige Arbeitende (Systembetreuer), die dann eine privilegierte Schicht bilden, weil sie das System anhalten könnten, und in eine Masse Konsumenten. Die Masse der Konsumenten dürfte wahrscheinlich sogar wählen, sie dürfte vielleicht Volksabstimmungen abhalten. Politisch wäre sie aber de facto machtlos.

Auch die Regierungen und Parlamente wären machtlos dem Willen der Besitzenden und Privilegierten ausgeliefert. Die Besitzenden und Privilegierten wären dann die einzigen die die Existenz der Gesellschaft sichern würden. Das gäbe ihnen absolute Macht in nie gekanntem Ausmaß.

Ich wundere mich wenn Menschen, die sich als links denkend bezeichnen, die Forderung nach Nicht-Arbeit vertreten. Die These, dass die Menschen dann Zeit für Bildung, Kreativität und Kultur hätten, ist bestechend, aber falsch.

Wer bestimmt denn dann was Bildung ist? Ich empfehle das Gespräch von Beatty und Montag in Fahrenheit 451 zur Lektüre. Bildung reduziert auf nutzloses Wissen, wie hier:

Man beschäftigt die Leute mit Wettbewerben – wer am meisten Liedtexte auswendig kennt oder Hauptstädte aufzählen kann und dergleichen, man stopft ihnen den Kopf voll unverbrennbarer Tatsachen, bis sie sich zwar überladen, aber doch als >Fundgrube von Wissen< fühlen. Dann glauben sie, denkende Menschen zu sein und vorwärts zu kommen, ohne sich im Geringsten zu bewegen.*

Wer jetzt an „Wer wird Millionär“ denkt, der ist auf dem richtigen Weg. Der erste Schritt zur „Familie in den Wänden“ (bei Bradbury) ist mit den daily soaps schon längst getan. Bildung und Entertainment in einem kapitalistischen System ohne den Mensch der Arbeit – wollen wir das wirklich?

Was ist nun der Plan B**?

Wenn es weniger Arbeit*** gibt, dann muss sie auf mehr Menschen verteilt werden.

Wenn es weniger Arbeit gibt, dann ist der gesetzliche 8-Stunden-Arbeitstag zu lang.

Wenn es weniger Arbeit gibt, dann ist die gesetzliche 5-Tage-Arbeitswoche zu lang.

Ein Gegenargument wäre, dass es zu wenige Fachkräfte gibt. Die Antwort „Warum haben wir diese nicht ausgebildet und tun es auch heute nicht?“ drängt sich auf.

Wer soll diese zusätzlichen Arbeitskräfte bezahlen, schließlich soll die Arbeitszeitverkürzung ja keine Lohneinbuße nach sich ziehen? Die Antwort ist nicht in einen Satz zu fassen. Zum Ersten: Wir bezahlen als Gesellschaft auch ALG und ALG II. Dieses Geld bezahlen die Arbeitenden und die Unternehmen. Der Staat nimmt es nur ein und verteilt es. Zweitens: Sinn des kapitalistischen Wirtschaftssystems ist es, Waren und Leistungen zu produzieren und zu verkaufen. Mehr Arbeitende – mehr Umsatz von Waren und Leistungen. Als Drittes noch: Bei kürzerer Arbeitszeit steigt sowohl die Produktivität als auch die Qualität der Waren und Leistungen. Dazu gibt es Studien, bitte selbst googeln.

Ich habe einleitend geäußert, dass ich die Forderung nach dem BGE unterstütze. Für mich ist aber das BGE nicht als Bezahlung für Nicht-Arbeit gemeint. Ich sehe es als Voraussetzung für menschenwürdiges Leben und Arbeiten. Leben und arbeiten ohne Existenzangst ist eher mein Ansatz. Mit dem BGE wäre die Erpressbarkeit der Arbeitenden abgeschafft.

Es gibt im linken politischen Spektrum viele Volks- und Betriebswirte, Wirtschafts- und Politwissenschaftler und vor allem phantasievolle Menschen. Also stellt euch die Frage, ob eine Vollbeschäftigung mit einem 6-Stunden-Arbeitstag (für den Anfang), einer 4-Tage-Arbeitswoche und einem BGE politisch sinnvoll und wirtschaftlich machbar wäre. Ich bin der Meinung, dass ein solcher Ansatz aus vielen Gründen sinnvoller ist als ein „Recht auf Faulheit“****.

Ohne näher darauf einzugehen: Denkt auch darüber nach, welche Bildung wir brauchen, um das durchzuziehen.

Und nun ihr. Sagt mir, ob ich völlig falsch denke.

P.S. Ich habe hier bewusst auf Verlinkungen und ausführliche Ausarbeitung des Themas verzichtet. Der Artikel soll zum Neu-Denken anregen, Kritik wird gern entgegengenommen.

* Bradbury, Ray; Fahrenheit 451, Diogenes Taschenbuch 20862, ISBN 978-3-257-20862-7; Das gesamte Gespräch ist auf den Seiten 81-88 zu finden. Es enthält viele wichtige und gute und erschreckende Thesen. Ich kann es nur empfehlen.

** Warum ich Plan B statt Alternative verwende, ist hier zu finden.

*** Ein Hinweis: Es gibt nicht zu wenig Arbeit. Es gibt viele dringend notwendige Arbeiten, die nicht erledigt werden. Denkt an Verkehrswege (vor allem Gehweg), Pflegeberufe, Lehrberufe und viele andere mehr. Diese Arbeiten werden nicht erledigt, weil es angeblich an Geld und Arbeitskräften fehlt. Ist das nicht absurd?

**** Das „Recht auf Faulheit“ wird oft nicht so benannt, ist aber als Forderung in den Diskussionen um den Sinn der Arbeit versteckt. Ich habe schon darüber geschrieben.

Wer hat uns verraten?

Nicht nur die Sozialdemokraten, auch die anderen linken Parteien entfernen sich immer weiter von den Wurzeln der früheren linken Bewegung, sprich der Arbeiterbewegung. Ich möchte heute über den Umgang der linken Parteien mit den arbeitenden Menschen reden. Die Bezeichnung „Arbeiter“ im Sinne des marxschen Proletariats werde ich nicht verwenden weil er ganze Berufsgruppen ausschließt, ich wähle stattdessen den Begriff „werktätige Menschen“.

Habt ihr euch eigentlich schon mal gefragt, warum bei einer Bevölkerung von 80,5 Millionen Menschen, von denen 61,9 Millionen wahlberechtigt und 41,8 Millionen erwerbstätig und somit das Stammpotential der linken Parteien sind*, keine wirklich linke Regierung möglich ist?

Ich beginne mit der SPD, die sich schon lange von ihren Wurzeln entfernt hat. Der letzte große Coup – der Mindestlohn – zeigt die Entfernung am deutlichsten. Nachdem eine SPD-geführte Bundesregierung die Hartz IV Gesetze verabschiedet und mit diesen die Erwerbslosen in unterbezahlte Jobs gezwungen hat, verkauft die SPD nun den Mindestlohn als Errungenschaft. In Wirklichkeit wurde der Billiglohnsektor durch ihre wirtschaftsliberale Gesetzgebung geschaffen und gefördert. Ich rede hier nicht gegen einen Mindestlohn – es geht mir um die Proklamation der „Errungenschaft“. Die SPD ist unehrlich gegenüber ihrer Stammwählerschaft und gegenüber ihren wirtschaftsliberalen Freunden.

Die anderen „linken Parteien“ sind da nicht viel besser, sie waren nur noch nie in der Regierungsverantwortung. Das ist für mich der einzige Unterschied wenn ich ihren Umgang mit dem Thema Arbeit betrachte.

Zurück zum Thema und zu meiner Frustration, ich arbeite mich hier an einem Artikel ab der mir als Paradebeispiel dient.

Da schreibt ein Herr Patrick Spät in der Zeit – einem Medium, welches sich im linken Spektrum sieht – einen Artikel mit dem Titel Sinn der Arbeit, der beginnt mit „Wohl kein anderer Satz fällt auf einer Party so häufig wie dieser: …“. Der Hohn des Philosophen Spät trieft aus diesem Satz, schließlich gehen die meisten werktätigen Menschen weniger als Philosophen und Journalisten auf Partys und reden dort über ihre Bedeutung, die sich aus ihrer hoch-wichtigen Berufstätigkeit ergibt. Wenn sich werktätige Menschen einen sozialen Stellenwert beimessen, dann geschieht das meist über das Ergebnis ihrer Tätigkeit, welches u. a. darin besteht, dass der Philosoph Strom für seinen Laptop hat, dass er das Ergebnis seines Denkens im Internet oder in der Printausgabe des entsprechenden Mediums bewundern und somit seine soziale Bedeutung auf der nächsten Party darstellen kann. Übrigens mit Getränken die von werktätigen Menschen hergestellt und transportiert wurden. Die Party wird vielleicht von einem Cateringunternehmen beliefert, welches ohne Arbeitskräfte aus dem Billiglohnsektor nicht auskommt.

Im weiteren Artikel taucht dann als biblisches Zitat getarnt der Satz auf: „Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen“**. Als Philosoph sollte Herr Spät wissen, dass der Spruch „Wer nicht arbeitet, der soll auch nicht essen“ ein aus den Bauernkriegen übernommener Slogan der Arbeiterbewegung war, der sich gegen die Ausbeuter richtete – nicht gegen die Arbeitslosen. Die Verwendung des Spruchs durch Müntefering im beschriebenen Kontext entwertet ihn nicht als Parole der Arbeiterbewegung, zumal schon das „will“ in seiner Version beinhaltet, dass Müntefering Menschen in jede Arbeit zwingen wollte – egal ob die Arbeit gesellschaftlich relevant ist oder ob die werktätigen Menschen von ihrem Lohn leben können.

Der Mensch strebt nach Faulheit** ist eine wesentliche Aussage des Artikels, gekoppelt mit der Aussage, dass die Maschinen unsere Arbeit übernehmen. Lassen wir uns diesen Satz auf der Zunge zergehen, dann folgt zwangsläufig das folgende Szenario:

Das Ziel der menschlichen Evolution wäre unter dieser Prämisse eine Menschheit, die in einer durch Maschinen versorgten Welt in „spätrömischer Dekadenz“ (Zitat Westerwelle) schwelgend ihrer Faulheit frönt, bis sie sogar zur Fortpflanzung zu faul ist und endlich ausstirbt. Da gab es bessere Science-Fiction in den 60ern.

Die werktätigen Menschen wollen wahrscheinlich nichts wissen von einem Arbeitsfetisch oder der DNA der Industriegesellschaft**, Arbeit war und ist für sie – als gesellschaftlicher Faktor – schon länger wichtig als die Lohnarbeit. Faulheit ist kein wichtiges Kriterium. Wichtiger ist gesellschaftliche Teilhabe durch Arbeit und menschenwürdige Arbeitsbedingungen.

„Wir sind stinkfaul und glorifizieren die Arbeit.“** Das ist einfach nicht richtig. Wir, die Menschen, sind nicht faul. Natürlich wünschen wir uns mehr Bequemlichkeit, womit das Waschbrett und die Waschmaschine schon ein richtiges Beispiel sind. Wären wir faul, dann würden wir uns einen Sklaven halten der die Waschmaschine bedient.

Zurück zur Arbeit und den Werktätigen. Geht uns die Arbeit wirklich aus? Die alte Industriearbeit des letzten Jahrhunderts geht gewiss ihrem Ende entgegen. Da tritt ein Fetisch der SPD und der Linken (der Partei dieses Namens), in Erscheinung – die Gewerkschaften. Diese sind ein Relikt, welches immer wieder beschworen wird. Die Gewerkschaften in der heutigen Form vertreten jedoch nicht mehr die Masse der werktätigen Bevölkerung, weil diese nicht mehr in der Industrie oder in solchen Großunternehmen arbeitet, die für die Gewerkschaften interessant sind. Ein großer Teil der erwerbstätigen Bevölkerung arbeitet in Kleinunternehmen oder als (Schein-)Selbstständige, und dieser Anteil steigt ständig.

Die Arbeit geht uns nicht aus, die klassische Industriearbeit schon eher. Was ist also zu tun?

Wenn weniger Industriearbeit da ist, die Produktivität aber immer weiter steigt und mit ihr die Masse der verfügbaren Güter, dann ist es an der Zeit, die Arbeit anders zu verteilen. Eine klassische 40-Stunden-Woche ist aus dieser Sicht nicht mehr erforderlich. Die übrig gebliebene Industriearbeit ließe sich durch Senkung der Wochenarbeitszeit auf mehr Menschen verteilen.

Der Fachkräftemangel hindert daran, dieses Argument wird voraussichtlich auftauchen. Wer hindert uns an der Ausbildung von Fachkräften, wenn nicht dieses kaputte System? Das System, welches Arbeitslosigkeit und Hoffnungslosigkeit als deren Folge als normal betrachtet und philosophisch die Faulheit als Eigenschaft des Menschen begründet, hindert uns daran.

Es fehle an Geld, wäre wahrscheinlich der nächste Einspruch. Dem halte ich entgegen, dass es nicht zu wenig Geld, sondern zu viel „Falschgeld“ gibt. Wahrscheinlich gab es noch nie so viel „Buchgeld“ in elektronischer Form wie heute. Nur ist dieses Geld bedeutungslos für die Gesellschaft, sieht man davon ab, dass Firmen und Staaten mit diesem „Buchgeld“ erpresst werden können. Dieses Geld wird nie im reellen Geldkreislauf als Geldwert in Erscheinung treten. Würde das gesamte „Buchgeld“ als „richtiges Geld“ eingesetzt werden, dann würde die Inflation ungeahnte Höhen erreichen. Dieses „Buchgeld“ beeinflusst aber die Politik von Firmen, Firmengruppen, Staaten und Unionen.

Wir haben keinen Arbeitsfetisch – wir haben einen Geldfetisch! Darüber müssen wir reden.

Wenn im Allgemeinen und speziell im Artikel von Patrick Spät über Arbeit geredet und geschrieben wird, ist meist die Rede von der „wertschöpfenden Arbeit“ in ihrer Form als Industriearbeit gemäß der marxschen Philosophie. Die Arbeitswelt hat sich aber verändert, somit müssen wir auch die Definition von Arbeit und „Arbeiter“ überdenken. Arbeit ist nicht nur als wertschöpfend zu betrachten. Sie ist nach ihrer gesellschaftlichen Relevanz zu bewerten. Somit sind auch Gesellschaftswissenschaftler, Künstler, Dienstleister und andere werktätige Menschen, die der sogenannten „unproduktiven Sphäre“ angehören, gleichwertig, wie schon Marx feststellte.***

Damit komme ich zur viel beschworenen Dienstleistungsgesellschaft. Wir alle wollen immer mehr Dienstleistungen, also Menschen, die in diesem Bereich arbeiten. Allerdings missachten wir sowohl die Arbeit dieser Menschen als auch die Menschen selbst. Wir betrachten sie als minderwertig gegenüber Industriearbeit und Industriearbeitern, das drückt sich nicht zuletzt in der Bezahlung dieser Tätigkeiten aus. Die Werktätigen im Dienstleistungssektor wollen mit Recht gleichwertig behandelt werden. Da gibt es auch bei den linken Parteien und besonders bei den Gewerkschaften Erkenntnis- und Handlungsbedarf.

„Wir leben in einer Ära des Kapitalismus, in der die Produktivität der Arbeit dermaßen hoch ist, dass immer weniger Arbeitskräfte gebraucht werden.“** Auch das stimmt so nicht.Wir leben in einer Welt, in der der Konsum regiert – bevorzugt in den eigenen vier Wänden. Gehen wir aus diesen vier Wänden hinaus, dann sehen wir überall Bedarf an Arbeit. In vielen Städten und Dörfern bricht die Infrastruktur zusammen – bevorzugt die Verkehrswege, weil Arbeit nicht erledigt wird. Da wird keine neue Soft- oder Hardware für Computer gebraucht, sondern wo/manpower. Zwei Gründe für die Nichterledigung dieser Arbeiten habe ich schon genannt: das Geld und die gesellschaftliche Stellung jener werktätigen Menschen, die diese Arbeiten in der Öffentlichkeit erledigen müssten. Es gibt keine App, die ein cooler Programmierer für den Straßenbau entwickeln könnte – es gibt nur dringend benötigte „uncoole“ Straßenbauer.

Wir, die Menschen im linken politischen Spektrum, haben Handlungsbedarf. Wir müssen dringend unsere Position zur Arbeit und zu den werktätigen Menschen überdenken und neu formulieren. Tun wir das nicht überlassen wir einen großen Teil der werktätigen Bevölkerung den konservativen und rechten Parteien.

Einleitend schrieb ich über die Bevölkerungsstruktur in Deutschland. Aus dieser Struktur stellt sich geradezu zwangsläufig, die Frage „Warum wählen so viele werktätige Menschen konservative oder rechte Parteien?“

Gerade durch die Konzentration linker Parteien auf die gewerkschaftlich organisierten Industriearbeiter einerseits und auf die Hartz-IV-beziehenden Menschen andererseits, fühlen sich viele Werktätige durch die linken Parteien nicht repräsentiert, teils sogar verspottet wie mit dem zitierten Artikel in einer linken Zeitschrift. Die einzigen Parteien, die zumindest plakativ Arbeit, also Lohn und gesellschaftliche Teilhabe, versprechen, sind konservativ oder rechts. Das sollte uns zu denken geben.

Hier schließt sich für mich der Kreis zu „echter linker Politik“:

Echte linke Politik ist für die gesamte Bevölkerung eines Staates, eines Kontinents und der gesamten Welt da.

Echte linke Politik ist keine Politik gegen „rechte Politik“ oder „konservative Politik“ – sie beseitigt die Ursachen für die Anhängerschaft an deren Thesen.

Diese Politik muss für Menschen gemacht werden die arbeiten und größtenteils auch arbeiten wollen. Das Recht auf Faulheit ist für die meisten Menschen kein Kriterium. Auch die Befürworter des bedingungslosen Grundeinkommens sehen nicht die Förderung der Faulheit als ihr Ziel – sie wollen die Kreativität der Menschen fördern. Meine Ausgangspunkte sind:

Menschen wollen nicht faul sein.

Menschen wollen eine menschenwürdige und sinnvolle Arbeit, von deren Lohn sie leben können.

Menschen wollen genügend Freizeit, die sie sinnvoll gestalten können.

Menschen wollen eine gute und kostenlose Bildung für sich und ihre Kinder.

Menschen wollen eine Zukunft – nicht philosophisches Geschwurbel.

Ich bezeichne mich nicht plakativ als links. Mein Bestreben ist es, eine wirklich linke Politik zu formulieren und zu machen. Dafür ist nach wie vor die werktätige Bevölkerung der wichtigste Faktor. Die zu Beginn genannten Zahlen lassen den Schluss zu, dass die nicht werktätigen 38,7 Millionen Einwohner Deutschlands teilweise Rentner aus der werktätigen Bevölkerungsmehrheit und teilweise Kinder derselben sind. Die werktätigen Menschen stellen nach wie vor die absolute Mehrheit der Bevölkerung dar – eine Politik für sie ist eine Politik für alle.

Den Philosophen Spät betrachte ich durchaus auch als Werktätigen (Philosophie ist auch Arbeit***) für den linke Politik gemacht werden soll. Ich gebe ihm ein Marx-Zitat auf den Weg:

Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert; es kommt aber darauf an, sie zu verändern.****

Meinen linken Freunden gebe ich folgendes zu bedenken: Ist der Kampf gegen „rechte Menschen“ wichtiger als der Kampf gegen die Ursachen für rechtes Gedankengut? Wurde die Verbreitung dieses Gedankengutes unter Anderem durch Versäumnisse der linken Parteien gefördert? Ist das Antifa-Graffiti-Tag auf der Wand eines Hauses, in dem Werktätige wohnen, wirklich ein Akt des Kampfes gegen Rechts? Oder ist es vielleicht nur Schmiererei deren einzige nachhaltige Wirkung der Frust der Bewohner ist?

Abschließend die Frage:

Wollen wir linke Politik mit allen Menschen machen oder wollt ihr weiter linke Politik als Politik einer Randgruppe betreiben?

* Zahlen: Statistisches Bundesamt https://www.destatis.de/DE/Startseite.html

** Zeit online, „Sinn der Arbeit“ , Patrick Spät http://www.zeit.de/karriere/beruf/2014-07/gastbeitrag-arbeit-sinn

*** vgl. Karl Marx, Theorien über den Mehrwert, Kap. 4.3, zitiert nach http://www.marxists.org/deutsch/archiv/marx-engels/1863/tumw/compact/ch04-03.htm „Ein Schauspieler z.B., selbst ein Clown, ist hiernach ein produktiver Arbeiter, wenn er im Dienst eines Kapitalisten arbeitet (des entrepreneur), dem er mehr Arbeit zurueckgibt, als er in der Form des Salairs von ihm erhaelt[.]“

**** Karl Marx, Thesen über Feuerbach, zitiert nach http://www.mlwerke.de/me/me03/me03_533.htm

Verkehrspolitik – Abschluss und Fragen

Hier beende ich meine Betrachtungen zum Verkehrskonzept. Den Anspruch auf Vollständigkeit erhebe ich ausdrücklich nicht.

Ich habe den Fahrradverkehr aus mehreren Gründen ausgelassen. Er stellt eine durchaus attraktive Alternative zu den hier betrachteten Verkehrsarten dar, aber ich überbewerte ihn nicht. Natürlich sind Radwege auszubauen, die Verkehrssicherheit für Radfahrer zu verbessern und Stellplätze zu schaffen. Aber der Fahrradverkehr ist zu einem großen Teil wetterabhängig. Er ist nicht für jeden eine Alternative, sei es aus gesundheitlichen Gründen, wegen mangelnder Umkleidemöglichkeiten an der Arbeitsstelle, bzw. mangelnder Möglichkeit der Aufbewahrung von Wechselkleidung. Von den Wegestrecken nicht zu sprechen. Gleiches gilt für den von der CDU ins Spiel gebrachten Mopedverkehr. Beide Verkehrsarten helfen also kaum bei der Lösung des Verkehrsproblems. Unter extremen Wetterbedingungen werden eben auch Rad- und Mopedfahrer zu Fußgängern, Nutzern des ÖPNV oder Autofahrern. Einzurechnen ist auch die Gruppe der „hippen“ Radfahrer, die noch ein Erst- und Zweitauto besitzen. Fahrrad fahren als politisches Statement sollte man nicht überbewerten.

Die Elektromobilität und andere alternative Antriebsarten für den Individualverkehr habe ich ebenso vernachlässigt, da sie nur unter Umweltschutzaspekten hilfreich sind. Bezahlbare Elektromobilität behebt aber nicht das „rollende und stehende Blech“.

Den Punkt Umwelt habe ich auch bewusst ausgelassen. Wenn ich dazu noch einige Worte zu sagen habe, dann diese. Die Umweltbelastung, die sichtbare und fühlbare, ist seit der Wende dramatisch besser geworden. Trotz steigender Anzahl von Kraftfahrzeugen. Das ist kein Grund den Umweltaspekt zu vernachlässigen, aber der Normalbürger hat die Weltuntergangsszenarien einfach satt. Ich bin der Meinung, dass in diesem Bereich viel erreicht wurde und trotzdem noch viel zu tun ist. Aber der propagandistischen Verwendung der Umwelt gegen den Autofahrer schließe ich mich nicht an.

Einen weiteren wichtigen Punkt habe ich ebenfalls ausgelassen, da er zwar die Verkehrspolitik betrifft aber in anderen Bereichen anzusiedeln ist. Das Thema Vermeidung von erforderlichen Wegen. Ausdrücklich ist hier nicht eine Einschränkung des Bürgers bei der Verkehrsteilnahme gemeint. Es geht um den Zwang bestimmte Wege zurückzulegen, nämlich Behördenwege. Eine Stärkung der Bürgerbüros wäre z.B. dafür ein Ansatz. Ob nun Aufgaben der Agentur für Arbeit, der Kfz-Zulassung, der Rentenversicherung, des Finanzamtes und ähnliche, diese können wohnortnah erledigt werden. Im Zeitalter der Informationstechnologie ist es nicht einsehbar, dass die heutige Zentralisierung erforderlich ist.

Schlussbemerkung

Bevor mir jetzt jemand „Blauäugigkeit“ vorwirft sage ich es lieber selbst.

Abgesehen von organisatorischen und technischen Fragen hat ein neues Verkehrskonzept enorme politische und wirtschaftliche Aspekte.

Im Eingangsartikel habe ich die Frage gestellt:

Wie ernst ist die Forderung nach einer neuen Verkehrspolitik von Seiten der Politik gemeint?“

Die Antwort ist m.E. nach, dass es leere Worthülsen sind die dort abgegeben werden. Erinnern wir uns, die „Grünen“ waren ja schon Regierungspartei. Warum ist da nichts passiert. Wenn ich sage „Nichts“ meine ich ernsthafte Ansätze.

Es geht um Geld und Arbeitsplätze. Ich bin mir dessen bewusst, dass eine radikale Änderung der Verkehrspolitik, auch wenn ich sie wirklich im Sinne der Bürger gestaltet haben möchte, extreme wirtschaftliche Veränderungen hervorruft.

Hier versagt die Statistik, zumindest meine Kenntnisse. Betroffen wäre die Automobilindustrie und sämtliche mit ihr verbundenen Wirtschaftsbereiche. Diese sind im produzierenden, Handels-, Dienstleistungs- und Finanzierungs-Bereich der Volkswirtschaft angesiedelt. Auch in den Bereichen des öffentlichen Dienstes werden sich Veränderungen ergeben. Wie viele Arbeitsplätze es betreffen würde kann ich nicht berechnen.

Weshalb sonst würden, trotz besseren Wissens um Rohstoffknappheit, Umweltprobleme und Ähnlichem, von Seiten der Politik keine – oder nur halbherzige Schritte unternommen werden.

Ich weigere mich eine Gegenrechnung aufzustellen, da sie allenfalls eine „Milchmädchen-Rechnung“ wäre. Trotz Steigerung des Arbeitskräftebedarfs in einigen Bereichen der Volkswirtschaft würde eine große Anzahl von Arbeitsplätzen ersatzlos verlorengehen.

Hier steht nun die politische Frage. Die Frage nach der Vollbeschäftigung, dem 8-Stunden-Arbeitstag und letztendlich dem Bedingungslosen Grundeinkommen. Das ist nicht mehr eine Frage der Verkehrspolitik – das ist eine echte gesellschaftspolitische Frage. Die Frage nach der Gesellschaft in der wir leben wollen.

Und das ist die eigentliche Frage.