Diskriminierung geht uns alle an.

Keine Angst, ich mache nicht den Prof. Stefanowitsch. Ich möchte über Sprache und Diskriminierung zwar schreiben, habe aber am Ende eines Artikels immer noch Kommata übrig, die Anatol nutz- und gewinnbringend einsetzen könnte. Das ist jetzt kein Angriff auf A.S., den ich trotz gelegentlicher Meinungsverschiedenheiten schätze.

Mein Thema ist auch weder die Diskriminierung wegen Hautfarbe, Geschlecht oder sexueller Orientierung. Dazu habe ich bereits geschrieben.

Wer es gelesen hat, der erinnert sich vielleicht an den 2. Teil meiner Gedanken zum „Stadtentwicklungsplan Verkehr und öffentlicher Raum“ in Leipzig. Da ging es um den Fußverkehr und ich schrieb:

Die Gehwegsanierung, sollte sie nicht zu einer großräumigen „absoluten Flächenversiegelung“ führen, ist bedingt durch die Pflasterarten nur mit manpower durchführbar. Die in Leipzig überwiegend vorhandenen Pflasterarten auf Gehwegen lassen nur eine Teilmechanisierung der Arbeiten zu.

Ich bekam auch von einem Bekannten ein Feedback zu diesem Satz. Es lautete „Da können sich die Hartzer mal nützlich machen.“

Bevor ich darauf eingehe, eine kleine Anmerkung.

Steinsetzer oder Pflasterer machen heute coole Dinge. Ob nun die Garageneinfahrt für den Benz oder den Gehweg zum Einfamilienhaus, da wird für diese Handwerksarbeit richtig Geld ausgegeben und das Ergebnis wird bewundert. Man unterhält sich sogar mit ihnen – sie werden als „Kreative“ betrachtet.

Wenn nun aber die ersten kniend die ca. 8×8 cm großen Pflastersteine unserer Gehwege entfernen, den Untergrund planen und dann die Steine wieder einsetzen würden, dann würden die meisten Passanten wohl ebenso reagieren wie mein Bekannter. „Unterqualifizierte Arbeit für Doofe“ wäre wohl eine mögliche Bezeichnung. Also genau das Richtige für die „Hartzer“.

Hier fängt Diskriminierung an; durch Sprache und den Sinn, in dem wir sie verwenden.

Der „Handwerker“ arbeitet mit den Händen – im Kopf muss er nicht viel haben. Der „Dienstleister“ ist ein Diener im feudalen Sinne. Ob er überhaupt denkt ist fraglich und wenn, dann interessiert es fast niemanden. Schlussendlich der Hartzer, der entspricht in Kopf und sprachlicher Verwendung dem Niveau einiger Privatsender.

Das sagt etwas über die gebildete(?) und fortschrittliche(?) Gesellschaft aus!

Vielleicht sollten wir mal einen Schritt zurück (oder vorwärts) gehen und die Arbeit die jemand erledigt unter dem Aspekt des gesellschaftlichen Nutzens sehen. Ehrlich, dann wäre mancher coole Beruf im Ansehen deutlich unter dem Handwerks- oder Dienstleistungsberuf angesiedelt.

Bevor ihr mich schlagt, eine Anmerkung zum „Nutzen“. Ich gehöre zu den wenigen in meinem Umfeld (beruht auf Beobachtung), die, wenn sie am Morgen aus dem Haus kommen, den Straßenkehrer grüßen. Sein „Nutzen“ für mich ist ein persönlicher. Ich würde nämlich in unser aller Dreck ersticken – wenn er seine Arbeit nicht machen würde. Seine Arbeit ist wichtig für mich, da hat er auch Anspruch auf Achtung und Freundlichkeit.

Am Ende natürlich etwas zur Bildung. Es würde ja etwas fehlen, wenn ich nicht darauf kommen würde.

Im Gegensatz zu früheren Zeiten hat das Ganze nämlich nichts mehr mit „gebildet“ und „ungebildet“ zu tun. Wir wollen doch keine Bildung, die nur eine Vorbereitung auf das Berufsleben ist, oder?

Was spricht eigentlich gegen einen hochgebildeten Pflasterer?

Unser Bild im Kopf, unsere Verwendung von Sprache und daraus resultierend eine gesellschaftliche Missachtung. Das ist das einzige, was dagegen spricht.

Also Diskriminierung, zumindest sehe ich das so.

P.S. Eine Frage steht noch. Wenn wir Menschen auf Grund ihres ausgeübten Berufs diskriminieren, wie wollen wir dann die anderen Diskriminierungen abschaffen?

P.P.S. Wie wollen wir eigentlich die Versäumnisse der letzten -zig Jahre aufarbeiten, wenn wir die Menschen die wir dazu brauchen diskriminieren?

2 Antworten auf „Diskriminierung geht uns alle an.“

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